Es gibt einen Weg in die Freiheit...
...aber nur durch diesen Schornstein". Dieses Zitat einer KZ-Wache der SS gegenüber einem ehemaligen KZ-Insassen in Sachsenhausen wird lange in den Köpfen derer bleiben, die es lasen. Es verdeutlicht Psychoterror in gleichem Maße wie die unmenschliche Behandlung der KZ-Gefangenen und steht an den Wänden der Hauptausstellung in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhauen (nahe Berlin).
Aber was hat das mit Borussia Dortmund zu tun? Die Fanbetreuung sowie die Fanabteilung des BVB boten eine Fahrt zum Auswärtsspiel in Berlin inklusive Übernachtung und eines Besuches der erwähnten KZ-Gedenkstätte an. Es war die dritte Fahrt dieser Art. Dieses Angebot galt allen Fans von Borussia Dortmund zwischen 16 und 24 Jahren. Also trafen sich am frühen Samstag morgen etwa 50 junge Leute vor der Nordtribüne des Westfalenstadions, um in den Bus Richtung Hauptstadt zu steigen. Gegen 6:10 Uhr ging es dann los und nach einer Ansprache der Betreuer sowie des Busfahrers war es dann eher still im Bus und viele versuchten, den Schlaf nachzuholen, der ihnen wegen frühen Aufstehens verwehrt blieb. Nach Pausen in Porta Westfalica und Theeßen erreichte unser Bus um kurz vor eins den Busparkplatz am Olympiastadion, von welchem die meisten sich direkt zum Stadion begaben.
Zum Spiel gibt es nichts zu schreiben, was nicht schon im Spielbericht stünde. Die U24-Truppe traf sich somit wieder am Bus, von welchem aus es um 18:10 Uhr in Richtung der Jugendherberge "Am Wannsee" ging. Dort angekommen gingen erst einmal unsere Betreuer rein und belehrten uns kurz darauf in Sachen Herbergsregeln. Es wurde über 250€ für unerlaubtes Rauchen in der Herberge wie über verschwindende Schlüssel (Im Vorjahr verschwand Schlüssel Nummer 1312...) gewitzelt, und in der Folge wurden die Zimmer bezogen. Um Viertel vor acht traf sich die komplette Gruppe noch einmal, um den weiteren Abend zu planen. Kurz darauf machten sich die ersten auf, um den örtlichen Fast-Food-Anbieter aufzusuchen und dann in die Hauptstadt weiterzufahren, um dort das Nachtleben zu erkunden oder Bekannte zu besuchen. Andere blieben mit der Fanbetreuung in der "Herbergsdisco" und im Laufe des Abends kamen immer mehr "Rückkehrer" in den Kellerraum und so verlebte man dort bei Musik, Bier und Softdrinks einen größtenteils lockeren Abend mit Kennenlernspielchen und Ärgereien untereinander.
Der nächste Morgen kam durch die Zeitumstellung dann doch recht schnell, sodass um eigentlich 6:30 Uhr (7:30 Uhr nach Sommerzeit) das Frühstück begann. Um 10 Uhr verließen wir die Jugendherberge dann in ordentlichem Zustand und schossen flugs ein Gruppenfoto, bevor es im Bus nach Oranienburg ging, wo die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen zu finden ist. Dort teilten wir uns dann nach einer kurzen Einführung durch Stephan Horn (Geschichtsstudent in Berlin) in zwei Gruppen auf, wobei die zweite Gruppe von Tobias Weber betreut wurde, welcher eher kulturelle Schwerpunkte bediente. Als wir dann den Weg entlang liefen, welchen schon damals die Häftlinge des KZ gezwungenermaßen entlang schreiten mussten, wurde einem schon mulmig. Besonders die Begebenheit, dass die Häftlinge für den Bau von Gebäuden und die Herstellung von Produkten missbraucht wurden, welche dem Vergnügen der SS dienten, ist ein Zeichen für die Missverhältnisse, welche der menschenverachtenden Nazi-Ideologie entsprangen. Beim Gang über das Gelände, wo einst die SS-Kommandantur stand, liefen wir auf den Haupteingang unter Turm A zu, an welchem im Eisentor eben jeder Spruch zu lesen war, welcher zweifelhafte Berühmtheit durch das KZ Auschwitz erlangte: Arbeit macht frei. Drehte man sich direkt hinter dem Tor um, konnte man die "neutrale Zone" sehen, welche mit Stacheldraht und einem dahinterliegenden Wachgang direkt vor der Mauer ein klares Signal setzte: Wer hier einmal war, stirbt hier. Tobias Weber erzählte, dass viele Insassen den Freitod wählten, da sie die Qualen nicht aushielten. Weiterhin gingen wir in eine Originalbaracke, welche von den KZ-Insassen zusammengebaut wurde. Die Zustände darin, welche anschaulich dort auffindbar waren, riefen Erschrecken hervor: Es waren für 600 Insassen nur wenige Toiletten verfügbar, 3-Etagen-Betten standen dicht an dicht und in diesen wurde in Stroh geschlafen. Einst, so Tobias Weber, hätte es dort noch einen Aufenthaltsraum gegeben, welcher jedoch durch den immer größer werdenden Platzbedarf dann einem weiteren Schlafraum weichen musste.
In einem solchen Aufenthaltsraum nahm die Gruppe platz, um sich Berichte über systematische Unterernährung sowohl zu KZ-Zeiten als auch zu Zeiten der Weiternutzung durch die Sowjets als Speziallager anzuhören. Die Arbeitszeiten für die Häftlinge, die mangels Zeit auf Hygiene verzichten mussten, waren von morgens fünf bis abends um sechs. Vorher und nachher mussten diese auf dem Appellplatz stramm stehen und wurden durchgezählt - ganz gleich, wie lange es dauerte und wie kalt oder heiß es war, war Disziplin angesagt, da die SS nach Gründen suchte, die Insassen zu bestrafen. Außerdem erfuhren wir, dass Betriebe sich Zwangsarbeiter aus den KZs holten. Im Gegensatz dazu wurde zu Zeiten des Speziallagers den Insassen jegliche körperliche Betätigung sowie Kontaktaufnahme zu anderen verboten; man sprach hier auch von Schweigelagern. Als es dann weiterhin über das riesige, für zeitweise 60.000 Insassen aber viel zu kleine, dreieckige Gelände ging, fiel ein Obelisk auf, welcher von der DDR-Regierung als Mahnmal gebaut wurde. Jedoch wurde dieses Mahnmal eher zur politischen Beeinflussung missbraucht. In der ehemaligen Häftlingsküche, in der die Hauptausstellung zu finden war, konnte man die Häftlingskleidung zu KZ-Zeiten sehen und Tobias Weber erzählte seiner Gruppe über die verschiedenen Codierungen und die Tatsache, dass im KZ Sachsenhausen kaum Juden, sondern vielmehr politische Gegner und Asoziale (Trinker, Schwule u.ä.) gefangen gehalten wurden.
Nach kurzem Aufenthalt dort ging es weiter hinter die Mauern des Lagers auf SS-Gelände. Direkt hinter der Mauer war der ehemalige Erschießungsgraben sowie die Station Z zu finden. Der Name ist kein Zufall - von Turm A bis Station Z war das Leben der Insassen durchgeplant und so fanden hier Häftlinge entweder durch die sogenannte "automatische Genickschussanlage", welche mit Automatik nichts zu tun hatte, oder durch Gasexperimente den Tod. Dabei wurde den Häftlingen eine Untersuchung vorgelogen, damit sie keinen Widerstand leisteten. Nach dem entweder schnellen Tod durch Erschießung oder dem qualvollen Ende durch Gasexperimente, welche teilweise erst durch einen Tötungsschuss für einzelne endeten, wurden die Leichen in vier Öfen verbrannt. Diese Arbeit mussten andere Häftlinge verrichten, die in Station Z lebten, damit sie niemandem verrieten, was dort ablief. Der Geruch von verbrannten Menschen jedoch zog sowohl über das KZ selbst als auch über Oranienburg, doch in der Stadt dachte man, dass die Menschen im KZ Sachsenhausen dort zu Recht inhaftiert wären und den Tod wohl verdient hätten.
Nach einer letzten Schätzung bezüglich der Funde von Menschenasche im Verhältnis zu der bisher belegten Opferzahl von 35.000 Menschen gingen die beiden Gruppen wieder zum Ausgangspunkt zurück, um mit den Betreuern und Gruppenleitern über das vorher erlebte zu sprechen. Wir tauschten uns über unsere Eindrücke aus und einige aus der Gruppe zogen Vergleiche zu früheren Besuchen in KZ-Gedenkstätten, welche sie bei vergleichbaren Fahrten erlebt haben. Stephan Horn betonte noch einmal deutlich, dass wir die Demokratie, wie wir sie kennen, nicht als selbstverständlich hinnehmen dürfen. Sebastian Walleit, seines Zeichens Fanbetreuer, zog hier Parallelen zur Ultrá-Kultur, welche ja auch für gewisse Freiheiten eintritt. Nachdem Jens Volke noch einige Ankündigungen zu Folgeveranstaltungen machte, bestiegen wir wieder den Bus Richtung Ruhrpott-Hauptstadt, welche wir abends gegen Viertel nach neun und zwei weiteren Pausen erreichten.
Insgesamt kann man sagen, dass die Fahrt für alle ein Gewinn war, sofern man vom sportlichen Aspekt absieht. Der BVB bot hier wiederholt eine in Deutschland einmalige Fahrt an, welche den Mitfahrern mit Sicherheit lange im Gedächtnis bleiben wird.
Zar'roc, 02.04.2010