Enttäuschende Polizeitaktik: Nazis im Schatten des Westfalenstadions
Samstag war kein guter Tag für die Stadt Dortmund. Hunderte Neonazis zogen mitten durch die Innenstadt und skandierten ihre fremdenfeindlichen Parolen. Kein gutes Gesicht machte dabei die Dortmunder Polizei, die den Rechten grundlos eine dankbare Bühne gab.
„Wir glauben eine Örtlichkeit für die Rechten gefunden zu haben, die akzeptabel für die Dortmunder Bevölkerung ist“, hatte Polizei-Einsatzleiter Dieter Keil noch am Freitag auf einer Pressekonferenz verlauten lassen. Doch nicht nur BVB-Fans dürfte die tatsächliche Wahl der Demo-Route und des Ortes der Abschlusskundgebung verwundert zurückgelassen haben: Die Polizei gewährte den Neonazis nicht nur eine Demonstration mitten durch die Wohngebiete der südlichen Innenstadt, sondern auch eine abschließende Musikveranstaltung im Schatten des Westfalenstadions, auf dem Parkplatz C1 hinter der Helmut-Körnig-Halle. Außerdem führte sie die Nazis durch die B1-Unterführung der Hohen Straße. Durch jenen Tunnel, dessen Durchquerung die Polizei Dortmund zwei Wochen zuvor noch BVB-Fans entgegen anderslautender Absprachen untersagt hatte, weshalb die „Not for Sale“-Demonstration vor dem Heimspiel gegen Köln vorzeitig beendet werden musste. Der Frust bei Verein und Fans ob Pläne der Polizei am Samstag ist groß.
Denn sie boten den Rechten unverhoffte Möglichkeiten der Selbstinszenierung zwischen zwei der bekanntesten Dortmunder Bauwerke: Westfalenstadion und Florian. An wenigen Orten der Stadt lassen sich eindrucksvollere Fotos schießen als vor den leuchtend-gelben Pylonen unseres Stadions, die in den Abendhimmel ragen. Wie groß bei den Rechten die Freude über die Entscheidung der Polizei war, kann man auf einschlägigen Seiten nachlesen. Dessen musste sich die Polizei im Vorfeld bewusst gewesen sein. Dennoch ermöglichte sie die symbolische Verbindung zwischen einer rechtsextremen Veranstaltung und dem Stadion als Heimat von Borussia Dortmund – und fällt dem Verein und seinen Fans damit in den Rücken.
BVB knipst den Rechten das Licht aus
Schließlich hat der BVB in der Vergangenheit zahlreiche Aktionen ins Leben gerufen, um sich ein nachhaltiges antirassistisches Selbstbild zu geben. Jüngst erntete die „Kein Bier für Rassisten“-Kampagne auf Initiative der Fanabteilung internationales Echo. Und nur dem Verein ist es zu verdanken, dass Bilder wie die oben genannten am Samstag nicht entstehen konnten. Er knipste kurzerhand die Stadionbeleuchtung aus und ließ die Nazis im Dunkeln stehen. Mithilfe einiger engagierter Fans wurde spontan ein Banner mit der Aufschrift „Fußball und Rassismus passen nicht zusammen“ an die Außenfassade der Osttribüne und damit in Richtung Kundgebungsort aufgehangen.
Am Ende hinterlässt das Handeln der Polizei viele Fragezeichen. Warum hat sie den Rechten mit der Wahl der Route und des Ortes der Abschlusskundgebung so sehr in die Karten gespielt? Dortmund ist doch groß genug. Warum nicht das Hafengelände? Theoretisch war die Idee, die Kundgebung auf einem der Parkplätze zwischen Westfalenstadion und Westfalenpark stattfinden zu lassen, nicht mal schlecht. Doch warum nicht auf einer Fläche, die weiter abgelegen ist? Zum Beispiel auf den Parkdecks D1, F1, F2 oder F3. So aber wird man den Eindruck nicht los, dass es der Polizei Dortmund mindestens egal ist, ob die Nazis ihre Veranstaltung als Erfolg verkaufen können. Eigentlich kann und möchte ich mir nicht vorstellen, dass einer Behörde, welche den Schutz des Rechtsstaats auf ihrer Fahne stehen hat, dies gleichgültig ist.
Und wieso dürfen ausgerechnet Neonazis eine Route laufen, die Fußballfans zwei Wochen zuvor verwehrt wurde? Damals mit der dünnen Begründung, der – zu diesem Zeitpunkt wohlgemerkt für Verkehr gesperrten – B1-Unterführung mangele es an einem Abluftsystem. Hat sich das binnen 14 Tagen geändert? Oder war der Grund damals tatsächlich nur vorgeschoben? Weshalb spricht die Polizei Neonazis mehr Rechte zu als Fußballfans? Hält sie Letztere etwa für gefährlicher? Vor diesem Hintergrund ist den eigenen Leuten schwer zu vermitteln, dass die Polizei ihrerseits an einem beidseitigen Konfliktabbau interessiert sei.
Dem BVB und seinen Fans ist sie jedenfalls einige Antworten schuldig.
Ferdinand, 30.03.2015