Unsa Senf

Die Geschichte Dubais in der Neuzeit

07.01.2016, 08:02 Uhr von:  DerJungeMitDemBall
Die Geschichte Dubais in der Neuzeit

Am heutigen Tag fliegt Borussia Dortmund ins Wintertrainingslager nach Dubai. Doch wie sah das Emirat eigentlich vor dem Ölboom aus? Eine kleine historische Exkursion.

Dubai und seine gleichnamige Hauptstadt bilden gemeinsam mit sechs weiteren Emiraten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Nach Abu Dhabi (etwa 73000 km²) ist Dubai mit einer Fläche von ca. 3900 km² das zweitgrößte Emirat. Die Fläche der VAE, in denen laut offiziellen Angaben rund 8,5 Millionen Menschen leben, besteht zu mehr als vier Fünfteln aus Wüste, die direkt an die größte zusammenhängende Wüste der Welt („Rub al-Khali“) anschließen.

Bis in die 1960er Jahre gehörten die Emirate zu den ärmsten Regionen der Welt und hatten weder bedeutsamen politischen noch ökonomischen Einfluss. In den folgenden Jahrzehnten begann, bedingt durch die Entdeckung und den Export massiver Erdölvorkommen, ein Wirtschaftsboom, der das Leben aller Bevölkerungsschichten beeinflusste. In diesem Artikel soll diese spätere Wirtschaftsentwicklung jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen und stattdessen die Geschichte Dubais im 19. und 20. Jahrhundert näher betrachtet werden. Was war eigentlich vor dem Öl?

Dubai vor dem Ölboom

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte das britische Empire seine Position am Golf mit Hilfe von verschiedenen Handels- und Militärposten festigen können. Die Krone verfügte sowohl über Posten im Irak (Basrah), Persien (Bushire) und ab 1829 auch in Dubais benachbartem späteren Emirat Sharjah. England etablierte dort zügig einen sogenannten „Residency Agent“, der für die Wahrung und Durchsetzung britischer Interessen in der Region verantwortlich war. Gestört wurde die Machtausübung und der Seehandel der Briten zunächst durch Piraterie seitens der Stämme des Scheichs „Ras al-Khamahs“. Trotz einer gewaltsamen Niederschlagung des Scheichs 1809 sollte es dem Empire erst 1820 gelingen, einen Waffenstillstandsvertrag zwischen der East India Company und den Al Qasimi-Scheichs zu unterzeichnen.

Jener Vereinbarung stimmten 1835 auch die restlichen Machthaber der Emirate zu, aber es dauerte bis zum Jahr 1853, bis ein endgültiger Vertrag („Treaty of Peace“) zwischen der britischen Krone und den Scheichs abgeschlossen werden konnte. Dieser Friedensschluss sorgte dafür, dass der betriebene Seehandel und der regional bedeutende Perlenhandel ungestört vonstatten gehen konnten. Im 19. Jahrhundert erwirtschaftete die lokale Bevölkerung ihr tägliches Brot mit der Fischerei, dem Perlentauchen oder der Kamel- und Ziegenwirtschaft und sie bestand weitestgehend aus Selbstversorgern.

Die Bewohner der Stadt Dubai, deren Bevölkerungszahl sich damals auf ca. 10.000 belief, lebte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem vom Perlenhandel. Dieser Wirtschaftssektor erlebte um die Jahrhundertwende einen enormen Aufschwung, da mit Europa und den USA neue Absatzmärkte erschlossen werden konnten, die über ein enormes Potenzial verfügten. Zusätzlich profitierte das Emirat ab 1902 mit seiner günstigen Lage von einschneidenden politischen Änderungen im damaligen Persien. Aufgund von Zollerhöhungen in den persischen Hafenstädten, von denen bis dahin der Handel mit Indien abgewickelt worden war, verlagerte sich dieser Handelszweig zunehmend nach Dubai.

Der damalige Herrscher Maktoum bin Hashar erkannte das Potenzial und lockte mit zusätzlichen Handelsvergünstigungen weitere auswärtige Händler ins Wüstenemirat. Bis Mitte der 1920er Jahre sorgten erneute Steuer- und Zollerhöhungen in Persien dafür, dass immer mehr Menschen nach Dubai strömten. Bereits in der damaligen Zeit begann sich in Dubai durch die einreisenden Handwerker und Händler eine heterogene Bevölkerungsstruktur zu entwickeln, die bis in die Gegenwart Bestand hat. Die Perlenindustrie und der Indienhandel sorgten für ein stabiles Wirtschaftswachstum und ließen das durchschnittliche Jahreseinkommen der einheimischen Bevölkerung steigen. Die Einheimischen konnten sich nun vermehrt am Handel beteiligen, wovon wiederum die Nomaden und Beduinen des Hinterlandes profitierten, da ihr Vieh für den Karawanenhandel in Richtung der inländischen Märkte benötigt wurde.

Mit der Erfindung der Zuchtperle durch die Japaner, die für einen enormen Preisverfall sorgte, brach der Perlenhandel gegen Ende des Jahrzehnts ein. Zusätzlich belastete der Zusammenbruch der US-amerikanischen Börse 1929 und die folgende Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre die Wirtschaft des Emirats stark. Wie dramatisch der Einnahmenrückgang in der Perlenindustrie war, lässt sich an Zahlen festhalten. Waren um 1900 noch ca. 74.000 Männer in den Wirtschaftszweig eingebunden, so schätzt man die Zahl um 1935 auf nur noch 12.000 Erwerbstätige.

Auch der Markt mit traditioneller Handelsware wie Datteln, Fisch sowie der Import- von Umschlaggütern wie Gewürzen, Stoffen, Holz, Reis und Getreide, die speziell aus Iran und Indien herbeigeschafft und an benachbarte Emirate und Staaten weiterverkauft wurden, konnte den Einbruch nicht verhindern. Gebeutelt von diesen Krisen herrschte während des Zweiten Weltkriegs eine enorme wirtschaftliche und existentielle Not, der man selbst durch Nahrungsmittellieferungen Großbritanniens nicht gänzlich Herr werden konnte. Bereits kurz nach dem Krieg wanderten ca. 20.000 Männer ins nähere Ausland ab, um dort auf den jüngst erschlossenen Ölfeldern in Katar, Bahrain, Saudi-Arabien und Kuwait zu arbeiten.

Zwar war Großbritannien bereits 1912 im Irak und Iran auf kostbares Rohöl gestoßen und schloss schon 1922 Verträge mit den Golfstaaten über die Vergabe von Konzessionen zur Ölförderung ab, musste sein Interesse aber aufgrund des Zweiten Weltkriegs hinten anstellen. Schon kurz nach 1945 begannen die Briten ihre Bohrungen zu intensivieren, doch es verging noch ein weiteres Jahrzehnt, bis britische Firmen schließlich im Emirat Abu Dhabi auf wirtschaftlich interessante Mengen an Öl stießen. Im Emirat Dubai entdeckte man 1966 wirtschaftlich rentable Quellen und drei Jahre später begann der Export von Rohöl. Die Entwicklung zu einem modernen Staat, der sich administrativ und technisch an westlichen Strukturen orientiert und kaum noch auf seine Geschichte vor der Ölförderung verweist, wurde in beeindruckender Geschwindigkeit vollzogen und steht noch längst nicht vor dem Abschluss.

Auf lange Sicht stabilisierte und etablierte sich das Emirat Dubai nach dem Zweiten Weltkrieg erneut als wichtiger Handelshafen zwischen den USA, Europa, Japan und dem Nahen Osten. Erzielte der Importhandel 1958 noch drei Millionen Pfund, so stieg der Wert bis 1968 um das 27fache an.

Großbritannien konnte seinen Machteinfluss auf Dubai im 19. Jahrhundert nicht nur konservieren, sondern diesen im 20. Jahrhundert nochmals intensivieren. Bereits am 22. Mai 1939 schloss Scheich Saeed al Maktoum ein Abkommen mit der britischen Petroleum Development Company Ltd. Gegen eine beträchtliche Zahlung versicherte der Scheich die Briten, keiner anderen Nation Konzessionen für die Suche und Förderung nach Erdöl zu erteilen. Zusätzlich mussten sich die Briten aber dazu verpflichten, sich aus emiratsinternen Angelegenheiten herauszuhalten. Erst 1952 ließen die Briten von dieser Haltung ab, da sie wegen Gebietsstreitigkeiten verschiedener Stämme ihre eigenen Interessen in Gefahr sahen. Wie erwähnt übte die britische Krone erheblichen Einfluss auf die zukünftigen VAE aus, agierte jedoch nie als direkter Kolonialherr.

Dubai nach dem Ölboom – Ein kurzer Ausblick

Mit der Entdeckung von Erdölvorkommen auf dem Herrschaftsterritorium gingen weitreichende Veränderungen einher. Die gesamte Entwicklung des Emirats beschleunigte sich massiv und die Stadt Dubai transformierte sich innerhalb weniger Jahre zu einer modernen Metropole. Wurde das Leben vorher von Perlen, Datteln, Fischen, Nutztieren und Handel geprägt, so war nun das Öl die bestimmende gesellschaftliche Triebfeder. Lebte der Großteil der Bevölkerung bis in die 1960er Jahre in eher ärmlichen Verhältnissen, in denen fließendes Wasser und Elektrizität nicht für jeden frei zugänglich waren, so folgte ein jäher Wandel zu einem gehobeneren Lebensstandard.

Mit dem Abzug der britischen Truppen 1971 standen die Emirate vor einer vollkommen neuen Aufgabe. Die Administration, die vorher fest in britischer Hand war, musste nun von den einzelnen Staaten bewerkstelligt werden. Entwicklungsprojekte, Bildungswesen, Landesverteidigung, aber auch die Entwicklung einer modernen Administration waren von Bedeutung. Im Juli 1971 beschlossen die Emirate, sich zu einer Föderation, der bis heute existierenden VAE, zusammenzuschließen. Diese Förderation betreibt eine gemeinsame Außen-, Finanz- und Verteidigungspolitik. Gleichzeitig verfügt jedes Emirat über weitere interne Gesetze, die nicht von der Judikative der VAE berührt werden und sich von Emirat zu Emirat stark unterscheiden. Im Vergleich zu westlichen Staaten existieren tiefgreifende Unterschiede hinsichtlich der Staatsorganisation. Die VAE sind ein streng muslimisch geprägtes Land.

Die Einnahmen der Erdölexporte dienten in Dubai zum Ausbau der Infrastruktur, des Sozial- und Bildungssystems, aber auch dem Ausbau der Anbindung per Luft. Als abzusehen war, dass immer mehr Menschen die Stadt Dubai bevölkern würden, wurde ein Stadtentwicklungsplan entworfen. Weltweit ist Dubai eine von wenigen Städten, die tatsächlich vollständig nach ihrem ursprünglichen Stadtplan ausgebaut wurde.

Heute will man sich in Dubai vor allem von der Abhängigkeit ausländischer Märkte, die die Wirtschaft seit jeher bestimmt, schützen. Im Hinblick auf die Erschöpfbarkeit der Ölvorkommen unternimmt die Regierung Bemühungen, andere Wirtschaftsfelder, wie etwa den Tourismus, die Finanzbranche und den Handel, stärker zu fördern.

Literatur

http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000004121/02_GeschichteEntwicklungWirtschaft.pdf?hosts=


Haak-Sahem, Washika, Dubai als Staat und Organisation: Entwicklung und Aufstieg einer neuen Wirtschaftskultur?, Wiesbaden 2011.

Haberkorn, Tobias, Gewinner der Globalisierung? Die Bedeutung von Dubai im Weltwirtschaftssystem, Hamburg 2010.

Kahnt, Jennifer, Dubai - "Die Metropole am arabischen Golf", Jena 2006.

Müller, Bettina, Glitzermetropole Dubai: Diversifizierung und Imagegestaltung einer auf Erdöleinnahmen aufgebauten Wirtschaft, Marburg 2010.

Wohlleben, Nadja, Zwischen Tradition und Moderne - Frauen in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Mit Fokus auf das Emirat Dubai, Marburg 2010.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel