Der Tanz um den goldenen Dietmar
Warum die Betroffenheit in der Causa Dietmar Hopp bigott und heuchlerisch ist.
Fangen wir den Text mal mit etwas Selbstverständlichen an: Die
Gesänge und Transparente gegen Dietmar Hopp sind vulgär, stumpf
und, ja auch sexistisch. Und es bedarf nicht übermäßig viel
Empathie, um nachvollziehen zu können, dass es für Dietmar Hopp
persönlich äußerst unangenehm sein muss, über Jahre hinweg als
Person derartig angegangen zu werden. So ist es sein gutes Recht,
gegen diese Beschimpfungen den juristischen Weg zu beschreiten und
Anzeige zu erstatten.
Es ist völlig egal, ob
man das jetzt als zu dünnhäutig, oder als folgerichtig betrachtet,
diese Mittel stehen ihm zu und er hat sie bereits genutzt. Daran ist
auch nicht viel auszusetzen, außer den, gelinde gesagt, merkwürdigen
Verläufe der Gerichtsverhandlungen gegen Hopps mutmaßliche
„Peiniger“. Um so unverständlicher, warum er dann jetzt
zusätzlich noch durch DFB und DFL unter so strengen Artenschutz
genommen wird, als wäre er das letzte noch lebende Exemplar des
Dodo. In Dortmund wurde das Spiel unterbrochen, in Sinsheim gingen
beide Teams geschlossen in die Kabine. Die Berichterstattung darüber
war so moralinsauer, dass es die Studiofußböden durchgeätzt haben
muss.
Um das mal alles ins
Gdächtnis zu holen: Wir reden hier über den DFB, der es im Falle
der rassistischen Beschimpfungen des Berliner Spielers Torunarigha
noch als Erklärung für ein Ausbleiben einer Stadiondurchsage hat
gelten lassen, dass zwischen den Beleidigungen und der Bekanntwerdung
beim Schiedsrichter 20 Minuten vergangen wären und der Kontext
deshalb nicht mehr gegeben sei. Haben in den 20 Minuten vermutlich
alle vergessen, worum es ging. Wohl alle außer Torunarigha, dem man
hier von offizieller Seite aus hätte beistehen können.
Wir reden über den DFB
und die DFL, die Repräsentanzen in China unterhalten. Wir müssen
dabei gar nicht groß die gesamtgesellschaftliche Situation in einer
Parteiendiktatur anführen, aber selbst die Meldungen, dass dort der
Volksstamm der Uiguren massenhaft zur ideologischen Umerziehung
inhaftiert wird, hat zu keiner Protestnote geführt. Von einer
Schließung der Vertretungen ganz zu schweigen. Vermutlich wird man
wohl auch in Zukunft weiterhin Reisen von Bundesligavereinen in
diesen „Wachstumsmarkt“ subventionieren.
Die tief betroffenen
Bayernspieler, die in Hoffenheim in die Kabine gingen, tragen auf
ihren Ärmeln einen Sponsorenaufdruck für den Hamad International
Airport in Katar. Interessiert es sie da, ob ein Teil der Gelder, die
auf ihre Konten fließen, auch mit dem unsäglichen Kafalasystem,
das arme Menschen zu Quasisklaven macht, erwirtschaftet wurde?
Und die politischen Aktivitäten eines Herrn Mateschitz lässt man auch
unbeachtet, so lange der Kampf um die Meisterschaft wieder mehr Spannung
verspricht. Interessiert es überhaupt irgendeinen, dass Spieltag für Spieltag
Reklame gelaufen wird für Unternehmen, die Massentierhaltung
praktizieren, oder die zur Hälfte einem Staat gehören, der die
Halbinsel Krim gegen das Völkerrecht annektiert hat?
Nein, das tut es nicht.
Häufig auch nicht die Fans, die im Falle von Hopp „Zeichen der
Solidarität“ setzen, oder die Vertreter der Medien, die jetzt
Klagelieder anstimmen und ums goldene Kalb Dietmar herum tanzen. Die
einzigen Teilnehmer, die solche Themen auf den Tisch bringen, sind
regelmäßig die Ultragruppen. Und dabei haben sie gelernt, dass kaum
jemand von diesen Themen Notiz nehmen will, das mediale Echo bei
diesem Protest äußerst überschaubar ist und es breitflächig als
Teil des Fußballs akzeptiert ist, dass man Gelder auch aus den
moralisch zweifelhaftesten Quellen annimmt. Auf diesem Wege haben sie
ebenfalls gelernt, dass sie Pöbeln, Beschimpfen und Krakelen müssen,
wenn sie beachtet werden wollen. Nun, in diesem Fall ist ihnen das in
beeindruckender Art und Weise gelungen.
Bei all dieser
Bigotterie möchte man brechen, wenn man sich die ganze Palette
anschaut, die im Kampf für Dietmar Hopp aufgefahren wird, mit
welcher Betroffenheitsrethorik der Untergang des Abendlandes
herbeigeredet wird, wenn man nicht als Gesellschaft jetzt zusammen
steht und sich nicht mit dem Hoffenheimer Mäzen solidarisch erklärt.
Dabei kann der gute Herr sich sehr wohl selbst helfen. Aber dann
hätte man kein willkommenes Feigenblatt dafür, dass der ganze
Profifußball moralisch eh am Boden liegt. Und daran sind mit
Sicherheit nicht ursächlich die Gesänge und Transparente gegen Hopp
schuld.