Finalgeschichten
Es ist so weit. Der Tag naht. Alle stehen zusammen hinter dieser Elf, die wieder einmal, trotz immenser Ausfälle, eine Saison gespielt hat, die uns letztlich oben festsetzt und zwar ganz oben.
Ein Spiel, Leistung auf den Punkt, sich völlig zerreißen. Das können wir und das können auch die Jungs auf dem Grün... diese Kopfmonster, vor denen jede scheiß Spitzenmannschaft in Europa gezittert und eine ganz große arg gewankt hat.
Es brennt und zwar lichterloh. Als Fan mit Ticket ist es nicht schwer zu sagen, wo man am liebsten wäre an diesem 17. Mai 2014. Als Supporter ohne schon. Ausverkaufte Westfalenhalle, Friedensplatz, jede Kneipe, jedes Wonzimmer und jede WG-Küche in Dortmund und Berlin werden ein Olympiastadion sein. Jeder kennt diesen einen Bayernfan, der immer mitguckt und merkt, dass wir nicht mitgucken, wir spielen mit. Mit unseren Köpfen und unseren Kehlen.
Was in diesem Stadion passieren wird, weiß niemand, aber was jeder jetzt schon weiß, er darf sich darauf arg freuen.
Leider haben nur wenige das Privileg, live dabei zu sein und ich weiß, wie das ist. Dieses Jahr habe ich das große Glück, in diesen Sonderzug zu steigen, aber nicht nur aus London weiß ich, wie wichtig alle für das große Ganze sind.
Wenn man zurückdenkt an dieses andere Finale auf der Insel hat jeder sofort ein Bild im Kopf. Kein Bild vom Spiel oder einer Situation. Ein Bild von sich, wo er war, was er fühlte, was passierte.
Ich war in einer Bar in London Ealing.
Dieses ominöse Fanfest, was organisiert wurde und keiner so recht wusste, was da eigentlich passiert. Erst recht wussten aber spätestens die Veranstalter bei Anpfiff nicht, was sie da ins Rollen gebracht hatten.
Nicht nur die panischen Blicke der Damen hinter der Bar, auch den Sicherheitsviktorikpebas war im ersten Moment wohl sehr unwohl. Ich bin nun wirklich ein Kneipenveteran, was Fußballspiele angeht, aber diese 90 Minuten in der 'Flavas Lounge' zu Ealing bleiben absolut unvergessen.
Zwei britische Jünglinge versuchten immer wieder, unsere Fangesänge mitzusingen und nach drölfzig Bier auch endlich anzustimmen. Einer von beiden lebt mittlerweile in Deutschland und freut sich wie ein Schnitzel auf Dortmund und das Westfalenstadion.
Aber wirklich dramatisch wurde es nach Abpfiff, als keiner mehr diesen Fußball verstehen wollte. Man hatte hunderte Leute in 90 Minuten schwatzgelb assimiliert und auf einmal war alles so falsch.
Viele hätten in diesem Moment wohl gedacht: "Egal, schade und tschüss", aber als nicht nur bei mir nach einigen Minuten die Tränen flossen und sich mannshohe Kerle mit roten Augen in den Armen lagen und "You'll never walk alone" sangen, verstanden alle die, die vorher nicht verstanden hatten.
Ich werde niemals diese Blicke vergessen, die einfach nur sagten: "Scheiße, das war echt nicht nur Fußball für die."
Ob irgendein Pipi Lahm sich mit seinen T-Rex-Ärmchen einen Bruch an dem scheiß Pokal hebt, war so egal. Diese Jungs aus Dortmund, die hier waren und für die dieser Tag alles war, das faszinierte.
Als bitterer persönlicher Höhepunkt folgte dann die Auslosung der Tombola, bei der man für zwei Mark ein Los kaufen konnte und als Hauptpreis ein handsigniertes Trikot gewinnen sollte.
Für mich gab es in diesem Moment nichts nebensächlicheres als dieses Trikot, aber letztendlich waren es die englischen Jungs, die uns sagten: "...at least you'll win the fuckin jersey!"
Vielleicht habe ich einen zu großen Drang zu dramatischen Momenten, aber wie schon Thees Uhlmann für den kleinen großen FC St. Pauli sang: "...Das hier ist Fußball, das hier sind Dramen..."
Letzten Endes habe ich das Trikot natürlich gewonnen und musste es mit roten verquollenen Augen entgegennehmen. Es ist in meiner Trikotsammlung eines meiner Liebsten geworden.
Das aus einer Geschichte und nicht aus einem Fanshop und darum geht es, Geschichten.
'Life is about people you meet' ist einer dieser Sprüche, aber es ist so. Mit den richtigen Menschen ist es egal, wo ihr steht. Ob gegen Real Madrid auf dieser wahnsinnigen Nordtribüne, alle zwei Wochen auf der Süd, in unseren Auswärtsblöcken oder mit Opa im Wohnzimmer.
Macht das Finale, egal wo, zu eurem, zu unserem!
geschrieben von Felix
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