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Es gibt auch kein Koscher-Zertifikat für die Speisen

01.06.2021, 09:06 Uhr von:  kha
Das Bild zeigt drei Kreise, die die Grundprinzipien von Exklusion, Integration und Inklusion verdeutlichen sollen.

Zum Thema "ganzheitliche Inklusion gehört auch niemanden wegen seiner Religion auszugrenzen. Wie ist es jedoch in einem Stadion zu sein, aber sich nicht verpflegen zu können, weil die religiösen Vorschriften die angebotene Verpflegung verbieten? Darüber haben wir mit dem Deutsch - Israeli Adam gesprochen.

Nachdem der jüdische Glauben am Ende des Holocaust in Dortmund fast vollständig verschwunden war, leben laut Aussage der jüdischen Gemeinde in Dortmund aktuell gut 3000 Menschen jüdischem Glaubens in Dortmund. Einer von ihnen ist Adam. Wie es ist, als Jude am Sabbat zum Fußball zu gehen und ob er sich im Stadion etwas zu Essen kaufen kann, darüber haben wir mit ihm gesprochen.

schwatzgelb.de: Wer bist Du und was unterscheidet Dich von anderen BVB-Fans?

Adam: Ich heiße Adam und bin 32 Jahre alt. Was mich von anderen Fans unterscheidet? Wahrscheinlich, dass ich ein Deutsch-Israeli bin und das ich in Israel aufgewachsen bin, weit entfernt von unserem Tempel. Sonst gibt es keinen Unterschied: „Wir Fans auf der Tribüne, wir sind alle gleich“.

schwatzgelb.de: Wie bist Du zum BVB gekommen?

Adam: Meine Mutter kommt aus Menden im Sauerland. Sie war selbst BVB-Sympathisant und so kam es dazu, dass mein erstes Portemonnaie ein schwarzgelbes war. Seitdem gab`s keinen anderen Verein.

Wir Fans auf der Tribüne, wir sind alle gleich“.


Adam, deutsch-israelischer Fan

schwatzgelb.de: Was war Dein erstes Spiel?

Adam: Dadurch, dass ich meine ganze Kindheit in Israel verbracht habe und das wir immer nur im Sommerurlaub nach Deutschland gereist sind, habe ich als Kind kein Spiel im Stadion verfolgt. Erst 2010, nach dem Militärdienst, habe ich es geschafft. Es war ein Heimspiel gegen Bremen, das haben wir mit 2:1 gewonnen. Großkreutz und Subotic haben die Buden gemacht.

schwatzgelb.de: Begleitest Du den BVB auch auswärts?

Adam: Natürlich. Mindestens 5 Mal pro Season. Mehr ist als Familienvater nicht immer einfach.

schwatzgelb.de: Was war Dein weitestes Spiel?

Adam: London, das Champions-League-Achtelfinale gegen Tottenham. Da haben wir leider mit 3:0 verloren. Ich war auch schonmal in Island unterwegs, aber nicht mit dem BVB, sondern mit meinem israelischen Verein.

Streng-orthodoxe Juden werden kein Fußballspiel im Stadion sehen können

schwatzgelb.de: Wenn der BVB auf einem Samstag (dem jüdischen Sabbat) spielt, wie funktioniert dann ein Stadionbesuch für Dich?

Adam: Für mich persönlich ist es kein Problem, weil ich kein religiöser Jude bin. Es gibt verschiedene Wege, das Judentum zu leben.

schwatzgelb.de: Und wie ist das für andere jüdisch gläubige Menschen? Es gibt ja unterschiedlichste Ausprägungen, den jüdischen Glauben zu leben. Kannst Du die nochmal kurz erläutern, wie unterschiedlich der Sabbat gelebt wird?

Adam: Es ist tatsächlich so. Streng-orthodoxe Juden werden kein Fußballspiel im Stadion sehen können, normalerweise auch nicht am normalen Wochentag. Das liegt daran, dass solche Sportveranstaltungen nicht dem jüdischen Alltag entsprechen und dadurch als Tabu gelten.

Unabhängig davon ist das Handeln am Shabbat verboten und so auch der Gebrauch von Strom in jeder Form.

Da werden sich die orthodoxe Juden kreative Wege suchen, um ins Stadion zu kommen, denn spontan ohne Dauerkarte geht es in der Regel gar nicht. Eine Tageskarte darf man zum Beispiel nicht am Shabbat kaufen, weil es zum Handel zählt. Den Barcode-Leser im Einlassbereich darf man auch nicht nutzen. Dafür muss dann der Dauerkarten-Inhaber einen Ordner persönlich kennen, um ihm die Dauerkarte kurz zu übergeben und der Ordner scannt die Karte selbst. Wichtig ist dabei, dass der Ordner nicht direkt gebeten werden darf, deswegen müssen solche Vereinbarungen im Voraus getroffen werden.

Nicht-orthodoxe Juden, die nicht gar nicht religiös sind, gehen ganz normal ins Stadion.

schwatzgelb.de: Wie kann der BVB helfen, um auch orthodoxeren Juden den Stadionbesuch am Sabbat zu ermöglichen, ohne die Sabbatregeln zu brechen?

Adam: Es ist logistisch schwer zu ermöglichen. Wie gesagt, streng-orthodoxe Juden werden das Stadion sowieso kaum betreten, weil die Religion es so regelt, dass man als Zuschauer bei Sportveranstaltungen keinen Nutzen hat.

Für orthodoxe Juden gibt es im Stadion gar nichts zu essen

schwatzgelb.de: Im jüdischen Glauben gibt es ja auch besondere Regeln für die Zubereitung von Speisen. Gibt es aktuell im Speiseangebot im Westfalenstadion irgendetwas, was Du zu Dir nehmen könntest ohne die Regeln zu brechen?

Adam: Hier kommt es auch drauf an, wie religiös du bist. Für orthodoxe Juden gibt es im Stadion gar nichts zu essen, da man Gerichte mit Fleisch und Milch nicht in derselben Küche zubereiten darf. Außerdem gibt es auch kein Koscher-Zertifikat für die Speisen, die im Stadion verkauft werden.

Bei Nicht-Orthodoxen kommt es drauf an, auf welche Regeln geachtet wird. Die meisten achten auf Schweinefleisch und werden keine Wurst essen. Die sehr liberalen werden sich auch mal eine Wurst schnappen.

schwatzgelb.de: Falls es aktuell auf der Speisekarte des Westfalenstadions nichts Essbares für Dich gibt: Verzichtest Du dann auf Essen, während rund um Dich herum Bratwurst und Co. vertilgt wird?

Adam: Ich esse meistens vor und nach dem Spiel.

schwatzgelb.de: Ist das sehr schwer für Dich?

Adam: Nein. Gar nicht. Dafür trinke ich mehr Bier.

schwatzgelb.de: Was würdest Du Dir vom BVB wünschen?

Adam: Weiter so mit der Erinnerungskultur, weiter so mit dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus. Auf die Arbeit des BVB kann man stolz sein!

Weiter so mit der Erinnerungskultur, weiter so mit dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus.


Adam, deutsch-israelischer Borusse

schwatzgelb.de: Hast Du noch ein besonderes Erlebnis, egal ob im Zusammenhang mit Deinem Glauben oder nicht, über das Du erzählen möchtest?

Adam: Es gab sehr viele besondere Momente mit dem BVB, innerhalb und außerhalb des Stadions. Ich hoffe momentan nur, dass wir diese Momente schnellstmöglich wieder erleben dürfen und dass wir nicht mehr so lange warten müssen, bis wir wieder auf der Süd stehen können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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