Spätzle auf zweierlei Art
Wie verbringt man einen Spieltag gegen Stuttgart? Heute wurden unterschiedlichste Varianten ausprobiert und jeder muss wohl für sich selber bewerten, ob sich die Reise ins Ländle – trotz des Sieges - lohnte.
„Was in der Küche die Schabe, ist in Deutschland der Schwabe.“
(zugesprochen Konfuzius um 500 v. Chr.)
Spiele im gesamten Bundesland Baden-Württemberg sind eigentlich immer ein einziges Elend. Man ist immer Stunden unterwegs, um überhaupt erstmal im Idyll des Spießertums anzukommen. Dort benimmt man sich beim Fußball einmal „daneben“ und das muss jedem in näherer Umgebung auch lautstark mitgeteilt werden. Es gibt fast nichts nervigeres.
Das Spiel selber wurde im Vorfeld durch die Stuttgarter Fanszene eingeläutet, die ein weiteres Mal bewies, dass der Schwabe irgendwie nur bis zum eigenen Gartenzaun denkt. Während selbst Fanszenen aus Gelsenkirchen und Mönchengladbach „Kein Zwanni“-Vorlagen aus Dortmund aufnahmen und etwas im Sinne aller Gästefans bewegten, konnte oder wollte man in Stuttgart wieder einmal nicht über den eigenen Schatten springen und szeneinterne Animositäten außer Acht lassen. Schade drum, geht es bei „Kein Zwanni“ doch nicht nur um Dortmunder Interessen. Eine vernünftige Preispolitik rund um unseren gemeinsamen Lieblingssport sollte eigentlich im Interesse aller Fußballfans liegen. Aber die nächste Belehrung über Fankultur aus Stuttgart wird sicherlich bald folgen.
Dafür tauchte zum wiederholten Male diese Saison ein größerer Haufen Gästefans in Bad Cannstatt auf und das führte zu viel Betriebsamkeit bei der örtlichen Polizei. Denn auch die Stuttgarter standen bereits vor Ort und so war die Distanz zwischen den beiden Lagern nicht mehr allzu groß. Das Ende vom Lied war, dass rund 300 Fans aus Dortmund auf mehrere Polizeidienststellen verteilt wurden und dort bis Spielende in Gewahrsam blieben. Alles als präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr deklariert. Nach Aussage der Polizei lag keine strafbare Handlung vor, weswegen den Festgesetzten nichts mehr ins Hause stehen sollte. Es bleibt abzuwarten, ob die Polizei sich diesmal an ihre eigenen Worte hält. Garniert wurde die ganze Aktion auch wieder mit der Verweigerung, seinen Anwalt anzurufen oder stundenlanger Verwehrung der Notdurft.
Für das Spiel bedeutete es, dass ein erheblicher Teil des aktiven Kerns auf der Tribüne fehlte. Der BVB selber hatte es mit dem Stadion auch nicht allzu eilig und so plätscherte die Zeit vor dem Spiel recht ruhig vor sich hin. Bei dem nasskalten Aprilwetter gab es auch nicht wirklich etwas zu tun. Das spritfreie Bier war da nur ein weiteres Ärgernis für viele Fans, welches zu dem seit Jahren peniblen Ordnungsdienst passte.
Auf dem Platz ließ Thomas Tuchel wieder ordentlich rotieren und so gab es eine ungewohnte Startelf zu bewundern: Vor Roman Bürki reihten sich Piszczek, Sokratis, Ginter und Durm auf. Davor spielte Weigl dann als alleiniger Sechser mit Reus und Kagawa davor. Von außen spielten dann Jungstar Pulisic und der seit Monaten bärenstarke Mkhitaryan. Einzige Spitze war wieder Ramos, der die nächsten Spiele Aubameyang seiner Verletzung wegen vertreten wird.
Das Spiel startete mit einem engagierten VfB, dem aber jeder Schneid ausging, wenn man in die Nähe des Strafraums kam. Der BVB hingegen hielt sich recht souverän frei von Schaden und nutzte seine Möglichkeiten, um die Stuttgarter mit präzisen Schlägen in ihre Schranken zu weisen. Auf den Rängen war die Cannstatter Kurve stark gestartet und hielt dieses Niveau die ersten zehn Minuten. Danach flaute es etwas ab und insbesondere, wenn gepöbelt wurde, zeigte der dezimierte Gästeblock, dass er gegenhalten kann, wenn er gefordert wird.
Auf dem Platz konnte Mkhitaryan in der 21. Minute mustergültig auf Kagawa auflegen, der seinerseits nur noch einschieben brauchte und schon stand es 1:0. Danach spielte der BVB die Halbzeit locker runter und Tyton bekam noch ein paar Mal die Möglichkeit, sich auszuzeichnen. Mit dem Pausenpfiff ballerte Mkhitaryan dann noch einmal auf den Kasten und diesmal war es Pulisic, der den Abpraller locker einschob. So ging der BVB mit einem 2:0-Vorsprung entspannt in die Kabine.
In der zweiten Halbzeit scheiterten die bemühten Stuttgarter dann immer wieder an der Dortmunder Verteidigung. Dann kam die 56. Minute und einmal mehr war es wieder Mkhitaryan, der mit einem satten Schuss den gerade angestimmten Schmähgesang der Cannstatter Kurve verstummten lies. Nun war das Spiel durch: Der Stuttgarter Anhang wollte nicht mehr, der BVB-Block konnte ohne die Fehlenden nicht so recht und die Spieler auf dem Feld machten bei der souveränen 3:0 Führung auch einen Haken hinter das Spiel. Es konnte also eingepackt werden und gegen 19 Uhr waren auch die letzten auf den langen Rückweg nach Dortmund.
Doch nicht nur im Stuttgarter Stadion wurde unser Auswärtssieg verfolgt. Gemeinsam mit 17 jungen Geflüchteten vom Projekt „Willkommen im Fußball“ verfolgte ein Teil unserer Redaktion das Spiel im BVB-Lernzentrum des Westfalenstadions. Waren die ersten Minuten der Begegnung noch von höflichem Abtasten geprägt, dauerte es nicht einmal eine Halbzeit lang, bis das Eis gebrochen war und man sich über das Spiel austauschte, gemeinsam die Mannschaft anfeuerte und die schwatzgelben Tore bejubelte. Auch unser Tippspiel erfreute sich dabei großer Beliebtheit. Nach jedem Tor stürmten die Jungs die Tippspielwand und sortierten die ungülig gewordenen Tipps aus. Dass man dem BVB dabei viel zutraute und auch die letzten Spiele verfolgt hatte, zeigte die Häufung der Tipps mit 2:0 und 3:0- Ergebnissen. Gleich sechs von 17 Tippern hatten das richtige Endergebnis getroffen und so musste letztlich gelost werden, wer von ihnen den begehrten Hauptgewinn in Form eines BVB-Fußballs mit nach Hause nehmen durfte. Die Duelle um den Ball gingen auch in der Halbzeitpause und nach Spielende weiter, diesmal am Kickertisch oder in kleiner Runde mit dem Softball, bis dann irgendwann die Pizza eintraf und wir den Nachmittag mit einer kleinen Stärkung in gemütlicher Runde ausklingen lassen konnten.
Schön war auch zu sehen, wie sehr selbst unser leeres Stadion und die graue Süd eine Faszination auf die Jungendlichen, die zum Teil das erste Mal im Westfalenstadion standen, ausüben kann. Immer wieder zog es sie an dem Nachmittag auf die Tribüne und es wurden zahlreiche Erinnerungsfotos geschossen. Wir hoffen, sie den Jungs demnächst auch einmal in voller Besetzung zeigen zu können. So manche Fankarriere hatte schließlich genau hier ihren Anfangspunkt.
Alle Beteiligten waren sich jedenfalls einig, dass es ein rundum gelungenes Zusammentreffen war und wir das in der neuen Saison unbedingt wiederholen müssen. An dieser Stelle bedanken wir uns beim Lernzentrum und dem Projekt „Angekommen in Deiner Stadt“ auch für die gute und unkomplizierte Zusammenarbeit. Und den Jungs dafür, dass sie so tolle Gäste waren!