"Ich möchte möglichst lange ein Teil des BVB bleiben"
Marie Grothe ist in der aktuellen Saison die wichtigste Spielerin der BVB-Frauen. Im Interview sprachen wir mit ihr über ihre Zeit in Berghofen, Erfahrungen aus dem hochklassigen Frauenfußball und ihre Erwartungen an die Zeit beim BVB.
schwatzgelb.de: Du bist mit 18 Jahren zur SpVg Berghofen gegangen, damals spielte der Verein noch in der Westfalenliga. Mit welcher Intention bist du nach Berghofen gewechselt?
Marie: Gewechselt bin ich im Zuge meines Auszuges für mein Studium. Da brauchte ich einen Verein zwischen Münster, wo ich studiert habe, und dem Wohnort meiner Eltern, welcher in Richtung des Sauerlandes liegt. Da hat sich Berghofen angeboten. Zum sportlichen Hintergrund: Vor meinem Wechsel habe ich Landesliga gespielt, wollte es dann aber gern noch etwas höherklassig versuchen. In Berghofen habe ich mich dann mehr oder weniger selbst vorgestellt und einfach ein Probetraining gemacht. Das war erfolgreich, und ich war dann ja auch relativ lange dort.
In deinen sechs Jahren in Berghofen seid ihr zweimal aufgestiegen, der Weg führte bis in die 2. Bundesliga. War eine solche Entwicklung schon absehbar, als du dorthin gekommen bist?
Marie: Wirklich absehbar war das nicht. In der ersten Saison sind wir in der Westfalenliga Vierter geworden. In der Folge hat sich die Mannschaft weiterentwickelt und ist stärker geworden. Ob die Bedingungen dafür ausgerichtet waren oder ob der Weg gar so vorgefertigt war, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Guter Fußball wurde in Berghofen sicherlich schon immer gespielt, doch mit dem Aufstieg in die Regionalliga hat sich das dann entwickelt. Die Aufmerksamkeit wurde durch den Aufstieg größer, irgendwann haben wir dann auch im Westfalenpokal gut mitgespielt und sind darüber in den DFB-Pokal eingezogen. Dadurch kam dann eines zum anderen. Ich selbst hätte allerdings bei meinem damaligen Wechsel nicht gedacht, dass ich mit dem Verein in der 2. Bundesliga landen würde. Rückwirkend betrachtet war das definitiv eher überraschend.
Die SpVg Berghofen ist einer der Vereine, bei denen die Frauenteams im Vordergrund stehen. Häufig ist es ja eher das Gegenteil, wodurch die Frauenteams weniger gute Bedingungen haben. Wie war die Atmosphäre im Verein?
Marie: Dass die Frauen dort im Vordergrund gestanden haben, war von der Ligenzugehörigkeit auf jeden Fall so. Inwiefern das jedoch in den internen Abläufen der Fall war, weiß ich gar nicht so genau. Wir haben die nötige Unterstützung, die in solchen Ligen nötig ist, bekommen. Allerdings waren die Männer- und die Frauenabteilung recht klar aufgeteilt – immer unter der Prämisse, dass beide unter ein Dach gebracht werden müssen. Dementsprechend ist das, was nötig war, auch passiert. Viel verändert hat sich zwischen der Regionalliga und der 2. Bundesliga, zum Beispiel was die Trainingsbedingungen angeht, jedoch nicht. Das soll aber nicht heißen, dass wir nicht den entsprechenden Support bekommen haben. Wir konnten zu den Spielen fahren und dort übernachten, das wurde uns schon möglich gemacht. Allerdings würde ich nicht sagen, dass der Verein nur von der Frauenmannschaft gelebt hätte und die anderen Mannschaften dieser untergeordnet gewesen wären. Es lief schon viel nebeneinander.
Wie oft habt ihr während der Zweitligasaison pro Woche trainiert?
Marie: Dreimal pro Woche, das hat sich eigentlich nicht geändert. Wir waren eine von zwei Mannschaften in der Liga, die auch in der 2. Liga noch unter “Amateurfußball” liefen. Dementsprechend hatten die Spielerinnen keine Verträge. Teilweise haben wir bei Auswärtsspielen am Samstag vor dem Spiel noch trainiert, bevor wir losgefahren sind. Aber unter der Woche kamen alle aus der Schule, der Uni oder von der Arbeit und haben danach trainiert.
Allerdings konnten wir das auch alle vor, während und im Nachgang der Saison realistisch einschätzen. Wir sind in der 2. Bundesliga glücklich gelandet.
Ihr seid nach einer abgebrochenen Saison 2019/20 als Dritter aufgestiegen, u.a. weil die zweite Mannschaft des 1. FC Köln nicht aufsteigen konnte. Hat das die Freude über den Aufstieg getrübt?
Marie: Ja und nein. Zu der Zeit, in der wir in der Regionalliga oben mitspielten, wussten wir zunächst gar nicht so recht, ob der Verein einen solchen Aufstieg überhaupt stemmen könnte, schließlich fährt man in der 2. Liga durch halb Deutschland. Von daher wurde bei uns eher über dieses Szenario gescherzt. Am Ende sind wir ja quasi auf dem Sofa aufgestiegen: Eigentlich hatte sich die Zweitvertretung des 1. FC Köln sportlich qualifiziert. Weil dessen erste Mannschaft aber in der Relegation aus der 1. Bundesliga abgestiegen ist, war klar, dass beide nicht zusammen in derselben Liga spielen können. Dadurch sind wir nachgerückt. Unsere Saison war zu diesem Zeitpunkt wegen Corona sowieso schon abgebrochen, weshalb unsere Platzierung schon lange feststand. Danach haben wir spontan gefeiert. Allerdings konnten wir das auch alle vor, während und im Nachgang der Saison realistisch einschätzen. Wir sind in der 2. Bundesliga glücklich gelandet. Ohne diese Konstellation, mit dem 1. FC Köln sowie dem Corona-Abbruch wäre das so vermutlich nicht passiert. Zudem war uns auch klar, dass es höchstwahrscheinlich nur eine Saison in dieser Liga werden würde.
Du bist nicht die einzige Ex-Berghofenerin, die den Weg zum BVB gefunden hat. Wer war damals noch mit dabei?
Marie: Lisa Klemann und Jennifer Kaleja. Neben Letzterer saß ich sechs Jahre lang zusammen im Bus… (lacht)
Du hast gerade schon eine Problematik angesprochen. Einerseits seid ihr damals Amateurinnen gewesen und viele Teams waren auch in NRW beheimatet, andererseits gab es eben auch Fahrten nach Kiel, Potsdam oder Leipzig. Wie kann man sich so eine typische Auswärtsfahrt vorstellen? Diese dürfte ja mit ziemlich hohem Aufwand verbunden sein, wenn man dies mit einem Leben neben dem Fußball vereinbaren muss…
Marie: Bei weit entfernten Auswärtsspielen sind wir Samstag mit dem Bus angereist, das waren etwa drei bis vier Spiele. Wir sind gegen Mittag gestartet und waren dann mit dem Bus fünf bis sechs Stunden unterwegs, bevor wir abends am Spielort ankamen. Übernachtet haben wir dann in Hotels oder Ferienwohnungen. Dort haben wir dann etwas gegessen und gegebenenfalls noch den Abend miteinander verbracht. Sonntagmorgen war dann gemeinsames Frühstück. Um 11 Uhr war dann das Spiel. Gegen 14 Uhr ging es dann mit dem Bus wieder zurück. Sonntag waren wir dann gegen 20 Uhr wieder in Dortmund. Und Montagmorgen ging es dann wieder zur Arbeit.
Gab es bei der Organisation denn Unterstützung durch Verbände oder musste der Verein sich das selber aufbauen?
Marie: Ich glaube, dass der Verein das selbst gemacht hat. Der Busfahrer sowie das Unternehmen waren zum Beispiel identisch zur Regionalliga und auch die Unterkünfte hat der Verein soweit ich weiß selber organisiert. Während der Corona-Zeit gab es ja zwischenzeitlich sogar ein Trainingsverbot auf den Sportplätzen. Da wir damals keine Profis waren, hat die Stadt Dortmund uns das Training untersagt. Wir durften nicht in Berghofen trainieren, sondern mussten nach Kaiserau fahren. Spielen sollten wir aber trotzdem. In Kaiserau waren wir dann im Januar und Februar, hatten dort jedoch keine Kabine. Dementsprechend sind wir hingefahren, haben dort trainiert und sind ungeduscht wieder nach Dortmund gefahren. Ich glaube, da kann man sich unendlich lange drüber aufregen, was das für Bedingungen waren. Ich glaube aber nicht, dass das wirklich zu was führt. Da müsste vermutlich mehr passieren. Und eine Alternative gab es ja auch nicht. Also hat jeder für sich und die Mannschaft als Ganzes alles dafür getan, den Spielbetrieb irgendwie möglich zu machen.
Fußball will man nicht absagen, Arbeit kann man ja eigentlich nicht absagen. Am Ende geht’s halt irgendwie.
Hättet ihr euch in dieser Zeit mehr Unterstützung gewünscht?
Marie: Ich glaube schon. Die Situation war natürlich blöd. Ein halbes Jahr vor Corona haben wir in Aplerbeck gegen Wolfsburg gespielt. Das ist schon ein großes Event. Da kommen 2.000 Zuschauer, im Radio wird darüber berichtet und sechs Monate später sagt man uns, dass wir nicht auf unserem Platz Fußball spielen dürfen. Da hat man als Spielerin das Gefühl, es wird gemacht, wie es gerade so passt. Letztlich ist aber eine solche Mannschaft einfach zu klein, um dagegen etwas auszurichten, glaube ich.
Wo du das Spiel gegen den VfL Wolfsburg gerade schon ansprichst: Wie war es denn, gegen das Frauenfußballteam schlechthin zu spielen?
Marie: Anstrengend. (lacht) Das 0:1 ist in der 16. Minute gefallen und als der Stadionsprecher das Tor durchgesagt hat, wurde mir klar: Hier sind noch 74 Minuten zu spielen, das könnte lang werden. Es hat aber vor allem total Spaß gemacht. Es ist immer schön, vor so vielen Leuten zu spielen, zumal vor so einer Kulisse bislang niemand von uns gespielt hat. Und auch wenn Wolfsburg wahrscheinlich nicht mit der Topelf aufgelaufen ist, war es dennoch sehr schön, gegen den Meister und Pokalsieger die Partie halbwegs offen zu gestalten. Für genau solche Spiele spielt man ja auch Fußball.
In der zweiten Liga habt ihr in der Saison 2020/21 gespielt. Wie konntest du damals Fußball und Arbeit miteinander vereinbaren?
Marie: Glücklicherweise arbeite ich in einem Berufsfeld, das nicht mit Schichtdienst oder ähnlichem verbunden ist. Zwar kommt es mal vor, dass es direkt von der Arbeit weiter zum Training geht, aber ich bin nicht in der Bredouille, z. B. wegen der Arbeit ein Training absagen zu müssen. Letztlich versucht man es immer unter einen Hut zu bringen. Fußball will man nicht absagen, Arbeit kann man ja eigentlich nicht absagen. Am Ende geht’s halt irgendwie.
Mittlerweile scheint der Höhenflug des Vereins vorbei. Die SpVg Berghofen steht auf einem Abstiegsplatz und alles deutet auf eine Rückkehr in die Westfalenliga hin. Kannst du dir erklären, warum sich in der Regionalliga und besonders der 2. Liga dort kein nachhaltig sportlicher Erfolg entwickeln konnte?
Marie: Ich glaube, dass die Strukturen in Berghofen einfach nicht vorhanden waren. Es gibt extrem viele Mannschaften, die allesamt nebeneinander laufen und eben auch alle nebeneinander trainieren und spielen müssen. Mit dem sportlichen Erfolg gab es keine wirklichen Investitionen. Nach der Zweitligasaison sind dann auch einige Leute gegangen. In gewisser Weise ist es ja auch normal, dass eine Fluktuation herrscht. In der Folge kommen dann jüngere Spielerinnen nach, die dann unter anderem nicht so die Erfahrung haben. Da muss man sich dann immer wieder neu finden. Eine Mannschaft, die aufsteigt, hat es in einer neuen Liga oft nicht so schwer. Man spielt einfach unbekümmert auf und es kennt einen in der Liga auch noch keiner. Umgekehrt ist es oft schwieriger. Ein Absteiger ist nicht automatisch wieder ganz oben dabei, sondern hat oft Schwierigkeiten. Was gerade los ist, sowohl bei der ersten als auch der zweiten Mannschaft, die beide nicht sonderlich erfolgreich sind, kann ich allerdings nicht sagen, dafür bin ich zu weit weg. In der jetzigen ersten Mannschaft spielt kaum noch jemand, mit der ich vor zwei Jahren noch zusammen gespielt habe.
Ich glaube, dass ich es mir nicht leisten kann, dem BVB zu sagen: "Nein, ich möchte hier jetzt nicht spielen. Ich komme dann nächstes Jahr."
Auch du hast nach der Zweitligasaison den Verein verlassen und bist zur SV Horsthausen in die Landesliga gewechselt. Wie kam der Wechsel zustande?
Marie: Lange habe ich mit dem Gedanken gespielt, komplett aufzuhören. Das war einfach alles sehr viel. In der Zweitligasaison war es dann noch so, dass aufgrund von Corona viele Spiele ausgefallen sind und wir gegen Saisonende richtig viele englische Wochen spielen mussten. Zudem haben wir etwa die letzten zehn Spiele allesamt verloren. Meine eigene Motivation war in diesem Moment dann nicht mehr sonderlich groß. Generell bin ich der Meinung, dass ich vermutlich nicht mehr erreichen werde, als das, was ich in Berghofen erreicht habe. Wenn alles gut läuft und ich das auch möchte, würde ich genau das vielleicht nochmal mit dem BVB schaffen können, wahrscheinlich jedoch nicht mehr als das. Für mich stand dann irgendwann die Frage nach Aufwand und Ertrag. In diesem Moment hat es sich nicht so angefühlt, als dass ich das in diesem Aufwand weitermachen möchte. Zumal auch dazu kam, dass ich wie gesagt nicht die einzige Spielerin war, die den Verein verlassen hat und so einige Spielerinnen nicht mehr da waren, mit denen ich am liebsten immer weiter hätte zusammenspielen wollen. Dementsprechend wollte ich eigentlich komplett aufhören. In der Zeit war ich viel laufen, unter anderem Halbmarathons. Über Kontakte im Freundeskreis ist dann mein Wechsel nach Horsthausen zustande gekommen, und dann habe ich das mehr oder weniger spontan gemacht. Ich hatte vom Verein einen positiven Eindruck, kannte dort Leute und ich hatte die Hintertür, einfach wieder aufzuhören, wenn es mir dort nicht gefällt.
Nun bist du aber hier. Wann und wie kam der Kontakt mit dem BVB zustande?
Marie: Der Kontakt kam über Thommy [Sulewski] zustande. Er war in Berghofen mein Trainer und wir haben uns damals schon gut verstanden. Zwar hatten wir nicht permanent oder regelmäßig Kontakt, aber abgerissen ist der Kontakt nie. Zudem ist Lisa [Klemann] eine gute Freundin von mir, zu der ich auch unabhängig vom Fußball Kontakt hatte. Wann genau das Thema Borussia Dortmund das erste Mal aufkam weiß ich gar nicht, aber es lief dann so: Der Trainer hat mich gefragt, ob ich mir das nicht vorstellen könnte, und hat mir gesagt, ich solle mal darüber nachdenken. Zum Ende der vergangenen Saison ist es dann konkreter geworden. Damals haben wir dann nochmal genauer darüber gesprochen. Und dann hat es sich so ergeben…
Der Weg des BVB im Frauenfußball hat in der Kreisliga begonnen. Du bist nun in der Bezirksliga dazugestoßen und damit im Vergleich zur Vorsaison nochmal in eine tiefere Liga gewechselt. Sicher hättest du auch die Liga halten können oder sogar wieder höher spielen können Warum hast du dich dennoch für den BVB entschieden?
Marie: Ich saß zu Hause und habe eine Pro- und Contra-Liste geschrieben. (lacht) Im Ernst: Natürlich hat die Ligazugehörigkeit bei der Entscheidung auch eine Rolle gespielt. Ich habe in den vergangenen Jahren ja auch relativ lange Fußball nicht nur als reines Hobby gespielt, sondern hatte auch immer die Ambition, das erfolgreich zu tun. Für mich waren aber auch immer schon andere Faktoren relevant. Ich muss nicht immer in der bestmöglichen Mannschaft spielen, sondern mir ist zum Beispiel auch wichtig, dass ich mit den Mitspielerinnen gut verstehe, denn am Ende ist und bleibt es ja ein Hobby. Im Endeffekt habe ich abgewogen. Ich glaube aber schon, dass die Ambitionen des BVB andere als die Bezirksliga sind. Der Weg, der gegangen werden will, soll vermutlich auch noch in höhere Ligen führen. Ich glaube, dass ich es mir nicht leisten kann, dem BVB zu sagen: "Nein, ich möchte hier jetzt nicht spielen. Ich komme dann nächstes Jahr." Dafür hat der Verein einfach eine viel zu große Strahlkraft. Es ist ohne Frage etwas Besonderes, hier spielen zu können. Dementsprechend ist es dann so, dass es sportlich vielleicht etwas anderes ist, als ich es aus den vergangenen Jahren gewohnt war, dafür aber in anderen Bereichen viel mehr dazu kommt, was ich bisher auch noch nicht kannte.
Wie nimmst du den Verein und das Umfeld wahr?
Marie: Gut und professionell auf jeden Fall. Das kommt aktuell tatsächlich auch mehr und mehr durch. Da wird viel drumherum gemacht, ohne dass ich in diesem Moment unbedingt mitbekomme. Es wird schon viel dafür getan, dass sich hier alles gut entwickeln kann. Da geht es dann nicht nur darum, wie wir sonntags spielen und wie am Ende das Ergebnis ist. Es sind Strukturen da oder werden, wenn nötig, geschaffen, damit das Projekt nachhaltig funktioniert. Zum Beispiel zu dieser Saison die Gründung der 2. Mannschaft. Das ist alles sehr durchdacht und das hilft einfach der gesamten Mannschaft.
Du hast auch schon an anderer Stelle mal die tollen Möglichkeiten, die der BVB bietet, hervorgehoben. Kannst du da Beispiele geben?
Marie: Wir werden größtenteils ausgestattet wie die Profimannschaft und wir können ins Trainingslager fliegen. Zudem hat das Trainerteam vor kurzem von einem unserer Saisonspiele einzelne Szenen auf Video rausgeschnitten, sowohl für die gesamte Mannschaft als auch für einzelne Spielerinnen, um diese dann mit Verbesserungsvorschlägen, Kritik oder Lob für die einzelne Aktion in unsere mannschaftsinterne App hochzuladen. So etwas kenne ich von anderen Vereinen nicht.
Nicht nur die Möglichkeiten sind beim BVB andere als bei den meisten anderen Vereinen, auch die mediale Aufmerksamkeit ist deutlich größer, sowohl was mediale Berichterstattung als auch das Zuschaueraufkommen angeht. Wie nimmst du das wahr?
Marie: Das ist auf jeden Fall ungewohnt. Bei besonderen Events ist das zwar überall so, aber dass das vom Verein so groß gemacht wird und so viel für eine entsprechende Sichtbarkeit getan wird, das ist nicht selbstverständlich. Ich glaube, das ist insgesamt eine gute Sache, wenngleich man sich da erst einmal daran gewöhnen muss. Insgesamt hilft es dem Projekt Frauenfußball beim BVB aber. Vielleicht empfindet es manch einer – vielleicht auch zurecht – in der Bezirksliga übertrieben, ich glaube aber es ist sinnvoller, sich sofort professionell aufzustellen, um dann mit den bestehenden Strukturen auch sportlich zu wachsen. Die Alternative wäre ja, mit vergleichbaren Bedingungen wie andere Teams in der Kreis- und Bezirksliga zu laufen und dann plötzlich Dinge verändern zu müssen. Ich halte den Weg des BVB für eine gute Sache.
Auch eure Profile auf Social Media, insbesondere Instagram, haben schon jetzt einen Zuwachs bekommen. Spürt ihr da einen gewissen Druck, wenn einem deutlich mehr Leute folgen?
Marie: Ich glaube, dass sich das nur jeder für sich selbst beantworten kann. Für meinen Teil versuche ich, das zu differenzieren. Sicherlich ist das cool, wenn man zum Beispiel auf Instagram mehr Likes auf Fotos und viele Reaktionen bekommt, wie toll man gespielt hat. Letzten Endes ist das aber nicht das wahre Leben. Natürlich folgen einem auch Leute, die man kennt und nun vielleicht mehr mitbekommen, da sind aber auch viele Leute dabei, die nur aufgrund des Spielens bei Borussia Dortmund auf einen aufmerksam geworden sind. Das muss man klar voneinander abgrenzen können und sich nicht darüber definieren, finde ich. Ich persönlich sehe das nicht als Druck, fange nun aber auch nicht an, plötzlich Dinge zu teilen, die ich vorher nicht geteilt habe.
Wenn Spiele enger werden, wenn es drauf ankommt, dann wissen erfahrene Spielerinnen damit vielleicht etwas anders umzugehen und können davon eben auch profitieren, einfach weil man schon das ein oder andere mitgemacht hat.
Immer wieder kann man beobachten, wie ihr die Spiele der Profis besucht, teilweise sogar als Team. Wie ist dein Verhältnis zum BVB als Gesamtverein und hat sich das in deiner Zeit hier gewandelt?
Marie: Vor meiner Zeit hier bin ich ehrlich gesagt eigentlich nicht ins Stadion gegangen. Als Mannschaft waren wir diese Saison bisher zwei oder drei Mal im Stadion. Ich war zwar nur einmal mit dabei, das lag aber nicht daran, dass ich keine Lust gehabt hätte, es hat einfach terminlich nicht gepasst. Dadurch, dass man diese Aufmerksamkeit bekommt, entwickelt man natürlich auch ein anderes Verhältnis zum Verein, als dies normalerweise der Fall ist. Das hat einfach einen ganz anderen Stellenwert, eine andere Präsenz. Jeder einzelne identifiziert sich mit dem Verein dann ein bisschen mehr, je länger er ein Teil dessen ist.
Mal ein kompletter Themenwechsel: Du hast in Berghofen auf der Sechs angefangen, bist dann jedoch immer wieder als Stürmerin aufgelaufen. Wie kam es dazu – und wieso spielst du heute wieder im zentralen Mittelfeld?
Marie: In der U17 hatte sich schon herauskristallisiert, dass ich im zentralen Mittelfeld gespielt habe, im Endeffekt dann auch auf der Sechserposition. Als Thommy [Sulewski] dann in der ersten Regionalliga-Saison in Berghofen Trainer war, lief es in Ordnung, aber auch nicht richtig gut. Etwa im November standen wir kurz vor der Abstiegszone. Da hat er dann entschieden, dass ich mal nach vorne gehe. Das hat dann so gut funktioniert, dass ich in den verbleibenden drei Vierteln der Saison 20 Tore geschossen habe und wir damals schon beinahe aufgestiegen wären. Dementsprechend ist das erst einmal so geblieben. Oft lief es dann so, dass gesagt wurde: "Eigentlich spielst du da, aber wir haben da wieder so einen kleinen Engpass, geh’ mal wieder auf die andere Position." (lacht) Das war immer ein hin und her. Ich habe in dieser Zeit auch nie auf der Zehn gespielt. Entweder habe ich im Sturm oder auf der Sechs gespielt. Mittlerweile ist die Situation eine andere. Ich glaube, dass die Acht für mich eine ganz gute Position ist, da sie zwischen beiden Extremen liegt und die Besonderheiten der beiden Positionen verbindet. So wie es gerade ist, passt es eigentlich ganz gut für mich.
In deiner Karriere hast du bislang schon recht lang unter Thomas Sulewski gespielt. Was zeichnet ihn als Trainer aus, worauf liegt im Training der Fokus?
Marie: Erst einmal ist es wichtig zu erwähnen, dass es ein gesamtes Trainerteam ist. Das war in Berghofen schon so und ist mit Dustin [Wurst], Tim [Treude] und den Torwarttrainern auch beim BVB so. Hier ist die Verantwortung deutlich stärker verteilt, was ich total positiv finde. Beispielsweise wird im Training sehr viel unter den Trainern aufgeteilt. Mal macht der eine das Training, mal der andere. Im Speziellen zu Thommy [Sulewski]: Er ist einer, der natürlich auf das Sportliche schaut, der aber auch die Person hinter der Spielerin nicht aus den Augen verliert. Er schafft es, dass wir professionell arbeiten können und gleichzeitig sorgt er dafür, dass alle mit im Boot bleiben und keiner komplett hinten runterfällt. Für mich spielt das eine große Rolle. Denn wenn ich mich wohlfühle und ein gutes Gefühl bei der Sache habe, dann fördert das mein Selbstvertrauen. Das kann er meiner Meinung nach wirklich gut.
Kommen wir mal zu dir als Spielerin auf dem Platz. Im Kurzinterview mit uns vor der Saison hast du dich als mannschaftsdienlich und spielintelligent beschrieben. Was sind denn deine Schwächen?
Marie: Wie viel Zeit haben wir denn noch? (lacht) Was ich immer mal wieder als Problem sehe, ist, dass ich, für meine Position auf dem Platz nicht präsent genug bin. Als Beispiel: Gegen SW Silschede lagen wir schon 1:0 in Führung und ich hatte den Ball noch gar nicht berührt. Manchmal habe ich das Gefühl – ich weiß gar nicht woher das kommt –, dass ich mich etwas “verstecke”, auch wenn das nichts ist, was wirklich messbar wäre. Vielleicht bin ich da teilweise einfach zu verkopft. Zudem ist bei mir in Sachen Kopfballspiel irgendwie etwas verloren gegangen. Zwar ist es etwas besser geworden, glaube ich, aber da wäre auf jeden Fall mehr rauszuholen, zumal ich für eine Frau ja auch recht groß bin. Das sind die hauptsächlichen Punkte, würde ich mal behaupten.
Du sagtest kürzlich, du seist auch nicht mehr die Jüngste. Wahrscheinlich können da andere im Team nur drüber lachen, trotzdem steckt da ja auch Wahrheit drin. Du hast eben schon in fast allen höheren Ligen gespielt. Was sind Erfahrungen, die du an andere Spielerinnen weitergeben kannst?
Marie: Also erst einmal möchte ich sagen, dass ich mich ja halbwegs in der Mitte befinde. Wenn wir Jung gegen Alt spielen, bin ich oft noch bei den Jungen dabei, das können wir vielleicht mal festhalten…(lacht)
Du hast dich selbst so bezeichnet… (lacht)
Marie: Ja, das ist ja auch so. Klar, wenn da Lisa [Klemann] oder Sandra [Schröer] sind, dann ist das auch etwas anderes. Wie gesagt: Ich bin mit meinen 25 Jahren in der Mitte. Zurück zur Frage: Ich weiß gar nicht, ob man das an einer Sache festmachen kann. Ich glaube, wenn Spiele enger werden, wenn es drauf ankommt, dann wissen erfahrene Spielerinnen damit vielleicht etwas anders umzugehen und können davon eben auch profitieren, einfach weil man schon das ein oder andere mitgemacht hat. Da kann man dann sicherlich vorweg gehen, vielleicht auch, besonders in hitzigen Situationen, ein bisschen cleverer sein. Ich versuche eine Mischung zu finden. Einerseits probiere ich, zu motivieren, ehrgeizig zu sein und das auch auf dem Platz zu zeigen, gleichzeitig aber auch eine gewisse Ruhe und Gelassenheit zu finden. Ich glaube, das ist das, was anderen helfen kann. Aber da müsstet ihr die anderen vielleicht mal fragen, was ihnen hilft und was nicht... (lacht)
Aktuell spielt ihr noch in der Fußballakademie, könnt aber hoffentlich bald schon wieder in der Roten Erde auflaufen. Hast du schon mal in einem solch großen Stadion gespielt?
Marie: Ich glaube nicht. Es gibt ja einige Stadien, in denen es eine halbwegs große Tribüne gibt. Aber die Rote Erde ist natürlich nochmal etwas anderes. Zu den Gegebenheiten vor Ort kann ich aber gar nicht so viel sagen, da ich nur ein oder zweimal als Zuschauerin dort war. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es nochmal eine andere Atmosphäre ist, wenn man dort spielt.
Bisher habt ihr alle Spiele gegen Landesligisten gewonnen. Ist dies das Niveau, wo du euch als Team qualitativ bisher einsortieren würdest?
Marie: Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, dass in einem Spiel immer ganz viel möglich ist und man sich dort auch einem deutlich höheren Niveau anpassen kann und man im Nachgang sagt: "Das war mehr als das, was wir normalerweise so spielen." Nach unten geht das ganz genauso. Am Ende ist es schwierig zu sagen, ob wir nun in der Landesliga unten, im Mittelfeld, oben oder noch höher spielen könnten. Ich glaube, das kann man so nicht beantworten.
Was sind deine persönlichen und sportlichen Ziele für die Zeit beim BVB?
Marie: Immer besser zu werden. Jedes Training gut zu trainieren, sich nicht zu verletzen, dass wir als Mannschaft weiterhin gut zusammenarbeiten. Sportlich betrachtet: Wer spielt nicht Fußball, um zu gewinnen. Natürlich wollen wir am liebsten jedes Spiel gewinnen, aber das ist vermutlich nicht möglich. Ich kann da jetzt nicht klar sagen, dass ich zu einem gewissen Punkt noch einmal hin möchte. Ich möchte möglichst viel mitnehmen. Jedem ist klar, dass das Ganze wahrscheinlich weiter wachsen wird. Davon möchte ich einfach möglichst lange ein Teil bleiben und viel miterleben. Letztlich kann ich das gar nicht an konkreten Zahlen oder Erfolgen festmachen.
Hast du ein fußballerisches Vorbild?
Marie: Nein, aber ein sportliches Vorbild habe ich, nämlich Angelique Kerber.
Und wer war die beste Gegenspielerin, gegen die du gespielt hast?
Marie: Da kann ich glaube ich niemanden nennen. Natürlich gibt es immer wieder Spielerinnen, bei denen andere mir vor Spielen sagen: "Ach ja, das spielt doch die mit der sieben, mit diesen Haaren und diesen Schuhen.'' Ich will nicht sagen, dass ich mich selten an jemanden erinnern könnte, aber ich setze mich damit eigentlich recht wenig auseinander. Ich könnte sicherlich viele gute Spielerinnen nennen, mit denen ich selbst zusammengespielt habe. Aber eine Gegenspielerin an dieser Stelle zu nennen, kann ich nicht. Da waren auch einfach viele gute dabei.
Noch eine abschließende Frage: Bier, Wein, Cocktails oder doch lieber Wasser?
Marie: Kurz und knapp: Wein.
Vielen Dank für das Interview!