Eua Senf

Dortmunder auf Umwegen

27.12.2014, 14:44 Uhr von:  Gastautor
Unser Winter-Neuzugang Kevin Kampl (Foto: Werner100359, Lizenz: Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication)

Zuletzt hatte Kevin Kampl das gelbe Trikot als kleiner Junge getragen. Auf der Vereinswebsite wurde sein Wechsel mit einem Foto seiner Einschulung verkündet. Stilecht im BVB-Shirt mit Borussia-Schultüte, das volle Programm. Nun ist es an ihm, zu zeigen, dass er das Trikot auch am Spielfeld tragen kann.

"Kevin Kampl ist ein im offensiven Mittelfeld vielseitig einsetzbarer Spieler, den wir schon sehr lange beobachten. Mit seiner Spielweise passt er ausgezeichnet in unser Anforderungsprofil." Das sagt Michael Zorc über die Neuerwerbung der gebeutelten Borussia. Für einen Spieler, der aus der österreichischen Bundesliga in die erste deutsche Liga wechselt, ist das nahe am Ritterschlag. Aber Kampl war kein beliebiger Bundesligakicker. Vielmehr kann man von großem Glück sprechen, dass er zweieinhalb Jahre Österreichs Fußballplätze beackerte.

Die 12 Millionen Euro Ablöse, seine Ausstiegsklausel, sprechen für sich. Für hiesige Verhältnisse ist das eine Fantasiesumme. Wenn man bedenkt, dass ligaintern, mit Ausnahme von RB Salzburg, selten über eine Million Euro für einen Spieler ausgegeben werden. In diesem Zusammenhang ist es also auch kein Zufall, dass er beim Branchenkrösus Salzburg unter Vertrag stand.

Kampl durchlief die gesamte Jugend von Bayer Leverkusen. Dort konnte er sich aber nicht durchsetzen, wurde an Greuter Fürth verliehen, um schließlich 2011 bei Osnabrück zu landen. Eine Saison Dritte Liga später folgte ein skurriles Transferfenster. Der VfR Aalen holte Kampl um 250.000 Euro, um ihn drei Zweitligaspiele später um drei Millionen Euro nach Österreich ziehen zu lassen. Viel Geld für einen weitgehend unbekannten slowenischen Nachwuchsnationalspieler. Aber Kampl sollte alle Zweifler Lügen strafen. Er wurde der wohl beste Spieler der österreichischen Liga. Aber diese Einschätzung legitimiert diesen außergewöhnlichen Wechsel zur Borussia und die verhältnismäßig hohe Ablöse noch nicht. Man kann vom Werksteam des Getränkeherstellers halten was man will, aber die Salzburger haben in den letzten zweieinhalb Jahren unter der Regie von Sportdirektor Ralf Rangnick eine neue Spielkultur in Österreich etabliert. Und Kampl war maßgeblich daran beteiligt.

Kevin Kampl gegen Fenerbahce Istanbul (Foto: Werner100359, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

Die Spielanlage erinnerte in der Vorsaison unter dem nunmehrigen Leverkusen Trainer Roger Schmidt stark an die Glanzzeiten der Borussia. Hemmungsloses Offensivpressing, schnelles, vertikales Spiel – Attribute, die Salzburg in der letzten Europa League Saison ausmachten. Der Gipfel des Salzburger Erfolgslaufs war die Galavorstellung in der Zwischenrunde auswärts bei Ajax Amsterdam. Kampl dazu bei Sky Sport News HD: „Wir waren wie Raubtiere und haben ihnen keine Luft zum Atmen gelassen.“ Das klingt schon stark nach der Borussia. Und lässt einen wehmütig an vergangene Zeiten denken, die noch gar nicht so lange her sind.

Kevin Kampl ist am Spielfeld ein Arbeiter mit außergewöhnlichem Spielverständnis und herausragender Technik. Diese Fähigkeiten haben ihn in Österreich vom Rest abgehoben.

Kampl gab sich in Salzburg stets publikumsnah, er war einer der letzten Typen der Liga, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn. In Dortmund wird er wohl schon bald mit Pierre-Emerick Aubameyang beim Friseur sitzen und natürlich fährt Kevin Kampl auch ein dickes Auto. Klingt alles sehr nach modernen Profi. Sein blondierter Hahnenkamm und seine wöchentlich wechselnden Frisuren täuschen vielleicht über vieles hinweg, aber Kampl ist dabei immer authentisch geblieben. Seine Einschätzungen nach Spielen kamen nie gekünstelt daher, seine Bodenständigkeit war immer ehrlich. Vielleicht eine Eigenschaft, die der Sohn slowenischer Einwanderer am Bolzplatz in Solingen gelernt hat.

Foto mit einem jungen Fan (Foto: Werner100359, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)
Zuletzt war er nach dem 3:1 Auswärtssieg der Salzburger von der Atmosphäre des halbvollen Celtic Parks beeindruckt. Man darf gespannt sein, wie es ihm geht, wenn er seinen ersten Heimsieg mit der Borussia vor der Südtribüne feiert. Aber es wird ihm wohl gefallen. Und vielleicht kommen auch kindheitliche Gefühle in ihm auf: „Ich war früher wirklich BVB-Fanatiker, für mich geht ein Riesentraum in Erfüllung, bei so einem Verein zu spielen.“ Klingt nach einem wahrgewordenen Traum. Nur diesmal ohne Schultüte, dafür mit Abstiegskampf.

geschrieben von Johannes Hofer

Johannes schreibt für das österreichische Fußballmagazin ballesterer und arbeitet für Sky Sport News HD.

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