Unsa Senf

Wie wechselt man eigentlich einen Trainer?

29.09.2016, 17:59 Uhr von:  Scherben
Wie wechselt man eigentlich einen Trainer?
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Ach, Werder Bremen. Oje, der HSV schon wieder. Haha, die Blauen! Viel los zu Beginn der Bundesliga, und gerade bei den "Traditionsvereinen" geben sich die Trainer die Klinke in die Hand. Woran liegt es? Und arbeiten die ungeliebten Projekte nicht vielleicht doch besser?

Quizfrage: Die Blauen haben ja bisher 0 von 15 Punkten geholt. Wenn man sich mal den 78-Punkte-BVB vom letzten Jahr anguckt und dieselben fünf Spiele betrachtet: Wie viele Punkte hat der BVB in diesen Partien geholt? (Die Antwort folgt.)

Es ist mal wieder nicht das Jahr der Traditionsvereine, von denen es sowieso nur noch wenige in der Liga gibt. Je nach Zählung irgendwas zwischen neun und zwölf, und bei dreien von ihnen scheint bereits jetzt festzustehen, dass die Saisonziele nur schwer erreichbar sind. Der HSV und Werder Bremen haben unlängst die Reißleine gezogen und ihre Trainer entlassen, in der Hoffnung, dass mit den neuen Verantwortlichen (sofern diese in Bremen dann auch mal feststehen) wenigstens der Klassenerhalt gelingt, und bei unseren Nachbarn steht das neue Traumduo Heidel/Weinzierl auch bereits nach wenigen Spieltagen mit dem Rücken zur Wand. Wer am Sonntag die Stammtischparolen von Christian Heidel gehört hat, darf jedenfalls die Hoffnung hegen, dass der Mann mental schon vollends in Gelsenkirchen angekommen ist und all das vergessen hat, was ihn in Mainz stark gemacht hat. So weitermachen bitte!

Ich will trotzdem im Folgenden den Versuch wagen, etwas nüchterner über die Situation bei den drei Vereinen zu sprechen und generell die Frage beleuchten, wie man als Verein eigentlich mit Misserfolg zu Beginn einer Saison umgehen kann und ob es strukturelle Gründe gibt, warum das Chaos in Hamburg oder Gelsenkirchen immer etwas größer ist als anderswo in der Liga. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass Konstrukte wie in Leipzig oder Hoffenheim in ihren sportlich guten Phasen gern als Beispiel dafür herangezogen werden, wie man mit einem guten Plan und viel Geld (das ja, wie es dann auch immer so schön heißt, auch anderswo in einer ähnlichen Größenordnung vorhanden sei) erfolgreich sein kann.

Eine vierklassige Bundesliga

Grob gesagt zerfällt die Liga momentan in vier verschiedene Klassen. Es gibt die unbestritten kleinen Vereine wie Mainz, Freiburg oder Darmstadt, die Jahr für Jahr mit wenigen wirtschaftlichen Mitteln auskommen müssen und daher einen guten Plan brauchen, wie sie sich über einen langen Zeitraum in der Bundesliga halten können und im schlimmsten Fall nach einem Abstieg möglichst schnell wieder in die erste Liga zurückkehren können. Mainz und Freiburg zumindest gelingt dies seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt, weil sie verstanden haben, worauf ihr Erfolg aufbaut: Eine hervorragende Nachwuchsarbeit und nicht minder hervorragende Trainer, und zwar auf allen Ebenen. Das reicht zwar vermutlich nie für den ganz großen Wurf, der aber grundsätzlich auch nicht angepeilt wird und nicht angepeilt werden muss.

Die zweite Klasse der Teilnehmer sind die wirtschaftlich gepimpten Clubs, also die Werksvereine und die oben genannten Projekte, mit Abstrichen aber auch Augsburg und Ingolstadt. Sie haben naturgemäß einen großen Vorteil gegenüber bereits in der Bundesliga etablierten Clubs, gerade in der Phase vor und während des Aufstiegs in die Bundesliga, nämlich viel Geld und einen sehr langen Atem. Nur von einer sicheren wirtschaftlichen Basis aus und mit auf lange Sicht garantierten Budgets lässt sich ein derartiges Fundament schaffen, das den Aufstieg und die Etablierung in der Bundesliga möglich macht, ohne dass man Jahr für Jahr Mindestziele erreichen muss, weil sonst kleinere Brötchen gebacken werden. Das Rehhagelsche Diktum "Geld schießt keine Tore" stimmt schon irgendwie, aber halt nur kurzfristig. Kein Geld der Welt garantiert einen Aufstieg oder eine Meisterschaft im nächsten Jahr, aber wenn man deutlich mehr Geld als die Konkurrenz hat und das Ganze über mehrere Jahre plant, dann muss man sich schon sehr blöd anstellen, wenn es nicht doch irgendwann klappt.

Warum tun sich Traditionsvereine schwer?

Dieser Punkt stellt den wesentlichen Unterschied zu den "Traditionsvereinen" dar, der dritten Klasse. Natürlich unterscheiden sich die Budgets von Köln und Hoffenheim, von Hamburg und Leipzig nicht sonderlich, und natürlich besteht die Möglichkeit, dass sich nicht nur Leverkusen, sondern auch Mönchengladbach langfristig als Teilnehmer an den europäischen Wettbewerben etabliert, aber bei diesen Vereinen wird von einer ganz anderen wirtschaftlichen Basis her operiert. Ein Abstieg etwa hat viel fatalere Folgen, wenn man Jahr für Jahr das Geld erst durch Fernsehgelder und Sponsoring verdienen muss, als wenn man einen Weltkonzern im Rücken hat oder ein Sugar Daddy den Geldhahn offen hält und man mit diesem Geld auch planen kann. (Das ist vermutlich der wesentliche Unterschied zwischen Gestalten wie Hopp und Mateschitz auf der einen und Leuten wie Kühne auf der anderen Seite, der sich ja auch als Mäzen geriert: Will man das machen, muss man langfristig Geld bereitstellen und sich danach aus dem Tagesgeschäft verabschieden.) Jedenfalls: Wenn es mal runter geht und dann nicht binnen 24 Monaten der Wiederaufstieg folgt, der dann die Zeit in der Zweitklassigkeit noch als Betriebsunfall darzustellen erlaubt, sind irgendwann erst der Glanz, dann die Spieler und zuletzt ein guter Teil der Fans weg. Man möge mal in Nürnberg oder Kaiserslautern nachfragen.


Als es dem BVB vor der Verpflichtung von Jürgen Klopp so richtig dreckig ging, wurde manchmal davon gesprochen, dass ein Jahr in der Zweiten Liga vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Man hätte die Chance auf einen Neustart und das Umfeld würde von übertriebenen Hoffnungen gereinigt. Die Wahrheit ist: Ab einer gewissen Größenordnung hält ein Verein das nur dann aus, wenn garantiert werden kann, dass man schnell wieder in die Bundesliga zurückkehrt und dort auch oben angreift. Diese Garantie gab und gibt es nicht, und gerade die "übertriebenen" Hoffnungen waren ein ganz wesentlicher Bestandteil, der den BVB wieder mit an die Spitze der Bundesliga geführt hat, zum wohl einzigen Verein, der sportlich und wirtschaftlich halbwegs mit den Bayern (der vierten Gruppe der Clubs, wo man sich aufgrund langfristig etablierter Strukturen fast automatisch als Spitzenclub reproduziert) mithalten kann. Freiburg und Mainz sind leuchtende Vorbild für Darmstadt 98, für uns durften sie es nicht sein. Und natürlich auch nicht für Hamburg und Bremen. Genau deshalb reagieren beide Vereine früh in der Saison, und auch wenn man in beiden Fällen das Gefühl hat, dass das alles schon in der Sommerpause hätte passieren müssen und in der sportlichen Leitung einiges im Argen liegt, ist es jetzt natürlich jeweils die richtige Entscheidung. Besser spät als nie.

Und die Blauen? Ich bin noch die Antwort auf die Frage von oben schuldig: Der BVB hat im letzten Jahr aus denselben Spielen vier Punkte geholt. Vier Punkte mehr als Gelsenkirchen, zugegeben, aber niemand möchte einen Saisonstart aus zwei unangenehmen Auswärtsspielen, die von einem Heimspiel gegen die Bayern flankiert werden. Und sonst so? Heidel und Weinzierl sind wohl unwidersprochen eine Verbesserung gegenüber Heldt und Breitenreiter, die Stabübergabe erfolgte bereits im Frühsommer, und wer weiß, wie der Saisonstart so verlaufen wäre, wenn man nicht noch im August Hals oder Kopf den halben Kader ausgetauscht hätte. (Was vermutlich der eigentliche Fehler war.) Trotz wurde vieles eigentlich ganz richtig gemacht, und umso schöner ist jetzt natürlich, dass vor dem nächsten Spiel gegen Mönchengladbach trotzdem der Baum bereits glimmt. Man erwartet voller Spannung, wie es dann wohl weitergeht, sollte am Sonntag wieder verloren werden. Seht dann zu, dass ihr genügend Popcorn im Haus habt. Die Länderspielpause wird lang.

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