
Die Frage, ob man die diesjährige Hauptversammlung des BVB für eine hybride Teilnahme öffnen möchte, ist Teil von zum Teil sehr lebhaften Diskussionen gewesen.
Ich sage gleich, es wird gleich ein wenig juristisch-fachlich, falls es jemand nicht lesen möchte, jetzt ist der Zeitpunkt der Umkehr da. Ich weiß, dass nicht jeder Zugang zu den genannten Quellen haben wird. Gleichwohl sei versichert, dass die Zitate korrekt sind. Über was streiten wir eigentlich? Doch eigentlich nur darum, wie der Zugang zur Jahreshauptversammlung gestaltet werden kann. Bisher fand diese lediglich offline statt. Der Gesetzgeber hat - unter dem Eindruck der Corona-Pandemie - nunmehr die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen, auch hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen (BGBl 2023, I Nr. 72). Und diskutiert wird offenbar lediglich das hybride Modell. Nur auf dieses möchte ich daher eingehen. Und ich sage es vorab: Ich sehe das tatsächlich etwas anders als z.B. Giog. Das ist aber etwas völlig normales, weil es selbstverständlich verschiedene Meinungen gibt und geben soll.
Die Intention des Gesetzgebers war es ausdrücklich, dem Vorstand oder dem einberufungsberechtigten Organ des Vereines zu gestatten, eine hybride Versammlung auch ohne Satzungsänderung einzuberufen (BT-Drs. 22/5585, S.1; BeckOK/Schöpflin, § 32 BGB, Rn. 46 m.w.N.). Leuschner (Münchener Kommentar, § 32 BGB, Rn 71) sieht den neu eingeführten Absatz 2 als “legislative Konkretisierung des Begriffs “Versammlung der Mitglieder””. Die neu eingeführte Regelung sei “uneingeschränkt zu begrüßen”.
Und weder der Begriff “anwesende Mitglieder” noch der Begriff “Handzeichen” sind meines Erachtens ausreichend, eine solche hybride Veranstaltung zu verhindern. Eine solche Auslegung ist deutlich zu eng, zumal sie der gesetzgeberischen Intention ausdrücklich widerspricht. Richtig ist, dass diese Regelung disponibel ist, also die Satzung solche Versammlungen ausdrücklich ausschließen kann (Nessler, ZStV 2023, S. 176 (178)). Einen ausdrücklichen Ausschluss vermag ich der Satzung nicht zu entnehmen, da sind Giog und ich uns in der Sache einig.
Die Rechtslage ist daher m.E. auch nicht “uneindeutig”, sondern relativ eindeutig. Der Gesetzgeber sagt “Wenn die Satzung es nicht verbietet, dann darf der Vorstand (oder halt das entsprechende Organ) auch ohne explizite Genehmigung in der Satzung eine hybride Veranstaltung planen. Das ergibt sich unmittelbar aus der Gesetzesbegründung. Die hat ausdrücklich das Ziel, demokratische Mitbestimmung in Vereinen zu stärken. Deswegen sehe ich auch kein Problem darin, wenn der Vorstand das jetzt macht. Dafür ist der im Zweifel nämlich auch gewählt.
Im Übrigen wäre es doch auch kein Problem, die entsprechende Satzungsänderung, mit der man halt weniger inklusiv wäre und auswärtigen Mitgliedern die Teilnahme verweigern möchte, auf das Tableau zu setzen. Dann sind halt Mitglieder, die nicht aus dem unmittelbaren Umfeld kommen oder aus anderen Gründen nicht in Präsenz teilnehmen können, ausgeschlossen. Ob ein solches Vorgehen dann zu den im Grundwertekodex postulierten Werten passt, mag jeder für sich selbst entscheiden. Ich halte die Möglichkeit der hybriden Teilnahme gerade auch vor dem Hintergrund des Grundwertekodex für zwingend.
Aber gerade vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung ist m.E. nicht die Gewährung einer Hybridveranstaltung abstimmungsbedürftig durch die Mitglieder, sondern eher die Verweigerung einer solchen.
“Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen”
Diesen Ausspruch sollten wir ernst nehmen. Das Mitglied in Bayern, New York, Las Vegas, am Titikakasee oder am Strand von Bora-Bora hat den gleichen Wert wie das Mitglied aus Dortmund. Seine Stimme muss auch den gleichen Einfluss haben. Mit einer hybriden Veranstaltung wird niemandem etwas genommen. Wer vor Ort teilnehmen möchte, der kann das weiterhin tun. Auch die weiteren aufgeworfenen Fragen sind einfach zu beantworten. Die Mitglieder, die online teilnehmen, haben die gleichen Rechte wie physisch anwesende Mitglieder. Das entspricht auch dem Meinungsstand hierzu (statt vieler: Leuschner, Münchener Kommentar BGB, § 32, Rn. 73, m.w.N). Ihr Rederecht könnte man ebenfalls per virtuellem Handzeichen regeln, gleiches gilt für die Ad-hoc-Anträge. Die Zugangskontrolle kann der BVB gut steuern, weil der Zugang zum Online-Angebot schon bisher die Option “Mitglied” erkennt, z.B. beim Rabatt im Onlineshop. Die doppelte Stimmabgabe lässt sich m.E. auch einfach ausschließen, indem man auch vor Ort die Stimmabgabe “online” durchführt, also mit dem entsprechenden Login. Damit ist ausgeschlossen, dass sich jemand in der Halle online einloggt und doppelt abstimmt.
Das Einloggen mit weiteren Daten sehe ich nicht als Problem an. Die Satzung schließt die Stellvertretung nicht aus. Ich dürfte also auch mit entsprechender Vollmacht physisch anwesend, für Herrn X, Frau Y und Z abstimmen. Technische Probleme einzelner Mitglieder haben - so die ganz herrschende Meinung - nicht die Nichtigkeit der JHV zur Folge (Nessler, aaO; BeckOK/Schöpflin, § 32 BGB, Rn. 53 mwN).
Deinen Hinweis auf die anstehenden Wahlen teile ich - aber sehe das nicht als Argument gegen eine hybride Versammlung. Im Gegenteil. Wenn von mehr als 200.000 Mitgliedern eine deutlich höhere Anzahl teilnimmt (und selbst 3.000 oder 4.000 wären deutlich mehr), dann ist das für den Verein gut. Und wenn wir uns einfach mal ehrlich machen, dann gibt es 2025 null Argumente gegen eine hybride Versammlung. Siemens hat das sogar für die Aktionärsversammlung 2023 hinbekommen. Total unproblematisch.
Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder sind ein derart hohes Gut, dass sich die Instrumentalisierung für oder gegen einen Kandidaten verbietet.
On a side note:
Ich möchte Herrn Watzke derzeit nicht als Präsidenten. Weil das wie der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat wäre. Und das halte ich grundsätzlich für falsch. Unabhängig von Personen. Aber hier geht's nicht um Dr. Lunow gegen Aki Watzke. Es geht um Borussia. Den Verein und seine Mitglieder. Und damit um uns alle. Und um mehr Möglichkeiten der Partizipation. Und nicht um weniger. Ein hybrides Format nimmt dir nicht deine Gespräche und deine Erbsensuppe. Aber es ermöglicht jedem Mitglied, egal wo es zu diesem Zeitpunkt ist, die Teilnahme. Es ermöglicht auch Menschen mit Behinderungen die Teilnahme. Das ist so viel wichtiger als die Frage “Wen wählen wir zum Präsidenten”. Für mich ist die Frage der möglichen Partizipation von allen Mitgliedern wichtiger als mögliche taktische Erwägungen. Das sehe ich sehr grundsätzlich. Die Frage sollte sein “Finde ich die hybride Versammlung gut” und nicht “Könnte da ein Ergebnis herauskommen, was mir nicht gefällt?”.
Es mag durchaus sein, dass eine hybride Abstimmung den einen oder anderen Kandidaten bevorzugt. Sie ermöglicht aber vor allem einen höheren Grad der Partizipation. Und Mitgliederpartizipation ist doch das, was wir alle wollen.
Denn eines ist klar:
Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen!
Und deswegen ist eine hybride Abstimmung wichtig und richtig. Unabhängig von den diesjährigen Wahlen.
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