Watzke, Zorc und die Frage nach der Verantwortung
Die Trainerdiskussion ist zu kurz gefasst. Braucht der BVB nicht viel mehr einen Neustart? Dafür müssten die Konsequenzen der jüngsten Misserfolge für eine langfristige Verbesserung auf höherer Ebene gezogen werden.
In Zeiten sportlicher Misserfolge wird gerne über den Trainer diskutiert. Wer das Ganze noch etwas differenzierter sieht, nimmt zusätzlich die Mannschaft in die Pflicht. Doch am Ende muss sich der Blick auf andere Personalien richten: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc.
Lucien Favre brachte nicht nur einiges an Erfahrung mit nach Dortmund, durch seine letzten drei Stationen in Berlin, Mönchengladbach und Nizza standen dem BVB auch seit 2007 genügend Arbeitsproben zur Verfügung, um genau zu wissen, worauf man sich einlässt. Es war von Anfang an jedem bekannt, welchen Fußball Lucien Favre spielen lässt.
Wenn man Favre nun einen Kader an die Seite stellt, dessen Stärken gar nicht zu den taktischen Vorgaben des Trainers passen, so sollte man die Verantwortung weniger bei Lucien Favre suchen, sondern vor allem bei der sportlichen Führung, die krampfhaft versucht, diese zwei Gegenpole zusammenzufügen.
Man macht es sich reichlich einfach, wenn man sich ausschließlich auf eine Trainerdiskussion konzentriert. Natürlich ist Lucien Favre verantwortlich für das, was dort auf dem Platz geschieht. Natürlich sind auch die Spieler nicht aus der Pflicht zu nehmen. Aber es hakt schon seit längerem an allen Ecken und Enden im Verein. Der letzte Trainerglücksgriff gelang den Verantwortlichen 2008, und seitdem schwebt der Schatten des Jürgen Klopps über allem.
Vielleicht reicht es nicht mehr, an den kleinen Stellschrauben zu drehen. Vielleicht reicht es nicht, den Trainer regelmäßig auszutauschen, um vielleicht irgendwann wieder einen Glücksgriff zu landen. Vielleicht reicht es nicht mehr, in aller Regelmäßigkeit Spieler zu (ver)kaufen. Der Verein hängt seit Jahren in der Schwebe, mal geht es bergauf, aber umso schneller geht es auch wieder bergab. Man hangelt sich gefühlt von einer Übergangssaison zur nächsten, und auch wenn das Ziel Meisterschaft in der letzten Saison noch so nah schien, so rückt es in diesem Kalenderjahr wieder in weite Ferne.
Vielleicht braucht der BVB einen Neustart. Einen Resetknopf. Vielleicht müssen die Konsequenzen weitreichender sein als in den vergangenen Jahren. Vielleicht muss man für eine wirklich langfristige Veränderung, die den Verein wieder auf die richtige Spur bringen könnte, weiter oben ansetzen, um so Platz zu schaffen für neue Gedankenspiele, die einem erlauben, aus den alten Mustern, die letztlich immer noch von den Erfolgen der Vergangenheit geprägt sind, auszubrechen. Die Vergangenheit scheint für die Gegenwart toxisch zu sein, und so muss der BVB vielleicht beim großen Ganzen ansetzen, um sich von dieser zu lösen und sich selbst neu zu erfinden.
Der BVB braucht neue Impulse auf oberster Ebene. Doch am Ende wird sich nichts groß verändern, am Ende wird Favre entlassen. Es wird ein neuer Trainer verpflichtet, Spieler werden kommen und gehen. Aber eine langfristige Lösung ist nicht in Sicht, solange sich Watzke und Zorc auf Entscheiderebene im Kreis drehen. Paradebeispiele für die Rückwärtsgewandheit der sportlichen Führung zeigen sich in den Rückholaktionen oder auch Nostalgie-Transfers von Kagawa, Sahin, Götze und Hummels. Innovation sieht anders aus. Wahrscheinlich waren das mehr persönliche Gefälligkeiten aus vergangener Verbundenheit als rationale Entscheidungen zur Verbesserung des Kaders. Wobei man Hummels hier sicherlich aktuell ausklammern kann, aber eine langfristige Lösung ist auch seine Verpflichtung nicht, wenn man Alter und „Schnelligkeit“ bedenkt.
Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke haben wahrlich viel für den Verein geleistet. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, um den Staffelstab weiterzugeben? Und wer könnte dieser Rolle überhaupt gerecht werden? Fakt ist: Der BVB stagniert. Ein Trainerwechsel ist vergleichsweise leicht zu vollziehen, auch wenn der Markt nicht viele Optionen bietet. Ein Trainerwechsel führt auch oftmals kurzfristig zu Erfolg, allerdings scheint er auch nicht die langfristige Lösung zu sein, die der Verein braucht. Denn das Problem ist viel tiefer im Verein verankert. Und wenn man dieses nicht angeht, findet man sich in ein paar Monaten mit einem neuen Trainer, aber altbekannten Problemen wieder.