Helden in schwatzgelb

Mach es gut, Timo!

13.03.2012, 14:30 Uhr von:  Redaktion
Mach es gut, Timo!

Im Vordergrund reißt Lothar Emmerich beide Hände in die Luft, der Bremer Keeper Klaus Lambertz liegt mit dem Gesicht in Richtung Tor, unweit von ihm breitet Timo Konietzka seine Arme zum Torjubel aus und dreht elegant über einen am Boden liegenden Bremer Spieler. Es ist der 24.August 1963. Die Bundesliga hat bereits nach 58 Sekunden ihren ersten Torschützen - Friedhelm "Timo" Konietzka, geboren am 02. August 1938 in Lünen.

Konietzka hat das erste Tor der Bundesligageschichte geschossen. Die Fotografen, so geht die Überlieferung, hatten sich größtenteils hinter dem Dortmunder Tor platziert, das TV hatte die Szene ebenfalls nicht im Kasten. So bleibt der erste Treffer der Ligageschichte in diesem ikonenhaften Bild festgehalten. Erzählt man die Geschichte der Borussia, erzählt man auch immer die Geschichte des ersten Ligatreffers. Es sind die Bilder, die sich in die Erinnerung einbrennen:

Lars Ricken, im Moment nach der Ballberührung, die Arme gestreckt. Kutte mit Turban. Der flatternde Hummels-Jubel gegen München. Norbert Dickel in Berlin. Frank Mill allein vor dem Tor, Nuri Sahin als Balljunge, Adi Preißler mit der Meisterschale, mit stolzer Brust auf den Schultern seiner Mannschaft, Jürgen Kohler auf der Torlinie, die Tränen des Fleming Povlsen und Emma und Timo 1963 in Bremen.

1958 wechselte Friedhelm Konietzka von seinem Stammverein VfB Lünen 08 an die Strobelallee. Dort kickte er bis 1965, und entwickelte sich zu einem der gefährlichsten Stürmer Deutschlands. Im Jahre 1963 wurde die Borussia der letzte Deutsche Meister vor Einführung der Bundesliga. In den fünf Jahren vor der Bundesliga erzielte Konietzka 92 Tore in insgesamt 118 Einsätzen, in den beiden nachfolgenden Spielzeiten erzielte er in nur 53 Spielen 42 Tore für die Borussia. Nach Ablauf der Spielzeit 1964/1965 wurde Konietzka ein Löwe. Bei seinem ersten Auftritt für 60 gelang ihm das Kunststück erneut das erste Saisontor zu schießen. Diesmal war es im Derby gegen die frisch in die Liga aufgestiegenen Bayern. Mit den Löwen wurde Konietzka zum zweiten Mal Deutscher Meister.

Vielleicht frustriert von einer sechsmonatigen Sperre, die eine angebliche Attacke auf den Schiedsrichter der Partie 1860 München gegen Borussia Dortmund nach sich zog, wechselte Konietzka im Jahr 1967 in die Schweiz. Eine Entscheidung, die sein weiteres Leben maßgeblich beeinflusste. Nachdem seine Karriere langsam ausgeklungen war, erzielte er als Trainer in der Schweiz bis in die frühen 80er zahlreiche Erfolge. So führte er den FC Zürich 1977 ins Halbfinale des Europapokal der Landmeister. Dort mussten sich die Zürcher dem FC Liverpool geschlagen geben. Sein Gastspiel an der Dortmunder Seitenlinie endete im Jahr 1984 nach nur vier Monaten. Auch die Trainerlaufbahn ging langsam ihrem Ende entgegen. Konietzka, der nun endlich den Namen Timo angenommen hatte, wurde 1988 Schweizer Staatsbürger.

Es war der Bürstenhaarschnitt, der Konietzka seinen Spitznamen Timo einbrachte. BVB-Archivar Gerd Kolbe erzählt dazu gerne die folgende Anekdote: „Der Name Timo war in Deutschland völlig unüblich. Lediglich in Skandinavien kam der Name hier und da mal vor. Aufgrund seiner Ähnlichkeit zum sowjetischen Verteidigungsminister Timoschenko wurde Friedhelm Konietzka von seinen Kollegen 'Timo' gerufen. Irgendwann freundete sich Konietzka mit seinem Spitznamen an und wollte diesen auch offiziell tragen dürfen. Der Legende nach klapperte Konietzka daraufhin die Ämter ab und sorgte dafür, dass der Name Timo auch in Deutschland zugelassen wurde. So darf heute jeder Timo auf einen berühmten, schwarzgelben Namensgeber zurückblicken.“

Mit seiner Frau Claudia, die er im Interview mit den Ruhr Nachrichten als „besten Transfer seines Lebens“ bezeichnete, betrieb er am Vierwaldstättersee ein Gasthaus. Hin und wieder zog es ihn noch nach Dortmund. Doch seinen Lebensmittelpunkt hatte Konietzka komplett in die Schweiz verlagert. Als Botschafter unterstützte er die Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit. In mehreren Interviews erklärte er, dass er sich nicht den Qualen einer tödlichen Krankheit, nicht dem langsamen Verlust seiner Erinnerung aussetzen würde. In eindringlichen Interviews trat er für einen selbstbestimmten Todeszeitpunkt ein.

Am Montag, dem 12.03.2012, entschied sich Timo Konietzka, seinem Leben mit Hilfe der Sterbehilfeorganisation Exit ein Ende zu setzen. Er war schwer erkrankt. Am kommenden Samstag tritt Borussia Dortmund gegen Werder Bremen an. Wir werden auf der Tribüne stehen und das Bild vor unseren Augen haben. Damals als Emma die Arme hochriss und Konietzka jubelnd abdrehte. Vielleicht sehen sie uns, dort wo sie jetzt sind. Mit Timo Konietzka geht eine mutige Legende der Dortmunder Vereinsgeschichte.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel