Neues Puma-Trikot: Zwischen Panne und Grenzverschiebung
Jahr für Jahr dasselbe Spiel: Neigt sich eine Saison ihrem Ende, tauchen im Netz Entwürfe der Trikots für die kommende Spielzeit auf. Im besten Fall löst das unter Fans nur Diskussionen geschmacklicher Art aus. Doch diesmal könnten der BVB und Puma zu weit gegangen sein.
Denn der Entwurf des Pokaltrikots für die kommende Saison, der kürzlich seinen Weg in die Öffentlichkeit fand, – natürlich heimlich und ohne Hintergedanken des Herstellers – bringt gleich zwei Überraschungen mit sich. Farblich weicht es mit seinen Neontönen deutlich von seinen Vorgängern ab. Wohl eine Reminiszenz an die Neunziger, zumal sich 2022 der Champions-League-Sieg zum 25. Mal jährt.
Vor allem aber scheint es sich beim neuen Gewand für Champions League und DFB-Pokal um ein sogenanntes Ausrüster-Trikot zu handeln. So spricht man BVB-intern auch von einem „Puma-Trikot“ statt einem „BVB-Trikot“ und setzt dabei ganz klar den Fokus auf den Sportartikelhersteller. Puma verfolgt damit einen größeren Plan. Neben dem BVB möchte man 2021/22 gleich mehrere internationale Klubs mit demselben Design ausstatten, unter anderem Manchester City oder AC Milan. Auf allen Trikots prangt zentral oben das Puma-Logo, darunter als Schriftzug der Name des Vereins beziehungsweise der Stadt sowie der Hauptsponsor. Darüber hinaus sind die Designs recht schlicht gehalten, aufregende Muster wie auf unserem aktuellen Heim-Dress in der Bundesliga sucht man vergebens. Unterm Strich unterscheiden sich die Trikots nur mit Blick auf die jeweiligen Vereinsfarben und die Schriftzüge der Hauptsponsoren.
Die Entscheidung fiel bereits 2019
Platz für die Vereinslogos ist in diesem Entwurf jedoch keiner. Aus Sicht von Puma erscheint das logisch, ist die Idee hinter den einheitlichen Trikots doch, die eigene Marke in den Vordergrund und damit über die Vereine zu stellen. Für viele BVB-Fans ist das jedoch ein No Go. Bereits während der digitalen Fanrats-Sitzung am vergangenen Donnerstag musste sich Geschäftsführer Carsten Cramer deutliche Kritik anhören; in den Folgetagen verliehen die Ultras von Desperados Dortmund ihrer Ablehnung mit Spruchbändern gegenüber der Geschäftsstelle Ausdruck: “Cramer: Das BVB-Logo ist kein Spielzeug für deine Boni!” und „Wer das Wappen nicht ehrt, ist Borussia nicht wert!“ war dort zu lesen.
Nach unseren Informationen basiert das Ausrüster-Trikot auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Puma und dem BVB. Diese soll im Rahmen der Vertragsverlängerung 2019 beschlossen worden sein. Borussia kassiert seitdem circa 20 Millionen Euro mehr pro Jahr, aber eine Bedingung war eben die bittere Pille des „Ausrüster-Trikots“. Welcher Anteil aus der Erhöhung der Bezüge auf diese Pille entfällt, ist Spekulation. Es zeigt aber, dass beim BVB scheinbar alles ein Preisschild hat.
Der BVB möchte nun nachjustieren
Mittlerweile ist der Verein öffentlich zurückgerudert und verkündete via Twitter, dass die Kritik angekommen sei und das “geleakte” Trikot nicht dem Original entspreche. Am Rheinlanddamm hat die Angelegenheit offenbar einigen Staub aufgewirbelt. Wie man hört, soll das BVB-Logo nun möglichst doch auf dem Trikot sein und statt „Dortmund“ soll „BVB 09“ die Brust zieren – die Zustimmung Pumas vorausgesetzt. Für dieses Design müsste der BVB laut Durchführungsbestimmungen des DFB eine individuelle Genehmigung beantragen, um das Trikot im DFB-Pokal nutzen zu dürfen.
Doch selbst wenn der BVB nachjustieren und das Vereinslogo noch den Weg auf das Trikot finden würde, zerstört das Vorgehen doch einiges Vertrauen. Alle Verantwortlichen wissen, welch hohen Stellenwert für Fans das eigene Wappen hat und dass eine Grenze überschritten wird, opferte man es zugunsten einer Puma-Marketingaktion. Wenn selbst das BVB-Emblem nicht unantastbar zu sein scheint, fragt man sich als Anhänger*in, ob es überhaupt noch Tabuthemen gibt. Schon die zaghafte öffentliche Ablehnung der Super League durch den BVB, die auf die Börsennotierung des Klubs zurückgeführt wird, haben einige Fans argwöhnisch betrachtet.
Nicht der erste Fehltritt des Vereins
Außerdem wiederholt sich derlei Vorgehen des Vereins immer wieder: Einem Tabubruch folgen Fanproteste, anschließend rudert der BVB zurück und versteht dies als Zeichen, dass man auf seine Anhänger*innen zugehe – obwohl man von Anfang an hätte wissen müssen, was man damit auslöst. Zuletzt übrigens exemplarisch zu beobachten am Fantoken, der erst nach deutlicher Fan-Kritik entschärft worden ist. Wie auch im Fall des Puma-Trikots erfuhren Fans die Details erst, als es eigentlich schon zu spät war. Wohlgemerkt: Der Deal wurde bereits 2019 eingefädelt. Warum haben die Verantwortlichen das Ganze nicht bereits damals thematisiert? Schließlich muss man kein*e Szenekenner*in sein, um zu wissen, dass ein solches Vorhaben auf Widerstand stoßen wird. Ein ähnlicher Fall ereignete sich, als Borussia während der Saison 2006/2007 in Gelb-Weiß auflief. Das liegt zwar schon 15 Jahre zurück, dennoch dürfte man sich zumindest erinnern, wie Fans auf Trikots reagieren, die wesentliche Vereinsmerkmale nicht enthalten.
Eine bessere, transparentere Kommunikation in solchen Fällen würde bereits im Vorfeld einige Probleme lösen. Wie das geht, zeigte der BVB bei der kooperativ gelösten Dauerkarten-Problematik zu Beginn von Corona, als Fans über den Fanrat frühzeitig involviert waren. Nutzt man diese Wege bei brisanteren Themen wie Fantoken, Super League oder dem neuen Trikot nur halbherzig und viel zu spät, werden in Zukunft Zweifel wachsen, ob die Kommunikation mit den eigenen Fans nur ein Feigenblatt ist, um Transparenz und Mitentscheidung zwar zu suggerieren, die Grenzen in Wirklichkeit aber jedes Mal mit gezielten Tabubrüchen zu verschieben.
Der BVB muss aufpassen, sich nicht von Puma vereinnahmen zu lassen
Überhaupt wirft das Trikot weitere Fragen zu den internen Vorgängen auf: Wie wenig kennt man in der Geschäftsführung die eigenen Fans beziehungsweise die eigenen Kund*innen, wenn man ein solches Design im Erstentwurf auf den Weg bringt? Wie geringschätzig denken entscheidungsbefugte Personen vom Verein, wenn Insignien zur Profilierung eines Ausrüsters geopfert werden? Und kann man von diesen Personen in Zukunft strategische Entscheidungen im Sinne der Basis, also der Mitglieder und Fans, erwarten?
Dass Trikots desselben Ausrüsters sich ähneln, ist in dieser Sache selbstverständlich nicht der entscheidende Faktor, es lässt sich wohl auch kaum verhindern. Vielmehr geht es darum, dass unser Verein sich nicht in dieser Weise durch ein Unternehmen wie Puma für dessen Zwecke vereinnahmen lassen sollte. Am Ende ist der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach auch nicht irgendwer: Mit fünf Prozent der Aktien an der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist er ein wichtiger strategischer Partner, dem es in Zukunft nicht nur darum gehen wird, möglichst viele Trikots zu verkaufen, sondern um Mitbestimmung.