3G statt 2G - Neue Regel beim Stadionzutritt von Borussia Dortmund
Zum Heimspiel gegen den FSV Mainz ändert der BVB seine Zutrittsbestimmungen vom 2G-Modell hin zu 3G. Eine legitime Entscheidung. Aber nicht alles, was man machen darf, ist auch sinnvoll.
Ab dem Heimspiel gegen Mainz dürfte es wieder richtig voll im Westfalenstadion werden. Wie der BVB gestern ankündigte, wird man die Möglichkeiten, die die neuste Auflage der Coronaschutzverordnung des Landes NRW bieten, voll ausnutzen und alle Sitzplatzkarten, sowie die Hälfte des Südkontingents verkaufen. Darüber hinaus wird der Zutritt nicht mehr, wie bisher, nach dem 2G-Modell erfolgen, außerhalb des VIP-Bereiches erhalten auch Fans mit einem negativen Bürgertest Zutritt. Schon die Platzierung dieses Details am Ende der Verkündigung auf der Vereinshomepage zeigt, dass diese Entscheidung durchaus kontrovers gesehen werden kann.
Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine legitime Entscheidung der Geschäftsführung des BVB. Die Festlegung auf ein Modell, nachdem nur Geimpfte und Genese, sowie ein sehr kleiner Teil mit Testnachweis für Fans ohne Impfmöglichkeit, eingelassen werden, war gegen Augsburg eine freiwillige Selbstbeschränkung, die über den gesetzlichen Rahmen hinausging. Dass man jetzt dazu übergeht, den gesetzlichen Rahmen voll ausnutzen, ist per se nichts ehrenrühriges. Im Gegenteil, der Großteil aller Wirtschaftsunternehmen wird ebenso verfahren und versuchen, die in der Pandemie erlittenen Mindereinnahmen schnellstmöglich wieder auszugleichen.
Trotzdem verwundert dieser plötzliche Sinneswandel beim BVB. Noch vor zwei Monaten erklärte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Bilanzpressekonferenz: „2G wird bei uns deutlich favorisiert. Wenn du im Stadion weißt, dass 90 oder 95 Prozent der Zuschauer geimpft sind, hast du ein höheres Sicherheitsgefühl“. An gleicher Stelle erklärte er, dass der Weg zurück zur gewohnten Lebensqualität über eine steigende Impfquote führe. Die aktuelle Entscheidung ist allerdings nicht gerade dazu geeignet, neue Impfanreize zu schaffen.
Grund für diesen
Kurswechsel dürfte die überschaubare Entwicklung der
Zuschauerzahlen in der Liga insgesamt, aber auch beim BVB sein. Zwar
konnte man gegen Augsburg mehr als das zuerst freigeschaltete
Kontingent von 38.000 Karten verkaufen, insgeheim wird man sich aber
wohl auch mehr als letztendlich 41.000 zahlende Zuschauer erhofft
haben. Das ist an sich in Ordnung, aber dem Verein wurden die Tickets
auch nicht gerade aus den Händen gerissen. Man hätte allein an den
Sitzplätzen bis auf über 50.000 Plätze aufstocken können, wenn
die Nachfrage vorhanden gewesen wäre. So wird man am Rheinlanddamm
mit Sorgenfalten auf die Zukunft blicken und befürchten, unter den
bisherigen Vorgaben in Zukunft deutlich seltener Herrn Pieper
„Ausverkauft“ verkünden lassen zu können.
Es wird nicht möglich sein alle Zuschauer zu kontrollieren
Wie gesagt, grundsätzlich eine aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbare und rechtlich legitime Entscheidung, die so auch viele andere Unternehmen treffen. Hotels, Gaststätten, Schausteller – sie alle werden alle Möglichkeiten ausnutzen, ihre Betriebe soweit es eben geht, auszulasten. Allerdings blendet sie auch total aus, dass bei einem Bundesligabetrieb gänzlich andere Voraussetzungen als zum Beispiel in einem Restaurant herrschen. In Dortmund werden dann bis zu 67.000 Zuschauer gleichzeitig auf einer räumlich eng begrenzten Fläche versammelt sein. Dass diesen besonderen Umständen bei Großveranstaltungen in der Coronaschutzverordnung kaum Rechnung getragen wird, ist erstaunlich, befreit die Vereine aber auch nicht von ihrer Fürsorgepflicht. Und da muss man ganz klar sagen, egal was für ein System sich Borussia Dortmund für die folgenden Heimspiele ausdenkt, es wird niemals ausreichen, bei 67.000 Zuschauern zu kontrollieren, ob alle Zutrittsbedingungen auch ordnungsgemäß erfüllt sind. Das System der Kontrolle an den Drehkreuzen ist schon gegen Augsburg an seine Grenzen gestoßen und es gibt viele Berichte, nachdem die Fans zur Stoßzeit einfach durchgewunken wurden. Bei einer Auslastung von fast 80 % wird es gar nicht anders möglich sein, als dass man immer weniger kontrolliert, je näher es Richtung Anstoß geht. Man wird die Fans weder dazu animieren können, schon vier Stunden vorher das Stadion zu betreten, noch wird man ein großes Gedränge und Geschiebe riskieren können und wollen.
Fairerweise muss man sagen, dass dieses Argument nicht nur bei einem 3G-Modell greift. Dieses Problem stellt sich auch, wenn nur Geimpfte und Genesene das Stadion betreten dürfen.
Es gibt aber einen großen Unterschied: man spricht jetzt aktiv die Gruppe der Leute an, zu der auch zu einem nicht unerheblichen Teil „Impfskeptiker“, „Impfverweigerer“ und „Coronaleugner“ gehören und lädt sie grundsätzlich wieder zum Stadionbesuch ein. Wer jetzt noch nicht geimpft ist, obwohl er gesundheitlich, oder altersmäßig dazu in der Lage ist, verzichtet darauf, weil er es nicht will. Es ist mehr als blauäugig anzunehmen, dass die Personen dieser Gruppe alle brav am Vortag des Spieles eine Teststelle aufsuchen und sich aktuell einen negativen Status bescheinigen lassen. Die regelmäßigen Stadiongänger unter ihnen, werden nicht einmal Tests fälschen müssen, weil sie genau um die Einlasssituation vor Anpfiff wissen. Bislang konnte sich diese Gruppe empört diskriminiert fühlen. Jetzt wird sie wieder zum Stadiongang animiert.
Besonders pikant wird es zum Mainzspiel durch den kürzlichen Tod eines bekannten Dortmunder Neonazis und Althools. Bedenken, dass man in der braunen Szene versuchen wird, mit einer Gedenkaktion die Südtribüne für eine Demonstration der eigenen Stärke zu nutzen, sind nicht von der Hand zu weisen. Mutmaßlich wird die Impfquote unter Nazis nicht besonders hoch sein, so dass man hier zur Unzeit den Zugang ins Stadion erleichtert.
Kurzfristiger Profit statt Sicherheit
Aber ist es für die Geimpften unter den Fans nicht letztendlich egal, ob sich dort potenziell infizierte Fans ins Stadion begeben, weil sie in der Regel, wenn überhaupt, nur mit milden Symptomen erkranken würden? Generell ja, aber auch eine sehr kurzsichtige Betrachtungsweise. Der Herbst steht vor der Tür und ein Anstieg der Infektionszahlen ist mehr als sicher. Es geht in diesem Zusammenhang auch darum, die Kapazitäten der Intensivstationen zu schonen und Situationen zu verhindern, in denen andere Erkrankungen nicht mehr ausreichend behandelt werden können. Zudem kann jeder Stadiongänger, ob geimpft oder nicht, das Virus weiter in die Familie und den Freundeskreis tragen und seinen Kindern die nächste Quarantänemaßnahme bescheren. Darüber hinaus sollte dem BVB eins klar sein: Sollten die Samstagnachmittage im Stadion in den nächsten Wochen als Pandemietreiber auffallen, dürften die Zugangsbeschränkungen schneller wieder aktiviert werden, als sie jetzt gefallen sind. Ebenfalls ein Umstand, unter dem alle Fans zu leiden hätten. Für die Fußballclubs hieße das am Ende eventuell, dass sie unter dem Strich für eine kurzfristige Steigerung der Ticketerlöse wieder längerfristig darben müssen.
Es spricht also vieles dafür, mit der aktuellen Situation vorsichtig umzugehen und den Stadionbesuch so sicher wie möglich zu gestalten. Borussia Dortmund hat sich, wie viele andere Vereine auch, dagegen entschieden. Dabei geht es den Vereinen doch sonst immer angeblich um Sicherheit. Warum sonst wurde bei leeren Tribünen die Stadionallianz, an der sich auch der BVB beteiligt, durchgepeitscht? Warum sonst muss man sich als Gästefan im Intimbereich auf der Suche nach todbringenden Bengalos durchsuchen lassen? Es ist bezeichnend und demaskierend, dass man ausgerechnet im Falle einer weltweiten Pandemie Sicherheiten abbaut und dem Ticketverkauf unterordnet. Überraschen tut es leider nicht mehr wirklich.