Ticketverkauf beim BVB Kein Anschluss unter dieser Nummer
Das Ticketing des Ballspielvereins wird seit Langem heiß diskutiert. Lange Jahre bestimmte der morgendliche Anruf bei der weiblichen Computer-Stimme den Alltag vieler Boruss*innen. Nachdem sich der Online-Ticket-Shop (OTS) in Zeiten von Corona zum primären Vertriebsweg entwickelte, startete man mit einer Verlosung in die aktuelle Saison. Nach vielen Klageliedern der Fans wurde aber schnell zurückgerudert, sodass es seit Jahresbeginn Tickets nur noch exklusiv über den OTS gibt.
Was waren das für schöne Zeiten, als man morgens um 8:30 Uhr bei der Dame seines Herzens um Tickets für den Ballspielverein buhlen durfte. Die Dame an der Hotline, ihre liebliche Stimme klingt mir noch heute im Ohr, wusste wie man sich beliebt macht. Bloß nicht zu nahbar sein, auch mal auf dauerbesetzt stellen. Dann aber auch gerne mal Karten für das Spiel der Wahl vermitteln. So ziemlich jede*r dürfte ganz viele Erinnerungen an die Hotline haben, bei vielen aber eben nicht nur gute. Bei mir blieben vor allem die positiven Erinnerungen hängen. Aber auf dem Weg zum CL-Spiel gegen Benfica in Lissabon, im Auto auf der Fahrt zum Flughafen in Frankfurt Hahn, konnte ich die gerade in den Warenkorb gelegten Gästestehplätze für das Gastspiel im Olympiastadion leider nicht mehr vor dem Funkloch retten. Die Freude über die eine Liverpool Karte, die ein Bekannter mit ISDN-Anschluss für mich ergattern konnte, wird mir wahrscheinlich noch ewig im Gedächtnis bleiben und zaubert noch heute ein Lächeln ins Gesicht.
Apropos ISDN-Anschluss. Nach all den Jahren hatten wohl alle ihre persönliche Strategie oder zumindest eine gewisse (Verschwörungs-)Theorie die Hotline betreffend. Für mich gab es keinen Anruf ohne die glückbringende Atomuhr, damit man wenige Sekunden vor 8:30 Uhr anrief um pünktlich die Leitung zu treffen. Per Telekom-Festnetz oder aus dem Ausland (abgesehen von Sri Lanka) war es quasi ein Selbstläufer an Karten zu kommen, aus dem Mobilnetz in belebten BVB-Regionen dann doch eher auszuschließen.
In jedem Fall sorgte die Hotline aber für Gespräche. Keine Fan-Delegiertentagung ohne Geraune und Gezeter über die liebe nette Dame. Carsten Cramer musste nicht nur einmal erklären, dass man eine andere Lösung anstrebt. Und – aus meiner Erinnerung heraus – befeuerte dann vor allem die Corona-Pandemie das Ende der Telefon-Hotline und den Beginn des primären Vertriebsweges OTS. In Zeiten von Corona und beschränkten Kapazitäten war der OTS weitgehend akzeptabel um sich mit Eintrittskarten zu versorgen. Damals gab es wohl die besten Chancen der letzten Dekade auf das rare Gut, da die Nachfrage nach BVB-Tickets doch erheblich nach unten ging.
Das Los mit der Ticket-Verlosung
Auf Initiative des Fanrats wurde zur neuen Saison dann eine Ticket-Verlosung ins Leben gerufen. Ziel war es das knappe Gut der BVB Tickets auf die fairste Art und Weise unter die BVB Fans und Mitglieder zu bekommen. Während die anderen Verfahren auch von den technischen Voraussetzungen abhängen, ist eine Verlosung in jedem Fall von Glück abhängig. Auch wenn die gefühlte Wahrheit eine andere sein könnte, ist die Verlosung das einzige Verfahren ohne externe Faktoren. Kein ISDN-Anschluss der einem quasi automatisch Tickets verschafft, kein geschriebenes Skript was die heiß begehrten Süd-Karten oder Gäste-Stehplatzkarten binnen Millisekunden in den Warenkorb schiebt, sondern einfach nur Glück.
So kam es, dass man sich vor Beginn der Hinrunde um Tickets für die einzelnen Spiele bewerben durfte. Direkt nach der Einführung und dem ersten Durchlauf (Heimspiel gegen Leverkusen) gab es massive Klagen. Viele Enttäuschte, die nun in diesem Verfahren keinen Vorteil mehr hatten und leer ausgingen oder welche über die vorhandenen Kinderkrankheiten der Verlosung meckerten. Auf Twitter ging es hoch her, auch wenn sich dort auch mal Fans über zugeteilte Tickets beschwerten die sie auch genau so bestellt hatten (nicht zusammenhängende Karten in der höchsten Preiskategorie). Der Großteil der Kritik bezog sich auf die fehlende Möglichkeit der Tribünenauswahl, was, zumindest meines Erachtens, auch sehr berechtigt war.
Für das Ticketing des BVB war die Verlosung sehr aufwendig; ein erheblicher Mehraufwand für das Personal des BVB. Abfragen auswerten, auslosen, erfolgreiche Losinhaber*innen anschreiben, auf Zahlungseingang warten, Karten verteilen, Rückläufer wieder in den Verkauf bringen, etc. In Verbindung mit der nicht enden wollenden Kritik unternahm das Ticketing einen Versuch der Kommunikation mit den Fans. Neben dem Austausch mit dem Fanrat gab es einen offenen Austausch mit den Fanclubs. Borussia stellte vor, dass man sich kurzerhand wieder von der Verlosung trennen wollen würde, die Rückkehr zum OTS wurde verkündet und vom Großteil der Fanclubs sehr freudig aufgenommen.
Der Online-Ticket-Shop
Seither gibt es aber natürlich wieder viele Klagen, schließlich gibt es sowohl bei Heim- als auch Auswärtsspielen nur wenige Tickets im Vorverkauf. Mal ist bereits um 11:30 Uhr die Warteschlange lange, mal fliegt man Sekunden vor dem Start des VVK aus dem Konto, für das gewählte Ticket ist keine Versandart hinterlegt oder man kann die Bestellung nicht abschließen, weil man aus dem Warenkorb mit zwei Gästestehplatzkarten zurück in die einstündige Wartschlange geschickt wurde und somit die Tickets wieder futsch waren.
Jeder der nicht immer die erwünschte Zahl der gewünschten Tickets erhält, wird immer über die Art des Vorverkaufs meckern. Dennoch gäbe es ja in vielerlei Hinsicht deutliche Steigerungspotentiale. Wenn man beim OTS bleiben möchte, wäre es aber wohl am wichtigsten stabile Verkaufsprozesse zu etablieren, in denen nach dem Zufallsprinzip die zum Zeitpunkt des VVK eingeloggten Fans Zugriff auf die begehrten Tickets erhalten. Nach Abschluss der jeweiligen Bestellung rutschen die nächsten Fans nach; ähnlich zu den freien Leitungen bei der Hotline.
Zudem ist auch die Art der Ticketauswahl nicht unbedingt für Alle gemacht. Da es beim VVK auf wenige Sekunden ankommt die „richtigen“ Karten in den Warenkorb zu legen, sollte es möglich sein nur Kategorien und Tribünen auszuwählen, als einzelne Plätze auswählen zu müssen. Insbesondere bei der Auswahl von zwei Plätzen macht es aus meiner Erfahrung wenig Sinn zumindest im Stehplatzsegment einzelne Punkte anklicken zu müssen. Eventim dürfte es möglich machen, dass man immer nur die entsprechende Kategorie auswählen muss; bei Heimspielen idealerweise auch unter Einbeziehung der gewünschten Tribüne.
Wichtig wäre zudem der Ausschluss von Bots, welche über Skripte binnen Millisekunden Karten kaufen und somit denen einen Vorteil gewähren, die technische Vorteile zu Ihren Gunsten ausnutzen. Hier wird nun über Captchas bereits versucht zu intervenieren. Mir fehlt hierzu das technische Verständnis, inwieweit diese Maßnahme ausreicht, um Bots ausreichend abzuwehren.
Zurück auf Los?
Eine Rückkehr zur Verlosung wäre weiterhin der fairste aller Vertriebswege, auch wenn der Aufwand des BVB-Ticketings steigen würde. Auch hier gäbe es verschiedene Möglichkeiten der Optimierung. Dazu gehört natürlich die Auswahl von Tribünen und Preiskategorien, anstatt nur auf Letzteres zu schielen. Im Idealfall sollte es möglich sein, mehrere Optionen auswählen zu können, unbeschränkte Variation ist da nicht zwingend förderlich. Die Plätze könnten unmittelbar zugelost werden, etwaig freibleibende Plätze unter all jenen, die nicht erfolgreich waren, erneut angeboten werden. Es gäbe auch Möglichkeiten, den Aufwand des BVB-Ticketings in diesem Bereich nicht über Gebühr zu erhöhen.
Auch was die Verlosung an sich betrifft wären unterschiedliche Szenarien denkbar. Sollen die Lose immer frei gezogen werden oder sollten all jene bevorzugt/benachteiligt werden, die bereits des Öfteren erfolgreich waren? Ein Ticketing wie in England, bei dem es Punkte für jedes gekaufte Ticket gibt? Oder doch lieber Besteller*innen von Tickets für Spiel 1 bei der Verlosung von Spiel 2 nicht zum Zug kommen lassen? Fragen über Fragen, Optionen über Optionen…
Wenn der BVB da wen als Ideengeber für das Ticketing der Zukunft braucht, ihr erreicht mich unter der 01805 309000.
Geschrieben von stfn84.
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