BVB-Frauen

Nächster Halt: Bezirksliga

27.05.2022, 11:35 Uhr von:  Malte S.
Spielerinnen und Staff beim Jubel-Mannschaftsfoto auf dem Rasen. Alle tragen schwarz-gelbe Shirts mit der Aufschrift "Aufstieg 2022".
Historischer Moment: Das erste Frauenteam in der Geschichte des BVB feiert den Aufstieg

Wer sich Mittwochabend am Borsigplatz aufhielt, dürfte nicht schlecht gestaunt haben: Ein Linienbus voll jubelnder, singender Insass*innen drehte eine Ehrenrunde. Es waren die BVB-Spielerinnen, die ihren Aufstieg in die Bezirksliga feierten. Auch wenn die Party einige Hausnummern kleiner ausfiel als bei den männlichen Profis: Es war ein tolles Bild an diesem für Borussia geschichtsträchtigen Ort.

Wenige Stunden zuvor hatte der BVB mit einem 4:0 über TV Brechten II die Relegation für sich entschieden. Ein verdienter Sieg, der auch durch eine längere Unterzahl – Verteidigerin Marina Jung hatte wegen einer Notbremse die Rote Karte gesehen (20.) – nicht gefährdet wurde. Vanessa Kuhl (18., 45.) und Annika Billig (34.) stießen die Tür zur Bezirksliga schon in Halbzeit eins weit auf, nach der Pause machte Ann-Katrin Lau (82., Strafstoß) dann alles klar gegen die Meisterinnen der Kreisliga A1, die ab der 66. Minute ebenfalls zu zehnt spielten. Auch wenn die BVB-Frauen als klare Favoritinnen ins Spiel gegangen waren, kannte der Jubel vor rund 1.000 Zuschauer*innen keine Grenzen. Team, Staff, Fans und Familien feierten gemeinsam auf der Bezirkssportanlage Nette. Die Bilder aus dem Mannschaftsbus, die später bei Instagram verbreitet wurden, lassen vermuten, dass die Feierlichkeiten damit längst nicht beendet waren.

Ein hohes Maß an Identifikation

Die BVB-Frauen krönen damit eine fast perfekte Spielzeit. Ohne Punktverlust und mit 143:3 Toren war die Meisterschaft in der Kreisliga A2 nie gefährdet. Doch das ist vielleicht gar nicht ihr größter Erfolg. Das Team wusste in seiner Premierensaison viele Fans zu begeistern. Zu den Spielen strömten regelmäßig mehrere hundert Zuschauer*innen. Ein toller Wert für die Kreisliga. Doch auch abseits des Sportlichen machen die BVB-Frauen einfach Spaß. Das Team ist gespickt mit Spielerinnen, die seit ihrer Kindheit Fans von Borussia Dortmund sind. Den Stolz, die schwarz-gelben Farben zu vertreten, konnte man bereits während des ersten Spiels gegen 1860 München im vergangenen Sommer spüren. Und wer den Spielerinnen bei Social Media folgt, findet dort Bilder, die im Gegensatz zum Content der männlichen Profis nicht durchgescriptet wirken. Man hat den Eindruck: Die allermeisten haben nicht nur Bock, Fußball zu spielen, sondern das für den BVB zu tun. Unterm Strich steht ein Team, mit dem man sich als Anhänger*in gerne identifiziert. Auch das war bei den Herren Profis während der vergangenen Jahre leider selten der Fall.

Ann-Katrin Lau und Ana Louisa Zabell umarmen sich. Beide lachen und tragen schwarz-gelbe Shirts mit der Aufschrift "Aufstieg 2022"
Geschafft! Ann-Katrin Lau und Ana Louisa Zabell

Der Verein ermöglicht den Protagonist*innen Erlebnisse, von denen sie bis vor wenigen Jahren nur geträumt haben dürften. Zum Beispiel Ann-Katrin Lau, die regelmäßig auf der Süd steht und nach einem schweren Unfall 2020 fürchtete, selbst nie wieder Fußball spielen zu können. Gut ein Jahr später erzielte sie das erste Tor in der Geschichte des BVB-Frauenfußballs und klopfte sich vor Freude mehrmals aufs Wappen. Oder Svenja Schlenker, die die Frauenabteilung unter dem Dach der KGaA leitet: Ihre Karriere als Spielerin war eigentlich längst beendet. Doch als die BVB-Frauen am 15. Spieltag unter anderem wegen Corona stark ersatzgeschwächt zu Teutonia Lanstrop reisen mussten, konnte sie sich als Einwechselspielerin doch noch den großen Traum erfüllen, für Borussia Dortmund auf dem Platz zu stehen.

Bestätigung des „Dortmunder Wegs“

All diese Geschichten kann der BVB nur schreiben, weil er mit seinem Team in der Kreisliga A und damit in der untersten Spielklasse gestartet ist. Für diesen Weg hatte sich die Mehrheit der Fans im Rahmen einer Online-Befragung ausgesprochen. Im Interview mit schwatzgelb.de erzählte Carsten Cramer, dass unabhängig davon auch die BVB-Verantwortlichen dieses Modell favorisiert hätten. Wir hatten uns an dieser Stelle damals durchaus kritisch mit diesem später als „Dortmunder Weg“ ausgerufenen Plan auseinandergesetzt und unter anderem die Frage aufgeworfen: Könnte der BVB nicht auch gleich in einer höheren Liga einsteigen, indem er beispielsweise die Lizenz eines anderen Vereins übernimmt? Schließlich wird er den Wettbewerb im Amateurbereich ohnehin aushebeln. Tatsächlich hat sich Letzteres bestätigt. Hinter den BVB-Frauen liegt ein Durchmarsch durch die Kreisliga, und die Testspielergebnisse gegen höherklassige Teams lassen nicht vermuten, dass sie nun in der Bezirksliga gestoppt werden. Der Erfolg des BVB ist bis zu einem gewissen Grad planbar. Wer die Spiele besuchte, tat das sicher nicht wegen der Spannung. Und trotzdem kann man nach dieser ersten Spielzeit sagen: Schön, dass der Verein dieses Modell gewählt hat. Ein Team, das sich in solch hohem Maß mit Borussia Dortmund identifiziert, hätte man nicht basteln können, wenn man direkt weit oben eingestiegen wäre und (halb-)professionelle Spielerinnen verpflichtet hätte. Und das wiegt den bisherigen Mangel an sportlichem Nervenkitzel auf jeden Fall auf.

Svenja Schlenker nach dem Relegationsspiel. Sie trägt eine dunkle Jacke und lächelt.
Abteilungsleiterin Svenja Schlenker

Das liegt auch daran, dass der BVB sein Frauenteam nicht stiefmütterlich behandelt. Es verfügt nicht nur über (Trainings-)Bedingungen, die weit über Kreisliga-Niveau liegen, sondern bekommt durch die regelmäßige Einbindung in die Social-Media-Auftritte des BVB und gemeinsame Termine mit den Profis auch eine prominente Plattform. Im Frühjahr nahmen die BVB-Frauen außerdem an einer vom Verein organisierten Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim teil und besichtigten das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.

Die Herausforderungen werden nicht kleiner

Der Aufstieg in die Bezirksliga ist nur ein Zwischenziel auf dem Weg, den Borussia Dortmund auf der Mitgliederversammlung 2019 eingeschlagen hat – und der ihn innerhalb eines Jahrzehnts möglichst in die Bundesliga führen soll. Schon bald warten also schwierige Herausforderungen. Die sportliche Konkurrenz wird größer werden. Sicherlich wird man sich früher oder später von manch liebgewonnener Spielerin, die das Niveau nicht halten kann, verabschieden müssen. Parallel soll ein Unterbau geschaffen werden, ein zweites Team hat der BVB bereits angekündigt. Der Amateurfußball wird nach und nach einem Profitum weichen, was den BVB vor die Aufgabe stellen wird, trotzdem nahbar zu bleiben.

Mit ihrer ersten Spielzeit haben die BVB-Frauen, inklusive der Verantwortlichen, einen auf allen Ebenen starken Start hingelegt. Ein Auftakt, der mit dem Gewinn des Kreispokals am kommenden Sonntag übrigens noch veredelt werden könnte. Dann wartet in Brackel mit dem ersten Team des TV Brechten der Meister der Bezirksliga 4. Doch Double hin oder her – der BVB-Frauenfußball macht schon jetzt Lust auf mehr.

Für das Kreispokalfinale gibt es noch Restkarten. Alles Wichtige rund ums Spiel findet ihr in den Faninfos des BVB.

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