Massenpanik - Sind 2 Kilo Rauch mehr wert als 100 Menschenleben?
Wer kann sich noch an diese Bilder erinnern? Mir sind diese Bilder nie aus dem Gedächtnis verschwunden. Sie sind nun bald 16 Jahre alt. Ich war damals 9 Jahre jung und wollte mir mit großer Vorfreude die Live-Übertragung des Endspiels im Europapokal der Landesmeister zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool ansehen. Doch leider sah ich keine Bilder, die irgendetwas mit Fußball zu tun hatten. Alles was man sah, waren unglaublich grausame Bilder, die niemand jemals selbst im Stadion erleben möchte.
Einige Leser werden sich jetzt fragen, was damals denn passiert sei!?
Am 29. Mai 1985 standen sich im Brüsseler Heysel-Stadion Juventus Turin und der FC Liverpool gegenüber. Es sollte ein Fußball-Fest werden. Beide Mannschaften waren mit Superstars bestückt. Platini, Boniek, Rossi bei Juventus, Grobbelaar, Rush, Dalglish beispielsweise auf Seiten der Reds. Doch spielten diese Herren an dem Abend nicht die Hauptrollen. Die wenigsten werden sich vermutlich an das Spiel-Ergebnis erinnern, wohl aber an die katastrophalen Ereignisse vor dem Spiel. 39 Menschen starben und mehr als 400 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Eine Stunde vor dem Anpfiff war das Chaos ausgebrochen. Englische Hooligans stürmen mit Eisenstangen, Knüppeln und Steinen auf die italienischen Besucher los. Die Juventus - Fans geraten in Panik, versuchen davonzulaufen. Jedoch werden sie von Mauern und Gittern gestoppt. Eine Mauer hält schließlich dem enormen Druck nicht mehr stand und begräbt viele Menschen unter sich. Sie werden zerdrückt, zerquetscht und totgetrampelt. 500 Millionen Menschen auf der ganzen Welt werden zuhause an ihrem Bildschirm Zeuge dieser Katastrophe. So auch ich und wahrscheinlich viele Leser.
Wie konnte dies geschehen, fragten sich damals viele Politiker. Was war wirklich passiert?
Die Juve Fans gingen in den rechten Sektors, und die Reds in ihren linken. Alle waren glücklich und sangen ihre Lieder. Doch da gab es einen Block, den "Z-Block", welcher direkt an den Liverpool-Block anschloss. Dieser Block war für die neutralen belgischen Zuschauer gedacht. So war es gedacht. In diesem Block befanden sich jedoch sehr viele Italiener, die die Karten auf dem Schwarzmarkt gekauft hatten. Durch diesen Anblick fühlten sich einige englischen Hooligans provoziert und rissen die ersten Absperrgitter ein. Sie stürmten auf den Block zu. Daraufhin versuchten die Besucher in Panik zu flüchten, doch wohin? Hinten die Hooligans und unten der Zaun. Was weiter passierte, ist bereits oben beschrieben.
Hillsborough - Englands Tragödie
Eine weitere Tragödie spielte sich 5 Jahre später beim Cup-Halbfinale im Hillsborough-Stadion ab. In Sheffield ging es für die Teams aus Liverpool und Nottingham um den Einzug ins traditionsreiche FA-Cup-Finale im Londoner Wembley-Stadion. Dementsprechend wollten auch viele Zuschauer dieses Spiel live verfolgen. Als das Spiel begann, schien das Stadion bereits voll zu sein, doch Hunderte von Liverpooler Fans waren noch draußen vor dem Stadion, die ein Billett für die Leppings-Lane-Tribüne hatten und hinein wollten. Die Polizei war überfordert, sie wusste nicht, was zu tun ist. Die Tribüne war bereits voll. Chief Superintendent David Duckenfield, verantwortlich für die Sicherheit im Stadion, entschied irgendwann, dem Druck der Fans nachzugeben und sie hineinzulassen. Dem Tod wurde die Tür geöffnet.
Lord Peter Taylor verfasste 1990 den berühmten Taylor-Bericht. Der Richter machte darin klar, daß die Polizei bei ihrem Handeln versagt und bei ihren Erklärungen des Unglücks gelogen hatte, er nutzte das Papier aber auch, die sozialen Probleme rund um den Fußball darzulegen. Er wusste, der Weg aus der Krise war nur durch die Verbesserung der Stadionbauten und der menschlichen Beziehungen zu gehen. Die Politiker, Funktionäre und Stadionbesitzer mahnte er: "Schaut besser zu den Fans." Dieses Ereignis konnte nur entstehen, durch das rücksichtslos Handeln der Polizei. Sie öffnete Tore und ließ alle Leute ins Stadion, ohne an die Folgen zu denken.
Doch wo sind die Verbindungen zur Pyromanie?
Besonders die Pyromanen auf der Südtribüne sind sich den Folgen ihres Tuns nicht bewusst. Durch Atemnot und Orientierungslosigkeit durch das Aufhalten im Rauch, reagieren viele Leute panisch. Sie wissen nicht, wo sie sind und auch nicht, wo sie hin sollen, um dem Rauch zu entfliehen. Da dies aber nicht nur Einzelne betrifft, sondern unzählige Besucher, sind die Folgen einer Massenpanik nicht berechenbar.
Welch böse Folgen eine Massenpanik nach sich zieht, wurde bereits oben beschrieben.
Man kann also nur an die Leute appellieren, sich über die Folgen mal Gedanken zu machen und nicht nur an sich zu denken, sondern auch an das ganze Publikum. Mittlerweile ist es in Deutschland soweit gekommen, daß ein wahrer Wettbewerb unter den Pyromanen entstanden ist. Wer kriegt mehr ins Stadion geschmuggelt? Wer zündet mehr? Doch ist dies der Support, den wir uns wünschen? Natürlich gibt es einige Pyro-Aktionen, die eher einer Pyro-Show gleichen. Pyro-Shows, die in den Vereinsfarben gehalten sind, dazu noch ein paar Bengalische Feuer. Aber nur weißer Rauch? Nein, das kann es nicht sein.
Dieses unkontrollierte Zünden hat bereits dazugeführt, daß Doppelhaltern, Schwenkfahnen, Zaun- und Blockfahnen verboten sind, da dort hinter/drunter gezündelt wird.
Immer wieder werden Diskussionen entfacht, endlich mal wieder eine Choreographie durchzuführen. Choreographie hin und her. Doch was bringt eine Choreographie, wenn sie wie jetzt in München, durch die Rauchsäulen kaum sichtbar wird?
Also noch einmal der Appell an alle Pyromanen:
Wir wollen alle zusammen eine Meisterschaft feiern, also laßt uns wieder zu alten Tugenden der Südtribüne kommen. Support bis zum Umfallen. Support hat mit dem Abbrennen von 1 Kilo Rauch nichts zu tun.
Bitte lasst es nicht wieder erst zu einer Tragödie kommen, bevor diejenigen kapieren, welchen "Scheiß" sie veranstalten!
Bitte nicht auf einer 25.000 Mann Tribüne !!! Nicht auf unserer Südtribüne!!! Erst wenn das unkontrollierte Abbrennen von der Südtribüne verschwindet, können wir dem Verein Forderungen in Richtung Choreografie stellen. Vorher nicht.
Geschrieben von Daniel - Fanclub Kamener Jungs,
Lest dazu auch unseren Artikel von Jens
ACHTUNG: Beiträge von Gastautoren müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln, wir sind jedoch der Auffassung, dass auch solche Stimmen hier ein Forum finden sollten.
In der Rubrik „Eua Senf“ veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Texte, die uns von unseren Lesern zugesandt wurden.
Dir brennt auch ein Thema unter den Nägeln und Du möchtest einen Text auf schwatzgelb.de veröffentlichen? Dann schick ihn an gastautor@schwatzgelb.de.