Quo vadis Regionalliga?
Es ist nicht zu übersehen, dass die vierthöchste Spielklasse im deutschen Fußball, die in dieser Saison auch wieder Borussia Dortmunds Amateure beheimatet, von erheblichen Problemen geplagt wird. Nachlassendes Zuschauerinteresse und damit einhergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten der teilnehmenden Vereine werden vielfach beklagt. Dies hat dazu geführt, dass es z.B. im Westen nach der letzten Saison keinen sportlichen Absteiger gegeben hat, weil mit RWE, Waldhof Mannheim und dem Bonner SC drei Vereine die Segel streichen mussten und aufgrund Insolvenz oder fehlender Liquiditätsnachweise keine Lizenz mehr bekamen.
Zuletzt wurden verschiedene Reformmodelle ins Spiel gebracht, jedoch sind die Interessen der Profiklubs, die mit ihren U23-Reserven in der Regionalliga antreten und der "Amateurklubs", deren erste Mannschaften dort spielen, kaum unter einen Hut zu bringen. Zeit um die aktuelle Situation einmal zu beleuchten, die verschiedenen Verbesserungsansätze darzustellen und auf ihre Tauglichkeit zu prüfen.
Die aktuelle Situation
Seit der Einführung der eingleisigen dritten Liga zur Saison 08/09 ist die Regionalliga mit drei Staffeln (Nord, Süd, West) vierthöchste Spielklasse im deutschen Fußball. Die Zuständigkeit für die Regionalliga wurde nicht bei den Regional- und Landesverbänden angesiedelt, sondern als Bundesspielklasse direkt beim DFB, um so einen bundesweit einheitlich geregelten Unterbau der 3 Profiligen zu schaffen.
Die Regionalliga West startete mit 8 Zweitvertretungen und 10 "Amateurvereinen", aktuell hat sich das Verhältnis umgekehrt. In den beiden anderen Staffeln ist die Verteilung nahezu gleich geblieben (Nord: 6 Zweitvertretungen/12 "Amateure", Süd 9/9). Nach drei gespielten Saisons lässt sich daraus natürlich noch kein wirklicher Trend ableiten, aber es bleibt festzuhalten, dass es bislang keine gravierenden Veränderungen in der Zusammensetzung der Regionalligen gegeben hat. Die Zahl der Zweitvertretungen ist nur leicht gestiegen.
Um die Regionalliga näher an die dritte Liga heran zu führen, wurden wirtschaftliche und technisch-organisatorische Zulassungsvoraussetzungen aufgestellt, die von den "Amateurvereinen" immer wieder als Grund ihrer finanziellen Probleme angeführt werden. So ist unter anderem ein Stadion mit einer Mindestkapazität von 5.000 Zuschauern (mindestens 1.000 Sitzplätze, davon mindestens die Hälfte überdacht) und eine fernsehtaugliche Flutlichtanlage erforderlich. Sicher etwas fragwürdig vor dem Hintergrund, dass der Zuschauerschnitt z.B. in der Regionalliga West letzte Saison bei 1.669 lag, wobei da noch der Krösus RWE mit einem Schnitt von fast 6.000 Zuschauern und Saarbrücken mit einem Schnitt von knapp 5.000 Zuschauern vertreten waren. Diese Saison liegt der Schnitt im Westen bislang bei rund 1.000 Zuschauern, wobei auffällt, dass der BVB als einzige U23 eine überdurchschnittliche Zuschauerzahl aufweisen kann (Platz 4 der Rangliste), während von den letzten 10 Plätzen der Zuschauertabelle 9 von Zweitvertretungen belegt werden.
Zudem sind ein hauptamtlicher Geschäftsführer und ein hauptamtlicher Finanzverantwortlicher verpflichtend. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vereine wird vom DFB geprüft und sollte diese als zweifelhaft bewertet werden, können den Vereinen Auflagen, wie z.B. die Bereitstellung einer Liquiditätsreserve oder einer entsprechenden Bankbürgschaft auferlegt werden. Demgegenüber verzichteten die Profiklubs bei Einführung der dritten Liga darauf, ihre Zweitvertretungen weiter am DFB-Pokal teilnehmen zu lassen und auf ihren Anteil an den TV-Einnahmen der Regionalliga und dritten Liga.
Angesichts von Lizenzentzügen bzw. Insolvenzen von Regionalligisten und dem wiederholten Verzicht sportlich qualifizierter Oberligisten auf ihr Startrecht in der Regionalliga sind die Probleme für die "Amateurklubs", in dieser Spielklasse finanziell zurecht zu kommen, nicht von der Hand zu weisen.
Doch wo liegen die Ursachen? Einerseits sind die Probleme gerade der "Amateurvereine" mit größerer Vergangenheit und entsprechendem Anspruchsdenken in Führungsebene und Umfeld oftmals hausgemacht. Rot Weiss Essen bietet dafür ein anschauliches und trauriges Beispiel: Immer wieder wurde versucht, den kurzfristigen sportlichen Erfolg mit finanziellen Kraftakten zu erreichen und wenn er ausblieb, stand man vor einem Scherbenhaufen. Auch andernorts hat die Kombination von überzogenen Erwartungen und überforderten Vorständen dazu beigetragen, Vereine zu ruinieren.
Andererseits stellt die Zwitterposition der Regionalliga als Scharnier zwischen Amateur- und Profifußball die Vereine auch vor große Herausforderungen. Die Zulassungsvoraussetzungen zwingen sie in vielen Bereichen auf Profi-Niveau zu arbeiten, während es schwer fällt, in der vierten Liga entsprechende Einnahmen zu erzielen.
Drittens ist noch die hohe Zahl an Zweitvertretungen in der Regionalliga mit ursächlich für die Probleme der "Amateurvereine". Die Reserveteams werden als Anhängsel der Profimannschaften durch deren Einnahmen und Infrastruktur mitgetragen, während sie zumeist eine geringe Anhängerschaft zu Auswärtsspielen mitbringen und als Gegner auch wenig motivierend auf das Heimpublikum wirken. So konnte z.B. RWE letzte Saison am dritten Spieltag gegen den Traditionsverein aus Saarbrücken 7.553 Zuschauer begrüßen, während es beim nächsten Heimspiel gegen Düsseldorf II "nur" 6.600 Zuschauer waren. Der BVB II stellt hier mit seinen reisefreudigen "Ultras von die Amateure" eine rühmliche Ausnahme dar. Jedoch motivieren auch viele "Amateurteams" vom Schlage Lotte, Elversberg oder Verl nicht gerade viele Anhänger zu Auswärtstouren.
Zudem wird es den Fans der Zweitvertretungen auch häufig systematisch unmöglich gemacht, die Mannschaft zu begleiten, indem die Spiele wegen vorgeblicher Sicherheitsbedenken parallel zu denen der Profimannschaft angesetzt werden. Denn so sehr man sich auch für die Spiele der eigenen U23-Reserve begeistern mag, die erste Mannschaft geht dann doch bei allen vor. Diese völlig verfehlte Politik wird wieder einmal durch die Ansetzung der Spieltage 14-19 der Regionalliga West dokumentiert. Von diesen 6 Spielen der BVB-Reserve sind 4 parallel zu Bundesligaspielen der Profis angesetzt, so dass es dem geneigten BVB II Supporter nur möglich sein wird, die Heimspiele gegen Gladbach II und Köln II zu besuchen.
Obwohl sich die Fans der BVB Amateure auf Reisen weitgehend tadellos verhalten, wird es ihnen durch diese Ansetzungen weitgehend unmöglich gemacht, die Spiele der Reserve zu besuchen. Die entsprechenden finanziellen Einbußen für die Heimvereine werden dabei in Kauf genommen. Erstaunlich, dass man aus den Reihen der "Amateurvereine" noch keinen Protest über diese Praxis gehört hat. Allerdings scheint dieses Problem auch im Kreis der für die Zweitvertretungen Verantwortlichen nicht wirklich wahrgenommen zu werden, denn man sitzt ja in den entsprechenden Gremien, ohne dort seinen Einfluss für die eigenen Anhänger geltend zu machen.
Unter diesen Umständen ist es natürlich auch schwer bis unmöglich für die Zweitvertretungen, sich eine Fanbasis zu erarbeiten, die der von „Amateurklubs“ entspricht, die keine Konkurrenz durch eine Profimannschaft haben. Die Zuschauerzahlen sind demgemäß auch durch die ständigen Parallelansetzungen verfälscht.
Die Reformvorschläge
Aus dem Lager der Amateure wurden im Vorfeld des Freitag stattfindenden DFB-Bundestags zwei verschiedene Reformanträge angekündigt.
Der westdeutsche Fußballverband will an der dreigleisigen Regionalliga festhalten, jedoch die Zweitvertretungen in eine eigene Staffel ausgliedern. Der Meister dieser Staffel soll in die dritte Liga aufsteigen, aus der dann jeweils die schwächste Zweitvertretung absteigen müsste, unabhängig davon, auf welcher Tabellenposition sie sich befindet. Dieser Antrag kommt der vielfach aus den Reihen der Amateurklubs erhobenen Forderung nach einer eigenständigen Reserverunde am nächsten.
Für die Profiklubs ist dieser Antrag aus dem Grund unannehmbar, dass sie eine Ausbildung ihrer Talente unter Wettkampfbedingungen für unerlässlich halten. Dies ist nach ihrer Auffassung nur dann möglich, wenn sie im regulären Ligenbetrieb um Auf- und Abstieg kämpfen müssen.
Der bayerische Fußballverband fordert gar die völlige Abschaffung der Regionalliga in ihrer bisherigen Form. An ihre Stelle soll eine vierte Spielklasse in 8 Staffeln mit je höchstens 6 Zweitvertretungen treten. Hier spielt sicher die Sehnsucht nach der alten Bayernliga eine große Rolle. Aus diesen 8 Staffeln sollen 4 Aufsteiger in die dritte Liga hervorgehen (3 Amateurklubs und eine Zweitvertretung). Die Zahl der Zweitvertretungen in der dritten Liga soll auf 4 beschränkt werden.
Hier stellt sich schon die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, unter den Meistern der 8 Staffeln noch eine Endrunde um den Aufstieg ausspielen zu lassen. Zudem ist fraglich, wie die Beschränkung auf 6 bzw. 4 Zweitvertretungen für die Zukunft sichergestellt werden soll, ohne dass die fünfthöchste Spielklasse zu einem Auffangbecken für die Zweitvertretungen verkommt.
Der Gegenantrag der Profivereine sieht demgegenüber vor, dass auch die Zweitvertretungen wieder am DFB-Pokal teilnehmen sollen. Dabei scheint es sich aber eher um eine Drohkulisse zu handeln, denn von DFL-Präsident Rauball wurde letzte Woche ein "5-Punkte-Solidarpakt- Regionalliga" als Kompromissvorschlag unterbreitet.
Die für eine Reform erforderliche Satzungsänderung kann nur im Einvernehmen von Profi- und Amateurvertretern verabschiedet werden, da dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist. Der Kompromissvorschlag der DFL scheint sich nun im unmittelbaren Vorfeld des DFB-Bundestags als tragfähig für alle Seiten heraus zu kristallisieren. Er sieht vor, die Anzahl der Regionalligastaffeln von 3 auf bis zu 5 zu erhöhen. Zudem sollen die Zulassungsvoraussetzungen herabgesenkt werden und der DFB soll verpflichtet werden, die Gelder, die durch den Verzicht der Profiklubs auf ihren Anteil an den Fernsehgeldern in der Regionalliga und die Teilnahme der Zweitvertretungen am DFB-Pokal eingespart werden, ganz oder teilweise an die Regionalligisten auszuschütten.
Im Gegenzug verlangt die DFL auf eine Beschränkung der Zweitvertretungen in der Liga zu verzichten und die Auf- und Abstiegsregelungen nicht zu limitieren. Das DFB-Präsidium und der DFB-Vorstand haben sich diesem Kompromissvorschlag bereits angeschlossen.
Zur Abstimmung soll nun nur noch kommen, ob bereits jetzt eine Satzungsänderung verabschiedet werden soll, wonach die Regionalligen ab 2012 in die Zuständigkeit der Regional- und Landesverbände übergehen soll oder ob man zunächst eine Kommission einberuft, die bis Anfang 2011 eine grundlegende Reform erarbeiten soll, die dann auf einem außerordentlichen DFB-Bundestag beschlossen werden kann.
Fazit
Es erscheint zunächst einmal positiv, dass beide Seiten nun wieder aufeinander zugehen, nachdem man bisher eher aneinander vorbei geredet und Extrempositionen vertreten hat, die ohnehin niemals durchsetzbar sind, so lange beide Lager sich intern einig sind. Denn wegen der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit kann jede Seite die Vorschläge der anderen blocken und niemand ist in der Lage etwas ohne den jeweils anderen durchzusetzen. Die widerstreitenden Interessen sind jedoch nur äußerst schwer unter einen Hut zu bringen.
Einerseits soll ein gesunder Unterbau für die drei Profiligen geschaffen werden, so dass Aufsteiger nicht vor unüberwindbare Hürden gestellt werden und Absteiger nicht ins Bodenlose fallen. Dafür braucht es in einem gewissen Rahmen professionelle Strukturen. Die sind jedoch nur in einer attraktiven Liga finanzierbar, die Zuschauer und Sponsoren anzieht. Auf der anderen Seite muss die Ausbildung der Talente unter Wettkampfbedingungen gewährleistet werden, um nicht nur den Profiligen und der Nationalmannschaft sondern auch den ambitionierten Amateurklubs qualifizierten Nachwuchs zuzuführen. Diese Ausbildung wird derzeit im wesentlichen von den Profiklubs in ihren teuren Nachwuchsleistungszentren geleistet und auch die Amateurklubs in den höheren Klassen rekrutieren ihre meisten Nachwuchsspieler von dort. Daher ist wichtig, dass den U23 Reserveteams auch wirkliche Prüfsteine im Spielbetrieb gegenübertreten und sie nicht in eine eigene Jugendliga oberhalb der A-Jugend verbannt werden.
Hier treffen die Interessen von Profis und Amateurklubs allerdings einmal zusammen. Zum einen sind die Amateurklubs auch an gut ausgebildeten, wettkampferbrobten jungen Spielern interessiert und zum anderen unterscheidet sich eine Regionalliga mit 10 oder mehr Zweitvertretungen nicht mehr so gravierend von einer Reserverunde. Daher bleibt zu hoffen, dass ein Kompromiss gefunden werden kann, der zum einen die Attraktivität der Regionalligen erhöht, indem die Zahl der Zweitvertretungen pro Staffel begrenzt wird, der aber andererseits die Regionalliga nicht so weit von der dritten Liga abkapselt, dass aufsteigende Vereine von den dortigen Anforderungen völlig überfordert werden.
Wie dieser Königsweg genau aussehen sollte, ist mir auch nicht klar. Der kommende Freitag dürfte auch nicht mehr als einen Fingerzeig erbringen, wohin die Reise der Regionalliga zukünftig gehen soll. Zumindest scheint sich die Ansicht durchzusetzen, dass es nicht einfach weitergehen kann wie bisher.
Hoffentlich setzt sich dann auch mal bei den Amateurklubs und den Verantwortlichen für die Zweitvertretungen die Erkenntnis durch, dass man die Einnahmeseite ohne Probleme etwas verbessern könnte, wenn man die Termine von erster Mannschaft und Reserve mal im Sinne der Fans koordiniert.
Web, 20.10.2010