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Subotic-Entdecker Keith Fulk: „Neven ist aufrichtig und weiß wo er herkommt“ (Teil II)

10.05.2018, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Um einen verdienten Borussen gebührend zu verabschieden, bin ich 350 Kilometer durch Amerika gelaufen. Im G.T. Bray Park in Bradenton, Florida habe ich Keith Fulk (56) treffen dürfen. Den Mann, der Neven Subotic als Jugendlichen an genau diesem Ort entdeckte. Im zweiten Teil spricht Keith über seinen Kontakt zu Neven und erklärt, wieso er ihn für einen ganz besonderen Menschen hält. Außerdem spricht Keith über seinen ersten Besuch im Westfalenstadion, ein Training mit Jürgen Klopp und Duelle gegen den Vater von Christian Pulisic. Das Interview ist Teil einer gemeinsamen Abschiedsaktion: Ich bitte daher jeden Leser, die Spendenaktion zugunsten der Neven Subotic Stiftung zu unterstützen — jeder Euro hilft und fließt zu 100% an die Stiftung.

Neven wechselte recht schnell nach Mainz und dann auch schon zum BVB, bliebt ihr nach seinem Start in Deutschland weiter in Kontakt?

Ja klar, beispielsweise über Emails. Natürlich auch über die Nationalmannschaft, als wir dann in Europa waren. Auf jeden Fall habe ich ihn auch in Dortmund besucht und ein Champions League Spiel angesehen. Wir hielten also den Kontakt, wie er ihn auch zu allen Anderen hielt.

Weißt du seitdem auch mehr über den Verein Borussia Dortmund?

Ganz ehrlich, ich denke der BVB ist einer der besten, wenn nicht der beste Verein in Deutschland und auch weltweit ein Top-Verein. Ja, ich bin ein großer Dortmund-Fan geworden und Neven war soweit ich weiß der erste Amerikaner beim BVB und hat den Grundstein gelegt. Nun haben wir mit Christian Pulisic den nächsten und naja, wir sind hier alle große Dortmund Fans und werden es auch nach Nevens Wechsel immer bleiben.

Kommen wir mal weg vom Fußball, wie würdest du Neven auf persönlicher Ebene beschreiben?

Ich glaube, dass er ein großartiger Mensch ist. Neven ist aufrichtig und weiß wo er herkommt, daher ist er sehr bodenständig. Außerdem ist Neven ein sehr loyaler Mensch — loyal gegenüber seiner Familie, seinen Freunden und ich glaube er ist auch Dortmund gegenüber sehr loyal. Auch wenn er sehr jung war als wir ihn trafen, haben wir diese Qualitäten schon in ihm gesehen. Daher sind wir stolz auf seinen Werdegang.

Du erwähnst Bodenständigkeit, was wusstest du damals über sein Umfeld?

Ich habe seinen Vater persönlich kennengelernt, ein sehr hart arbeitender Mann. Ich glaube als ich ihn kennenlernte, hatte er drei Jobs. Das umschreibt Nevens Hintergrund in jungen Jahren ziemlich gut. Sein Vater war sehr dankbar für die Chance, die wir seinem Sohn gaben. Aber ich blieb immer dabei und sagte zu ihm und auch zu Herrn Klopp später — Neven verdient das! Er verdient es aufgrund seiner Bodenständigkeit, seiner Arbeitsmoral und seiner Einstellung. Wir haben ihm vielleicht ein bisschen geholfen, aber Neven war das alles selbst. Er hat das alles selbst erreicht.

Neven wird nicht nur aufgrund seiner sportlichen Karriere respektiert, sondern besonders auch aufgrund seiner menschlichen Qualitäten und dem Engagement der Neven Subotic Stiftung.

Ich finde das sehr beeindruckend und bin wirklich froh, dass wir uns jetzt treffen und ich mehr über die Stiftungsarbeit erfahre. Neven ist auch niemand, der das an die große Glocke hängt. Ich habe ihm heute Morgen noch eine Email geschrieben und würde gerne mehr tun, um die Stiftung auch aus den USA in irgendeiner Form zu unterstützen. Vielleicht schaffen wir es, auch in den USA mehr Leute einzubringen. Der Brunnenbau, die Unterstützung der Schulen und insbesondere der Kinder ist einfach bewundernswert. Auch dieses Engagement geht wieder darauf zurück, was für ein großartiger Mensch Neven ist.

Du arbeitest als Trainer weiterhin mit vielen jungen Spielern, wie wichtig findest du die Orientierung an Vorbildern?

Das ist ein extrem wichtiger Punkt und Neven ist vermutlich eines der besten Vorbilder, welches man sich nehmen kann. Das meine ich wirklich sehr ernst und sage es nicht nur so. Besonders in der Nationalmannschaft haben wir ihn später oft als positives Beispiel eingesetzt. Ich weiß, dass er auch in Dortmund vielen jungen Spielern geholfen hat und zum Beispiel Pulisic als Amerikaner unterstützt hat. Also, Neven ist ein tolles Vorbild und natürlich darf er gerne öfter nach Florida kommen (lacht). Aber wir verstehen natürlich, dass er viel zu tun hat und sich gerade auch mit der Stiftung viel einsetzt.

Du hast angesprochen, dass du Neven auch in Dortmund besucht hast?!


Ja, ich war zwei Mal dort, einmal habe ich mir ein Champions League Spiel angesehen, ich glaube gegen Donezk. Neven hat mir alles gezeigt, ich habe auch die Vereinsführung getroffen, mir das Trainingsgelände und auch das Training angesehen. Als ich hinter der Bande stand, hat Jürgen Klopp mich sogar zu sich auf den Platz gerufen — das war für mich etwas ganz besonderes. Herr Klopp ist wirklich fantastisch und sehr herzlich. Und natürlich habe ich auch das Stadion erlebt, das zu sehen war für mich der Wahnsinn. Ich hatte Gänsehaut, solch eine Atmosphäre erlebst du in den USA nicht. Manchmal habe ich anstatt des Spiels, die Gelbe Wand angesehen (lacht).

Wann hast du Neven denn zuletzt spielen sehen?

Ich habe ihn erst letztens beim Spiel St. Etienne gegen Paris im TV gesehen (Anmerkung: zum Gesprächszeitpunkt das aktuellste Spiel) und versuche so viele Spiele wie möglich zu schauen — ich bin nicht nur ein Freund, sondern auch ein Fan. Ich glaube sein Vertrag in Frankreich geht noch ein Jahr länger und ich versuche mal wieder eine Europareise zu planen und dann auch nach Frankreich zu fahren, um ihn live im Stadion zu sehen.

Wie wird man in den USA eigentlich so fußballverrückt?

Ich bin in den 60er und 70er Jahren mit der amerikanischen Fernsehsendung „Soccer made in Germany“ aufgewachsen. Gerd Müller, Sepp Maier, ich habe es genossen ihnen zuzusehen und von ihnen zu lernen. Der Besuch in Dortmund war wie ein wahr gewordener Traum. Ich komme aus Hershey, eine kleine Stadt in Pennsylvania und habe neun Jahre professionellen Fußball gespielt. Zu der Zeit gab es in den gesamten USA aber nur eine einzige Profiliga, die Major Indoor Soccer League — also Spiele in Hallen. Daher ist es jetzt toll zu sehen, wie Amerikaner in Europa gegen die besten Jungs spielen.

Jetzt ist mit Christian Pulisic der nächste Amerikaner in Dortmund. Wie ist sein Standing in den USA?

Ich denke er ist die Zukunft und schon jetzt einer der größten Sterne im US-Fußball. Er ist genau wie ich aus Hershey, Pennsylvania. Als er nach Dortmund ging war ich sehr aufgeregt ihn dort spielen zu sehen. Ich bin sehr gespannt auf seine Zukunft. Leider haben wir uns dieses Jahr nicht für die WM qualifiziert, ich glaube das hätte Pulisic in seiner Entwicklung geholfen. Aber er ist ein Top-Spieler und ich hoffe, er bleibt noch lange in Dortmund.

Er ist sehr jung, dennoch Stammspieler der Nationalmannschaft — ziemlich viel Druck oder?


Ja, ich glaube das ist eine große Verantwortung. Genau wie Neven hat er von zu Hause aber ein stabiles Umfeld. Seine Mutter war eine große College Fußballerin, sein Vater war ebenfalls ein starker Spieler, in der damaligen Profiliga habe ich sogar gegen ihn in der Halle gespielt. Ich glaube Christian Pulisic ist sehr klar im Kopf. Dortmund hat ihn gut ausgebildet und unterstützt. Nun spielt er in einer der stärksten Ligen der Welt und ich denke er ist ein Spieler, der den Unterschied machen kann.

Du arbeitest seit Jahren im US-Profifußball und hast auch in Deutschland einiges gesehen. Worin siehst du die größten Unterschiede?


Gute Frage. Ich glaube besonders die Strukturen der Vereine hier in den USA müssen sich verbessern. In Deutschland gibt es durch den Verband und die Nachwuchszentren einheitliche Standards. Die USA sind so groß und viele machen ein Stück weit was sie wollen. Naja, in Deutschland ist Fußball die Nummer eins, hier die Nummer fünf — das ist vermutlich unser Hauptproblem. Daher finde ich, wir in den USA müssten uns viel stärker am deutschen System orientieren. Besonders die strukturierte Talentförderung ist in Deutschland vorbildlich. Ein Hauptproblem ist außerdem, dass sich die körperlich besten Athleten in den USA meist für lukrativere Sportarten entscheiden.

Vor wenigen Wochen hat Zlatan Ibrahimovic sein erstes Spiel in den USA absolviert. Bewertest du solche Transfers positiv?

Ich glaube die Major League Soccer (MLS) hat sich zuletzt gut entwickelt. Wir an der Universität haben selbst auch drei Jungs aus Deutschland in der Mannschaft. Für diejenigen, die es in die MLS schaffen wollen ist es aber schwer, denn es gibt eine Kaderbegrenzung für ausländische Spieler. Wenn Vereine dann die Möglichkeit haben einen Ibrahimovic oder Schweinsteiger zu holen, ziehen sie diese Spieler vor. Ich selbst sehe solche Transfers positiv, denn jeder junge Spieler im Kader profitiert davon, mit einem Schweinsteiger zu trainieren, auch wenn er vielleicht nicht mehr topfit ist. Außerdem kommen die Leute für diese Spieler ins Stadion und die Kinder entdecken vielleicht ihre Begeisterung für den Fußball. So wird diese tolle Sportart hoffentlich größer, auch wenn wir Deutschland vermutlich nicht mehr einholen werden (lacht).

Wem drückst du denn bei der Weltmeisterschaft die Daumen?

Ich würde mich freuen, wenn Deutschland gewinnt — irgendwie habe ich mittlerweile eine besondere Beziehung zu Euch (lacht). Aber es wird natürlich nicht einfach.

geschrieben von Martin

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