Jetzt oder nie - Ultramanie!
Ist es denn zu glauben? Da scheinen sich seit einiger Zeit auch in Dortmund die ersten "Ultras" - oder zumindest "Ultra-orientierten" Gruppierungen - herum zu treiben. Noch sind es eher wenige, von maximal 100 Personen ist da die Rede. Die gehören natürlich allesamt verboten und eingesperrt, sind sie doch bekanntermaßen alles potenzielle Verbrecher. Schließlich kennt jeder von uns die erschreckenden Meldungen aus Verona, wo rechtsradikale Ultras die Verpflichtung farbiger Spieler verhinderten. Dazu noch die Ultras von Lazio und AS Rom, die sich aufs heftigste bekriegen.
Von linken Ultra-Gruppierungen wie den Rangers in Bergamo und Empoli oder den größtenteils unpolitischen Ultras der anderen Profiklubs in Italien will die Öffentlichkeit nichts wissen, passen sie doch nicht ins Bild des schlagenden Ultra-Glatzkopfes. Unsere Medienwelt liebt nun einmal das einfach strukturierte Bild, daß so viele Leser scheinbar noch mehr lieben. So braucht man sich keine großen Gedanken machen, differenziert werden muß genauso wenig. Dicke Überschriften, kurze Texte, fertig ist der Einheitsbrei.
Beobachtet man die Ultra-Szene in Deutschland, fällt schnell auf, daß sie zu einem großen Teil von jüngeren Jahrgängen "beherrscht" wird. "Ultra sein" scheint in Mode zu kommen. Doch was genau bedeutet es eigentlich? "Ultras" gelten als fanatische Fans, die ihre Mannschaft, ihren Verein immer und überall unterstützen. War es lange Zeit so, daß die Verbundenheit der Fans aus der Verbundenheit zur Stadt oder Region erwuchs, ist dieses in den letzten 20 Jahren fast vollkommen verschwunden. Die Identifizierung mit dem Erfolg, mit den Topstars nahm zu und war für viele Fans immer weniger nachvollziehbar. Die Ultras sehen den Verein nun wieder als "ihren" Verein an, der aus ihrer Region/Stadt kommt. Für sie nehmen Traditionen,wie die alten Lieder, das Stadtwappen wichtige Stellungen ein. Die Vereinsführung wird jedoch in der Regel gemieden, wie der Teufel das Weihwasser. Hauptsächlich deswegen, da es viele Ultras scheuen, sich in Abhängigkeit zur Führung zu geben. Sie "kämpfen" gegen die totale Kommerzialisierung und feiern sich häufig selbst, wenn die eigene Mannschaft nichts anderes zuläßt. Wichtigstes Utensil der Ultras ist zweifellos ein Doppelhalter, der den eigenen Fanclub oder die jeweilige Sektion desselbigen ausweist.
Deutschlands zahlenmäßig größte und lautstärkstes Ultra-Gruppe sind die Ultras-Frankfurt (UF).
Sie sind in weiten Teilen seit 1997 aktiv. Große Gruppen sind auch in Köln (Wilde Horde), Stuttgart (Commando Cannstatt), Bochum (Supreme Corps, Commando Bochum), München (Club Nr.12) und Berlin (Harlekinz) zuhause. Durch Politik sind diese Gruppen bislang nie oder nur im einzelnen aufgefallen.
Anlaß zur Kritik ist häufig das scheinbar uniforme Auftreten (Balkenschal, Umbro-Pulli), ohne jedoch darüber nachzudenken, daß sich Fangrupierungen von jeher durch Äußerlichkeiten von den anderen absetzte. Diese Äußerlichkeiten werden dann auch gerne als Beweis der Rechtslastigkeit dieser Gruppen angeführt. Viele Ultras gefallen sich dann natürlich auch in dieser provokanten Rolle.
Ich behaupte mal, daß sie nicht mehr rechts- oder linksradikale Wirrköpfe in ihren Reihen haben, als die alte "Kutten-Fraktion".
Den Beweis dafür anzutreten, dürfte mir allerdings schwer fallen, da auch ich keine Statistik hierüber kenne. Zumindest werden sie gerne in die rechte Schublade gesteckt, da von den einigen Gruppen altdeutsche Schrift bevorzugt wird, Bomberjacken sieht man häufig und auch kurzgeschorene Köpfe stellen ja ein gern genommenes Klischee vom dumpfen Nazi dar. Das das eben genauso Vorurteile sind, wie sie gegen die andere Seite ins Feld geführt werden, will natürlich keiner wissen. In den vergangenen Monaten fiel es beispielsweise Carsten Jancker schwer, begreiflich zu machen, daß er kein Nazi sei, obwohl er eine Glatze trage. Doch laßt mich das Thema Politik bitte nur am Rande streifen, da es meiner Meinung nach eigentlich nicht in ein Fußballstadion gehört, ich möchte jedoch zumindest erklären, daß meiner Einschätzung nach, nicht alle Ultras Nazis sind, oder diese Szene in irgendeiner Weise besonders ausgeprägt von Politik und Gewalt beherrscht wird.
Diese Vorurteile gab es gegen uns Fußballfans schon lange genug und zur Zeit wird gern diese Gruppe herangezogen, wenn es gilt, negative Beispiele zu suchen und scheinbar zu finden. Und schon zu früheren Zeiten war diese Annahme falsch, die Ultras stellen genauso wenig eine absolut geschlossene Gemeinschaft dar, wie viele andere Fangruppierungen vor ihr.
Kreative Ultras!?
Oft wird dann vergessen, daß es gerade sie sind, die ihr Team noch regelmäßig zu Auswärtsspielen begleiten und unterstützen. Viele andere Fußballfans unternehmen regelrechte Städtetouren und picken sich nur noch die scheinbaren Highlights heraus, um nach Freiburg, Berlin und zu den Bayern zu fahren. Die Ultras fahren jedoch auch nach Ismaning, Rostock, Wehen (Mainz), Cottbus oder zu den 60ern am Freitag abend. Dazu sorgen sie für Atmosphäre und singen mehr als nur das standardisierte "Shalalalalala". Viele alte Lieder (so wird beispielsweise seit längerem wieder das alte Vereinslied "Wir halten fest und treu zusammen...." gesungen) lebten durch sie im Stadion wieder auf, dazu kommen viele neue Gesänge und Aktionen, die in deutschen Stadien bisher undenkbar waren. Dazu noch das Bemühen um optische Bereicherung der Stadionatmosphäre durch zum Teil kostenintensive Choreographien.
Ohne Rauch gehts auch!
Negativ ist bei einigen Ultras der Hang zum "zündeln", so wird bei inzwischen fast jedem Spiel Rauchpulver und/oder ein Bengalo gezündet.
Optisch sicherlich ansprechend, gesundheitlich dagegen mehr als nur
fragwürdig. Gerade das Rauchpulver, häufig Selbstlaborate, wird nach
Auskunft der Polizei immer wieder mit Sprengstoffen hergestellt.
Stichflammen von bis zum 1-2 m Höhe sind bei schwarzem Rauchpulver keine
Seltenheit. Durch den enthaltenen Sprengstoff ist eine Selbstexplosion
durchaus möglich. So testete die Polizei mehrfach mit dem sogenannten
Hammertest. D.h. sie ließen einen Hammer auf die sichergestellt Menge
fallen und beobachteten die Wirkung. Hierbei stellte es sich heraus, daß
eine große Menge dadurch explodierte. Fällt also der
Träger dieses Stoffes unglücklich, könnte er einfach in Flammen
aufgehen. Die toxische Wirkung der Rauchpulver sollte auch nicht
verheimlicht werden, es gilt als höchstgefährlich für die Atemwege und
krebserregend. Von Panikwirkungen auf umstehende unbeteiligte Zuschauer,
die wie blind durcheinandern laufen könnten, ganz zu schweigen. Ein
Wunder, daß bislang noch niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.
Abgesehen davon ist es meiner Meinung nach vollkommen unkreativ, ein
paar Gramm Rauch anzünden kann jeder.
Ähnliches gilt für die zweifellos schön anzusehenden Bengalischen Fackeln, die eine Temperatur von ca. 1.800oC entwickeln und dabei durch das menschliche Fleisch gehen können, wie ein warmes Messer durch die Butter. Bedenkt man, daß viele dieser Fackeln einfach mitten in der Menge gezündet und weggeworfen werden, grenzt es auch hier an ein Wunder, daß scheinbar noch nichts ernsthaftes passiert ist.
Ultragruppen in Frankfurt und Köln haben sich nun von dieser Zündelei losgesagt und dürfen seitdem wieder ungehindert Doppelhalter im Stadion mitführen, Choreographien veranstalten und ähnliches. Sicherlich ein guter Weg, zumal Stadien wie das unsrige nicht gerade für Rauchbomben geeignet sind.
Michael Meier und die Spielabbrüche
Auf diesen Punkt bezog sich dann auch unser aller Manager Michael Meier, als er via Dortmunder Lokalpresse verlauten ließ, daß er dahinter eine - ich zitiere - "organisierte Entwicklung innerhalb einer ganz bestimmten Fan-Szene mit dem Ziel, Spielabbrüche zu provozieren und so auf die Kommerzialisierung des Fußballs hinzuweisen." Wen er damit gemeint haben will, dürfte ohne Zweifel sein. Welcher Teufel ihn bei dieser Aussage geritten hat, jedoch viel mehr. Welche Fan-Szene zündelt denn? Sind es wirklich immer die "Ultras" oder nicht doch auch immer wieder der "Otto-Normal-Fan", der es einfach geil findet, wenn er einen Bengalo oder gar Rauch zündet? Auch am Samstag wurde wieder einmal Rauch auf der Südtribüne gezündet und der kam garantiert nicht aus dem Block der "Ultra-orientierten" Anhänger oben in Block 82. Das schlimmste aber an dieser Aussage dürfte sein, daß er den Fans tatsächlich unterstellt, Spielabbrüche provozieren zu wollen. Doch das will - so behaupte ich - sicherlich keiner derjenigen, der zündelt. Und durch die Bemerkung, daß man auf die Kommerzialisierung des Fußballs hinweisen wolle, fühlen sich sicherlich viele Pro15:30-Aktivisten diskreditiert. Was haben Gegner der Kommerzialisierung mit Rauch zu tun? Das hat wohl kaum zwingend miteinander zu schaffen, oder? Im übrigen noch ein paar Beispiele Herr Meier: wollten die BVB-Fans in den 90er Jahren ständig Spielabbrüche provozieren, als wir Woche für Woche dutzende Bengalos auf der kleinen Südtribüne zündeten?
Oder der DFB, als er dem VfL Bochum den Versuch des legalen Abbrennens vor der Tribüne gestattete? Oder die italienischen Vereine, bei denen zu einem großen Teil das Abbrennen kontrolliert und damit legal erfolgt? Sind diese Vereine gar Feinde des Kommerzes? Wohl kaum, oder? Warum wird es nicht mal probiert, ein paar Bengalos vor der Tribüne abzubrennen?
Das Rauch verboten bleibt, ist völlig klar und sollte auch meiner Meinung nach nicht zur Diskussion stehen, aber Fackeln und kleine Feuerwerke verhelfen zu einer einzigartigen Atmosphäre. Gerade wenn man an Abendspiele denkt. Dazu kommt noch, daß uns die Bilder aus Italien, Spanien und Frankreich immer wieder als südländische Begeisterung verkauft werden. Wird jedoch in Deutschland ein Bengalo gezündet, spricht alles von Chaoten und "Feinden des Fussballs". Wo ist da noch die Verhältnismäßigkeit?