Das Lied von Bayerns Gloria
Immer wieder wird das hohe Lied der hervorragenden Arbeit in München gesungen. Dabei wird immer wieder unterschlagen, dass die Dominanz der Bayern zu einem guten Teil auch in einem unsolidarischen und äußerst egoistischen Agieren begründet ist.
Bayern München wird in dieser Saison wohl deutscher Meister – mal wieder. Genauer gesagt werden sie wohl zum zehnten Mal in Folge die Schüssel überreicht bekommen. Schon zur Halbzeit der Saison preisen Artikel im Kicker, aber auch BVB-Chef Aki Watzke, wohl im Vorgriff auf sein neues Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der DFL, die jahrelange Arbeit der Münchener und vor allem die der beiden Ex-Chefs Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Es scheint kaum jemanden zu stören, dass hier ziemlich offenkundige Geschichtsklitterung betrieben wird.
Wie jedes Märchen hat auch das des FC Bayern München, der sich mit hartem Training und eisernem Willen bis an die Spitze des europäischen Fußballs vorgearbeitet hat, einen wahren Kern. Man hat häufig gut gearbeitet und gute Entscheidungen getroffen. Genauso ist richtig, dass Vereine wie wir das nicht immer getan haben. Die Millionen für Spieler wie Schürrle, Yarmolenko oder auch Schulz hätten sicherlich optimaler verwendet werden können und Transferperioden, die eher einem Wünsch-dir-was bei Trainer und sportlicher Leitung ähneln, sollte man sich tunlichst sparen, wenn man vorankommen will. Ob das jetzt allerdings unsere Stellung als "natürlicher Zweiter oder Dritter" massiv verändert hätte, darf auch bezweifelt werden.
Geschichtsklitterung als System
Was bei dieser Heldensaga allerdings immer weiter in den Hintergrund geschoben wird ist, auf welche Art sich die Bayern nach vorne gekämpft haben. Selbst ein offen eingestandener Skandal wie die Kirch-Affäre wird dabei kaum noch erwähnt. Kirch-Affäre? Was war das noch gleich? Im Jahr 2003 wurde bekannt, dass die Bayern vom damaligen Inhaber der TV-Rechte Leo Kirch einen Betrag von rund 40 Millionen DM erhalten haben – dafür, dass sie darauf verzichtet haben, gegen die Zentralvermarktung der TV-Rechte vorzugehen. Diese Zentralvermarktung regelt die gesamtheitliche Veräußerung der TV-Rechte und in der Folge die Verteilung der Einnahmen nach einem gemeinschaftlich festgelegten Schlüssel aller Profivereine. Ein Ende der Zentralvermarktung hätte eine deutliche Einnahmensteigerung für die Bayern zu Lasten kleinerer Vereine mit nur regionaler Anhängerschaft bedeutet. Heute erscheint ein Betrag von 20 Millionen € lächerlich gering, damals war das ein ordentlicher Batzen Geld.
Überhaupt scheint die Zentralvermarktung ein Lieblingsthema an der Säbener Straße zu sein. Zuletzt forderte Rummenigge im Jahr 2015 ein Ende dieses solidarischen Prinzips und hatte gleich mal in Gesprächen mit dem Kartellamt die rechtliche Lage erörtert. Ganz unverbindlich natürlich und ergebnisoffen.
Ähnlich offensichtlich, wenn auch viel alberner, war die Drohung des deutschen Zugpferds ebenfalls aus dem Jahr 2003, dass man ja auch die Sachen packen, quer über die Alpen fahren und in Zukunft die italienische Serie A bereichern könne. Was die Vereine vom Stiefel von diesem Vorschlag hielten, ist nicht bekannt, aber es dürfte sich hierbei auch kaum um ernsthafte Gedankenspiele gehandelt haben.
Der Sinn und Zweck all dieser Manöver war ganz einfach Geld. Bayerns Macher haben in der Liga und im europäischen Fußball permanent und massiv darauf hingearbeitet, die Verteilung der Einnahmen auf die Ligaspitze und dort vor allem auf sich selbst zu konzentrieren. Die Erfolgsgeschichte der Bayern in den letzten 20 Jahren ist nicht nur eine von harter Arbeit, sondern vor allem von massivem Druck, unsolidarischem Verhalten und, fußballerisch gesprochen, im Falle der Kirch-Affäre auch von einem üblen Foulspiel an allen anderen Profivereinen. Natürlich, das ganz große Geld fließt mittlerweile durch Prämien der Champions League (an deren Verteilung die Bayern ebenfalls mitgeschraubt haben) und durch Werbeverträge; aber diese schmutzige Arbeit dürfte vor allem zu Beginn des Jahrtausends den entscheidenden Finanzvorteil gebracht haben, mit dem die Bayern mögliche Konkurrenten durch den Kauf von Schlüsselspielern wegbeißen konnten. Wer weiß, wo z.B. Werder Bremen heute stünde, wenn nicht Spieler wie Pizarro, Ismael oder Klose das Fischbrötchen gegen eine Leberkäs-Semmel getauscht hätten?
Die Liga zeigt sich unterwürfig
Der deutsche Fußball hat den Bayern nicht, wie häufig katzbuckelig erwähnt wird, viel zu verdanken, ganz im Gegenteil. Mit ihrer, ja nennen wir es ruhig so, asozialen Geschäftspolitik haben sie den deutschen Fußball transformiert und langweiliger gemacht.
Die feststehende Meisterschaft, die Blockade der wichtigen Champions-League-Plätze durch wenige Clubs, aber auch die immer weiter auseinander klaffende Lücke zwischen erster und zweiter Liga sind direkte Folge einer Hintergrundpolitik, die die Geldflüsse in die Spitze, statt in die Breite gelenkt hat. Dabei muss man auch ganz klar sagen, dass der BVB zumindest stillschweigend von dieser Arbeit profitiert. Wenn man jetzt auch mit einer durchschnittlichen Saison am Ende ziemlich sicher auf den Plätzen zwei bis vier landet und es für den Erfolg gar nicht mehr so entscheidend ist, ob ein 20-Millionen-Transfer super einschlägt, oder eher die Bank wärmt, dann liegt das auch daran, dass man am zweitmeisten von diesen Geldströmen für sich abzweigen kann. Ebenso wird Borussia Dortmund, bei aller Underdogrhetorik, in den Verhandlungen zur Geldverteilung eher an der Seite der Bayern, denn der nachrückenden Vereine wie Gladbach oder Frankfurt stehen.
Dennoch ist völlig unverständlich, wie der Rest des Fußballbusiness artig Spalier steht und applaudiert, wenn die Bayern mal wieder Meister werden, und das hohe Lied von Bayerns Gloria singt, statt darauf hinzuweisen, auf welch schmutzige Weise diese Vormachtstellung errungen wurde. Ebenso wie die Erhebung von Hoeneß und Rummenigge nach ihren Rücktritten von Vereinsämtern zu Säulenheiligen des deutschen Fußballs, die mal launige Geschichten von damals vortragen dürfen, mal das aktuelle Geschehen kommentieren, oder gar auch mal für höchste Ämter beim DFB ins Spiel gebracht werden. Diese beiden haben mit ihrer Politik den anderen Vereinen wieder und wieder in den Hintern getreten, sich unsolidarisch verhalten – und ernten verblüffenderweise dafür ein Schulterklopfen.
Erzählt die Geschichte des FC Bayern München ruhig weiter. Aber bitte richtig.