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Im Westen ging die Sonne auf

27.09.2005, 00:00 Uhr von:  Sascha
Im Westen ging die Sonne auf
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Wohl in keiner anderen Region Deutschlands wird Fußball so sehr gelebt und ist die Dichte von Fußballvereinen so hoch wie im Ruhrpott. Woher kommt der oftmals beschworene Mythos "Ruhrpottfußball" und warum gibt es hier so übermäßig viele Verrückte, die Wochenende für Wochenende in die Stadien und zu den Fußballplätzen wandern? Der Film "Im Westen ging die Sonne auf" von Wolfgang Ettlich zeigt liebevoll die Geschichte des Fußballs im Pott in den Nachkriegsjahren.

Nicht die heute großen Namen wie Borussia Dortmund, der FC Gelsenkirchen, der VfL Bochum oder auch der MSV Duisburg machten den Fußball hier zu dem was er heute ist, sondern Vereine die heute größtenteils in der Versenkung verschwunden sind. Rot- Weiss Essen ist noch jedem ein Begriff, Westfalia Herne zumindest vom Namen nach auch. Aber was ist mit den Sportfreunden Katernberg (ausgesprochen Kaddanberch), der Spielvereinigung Erkenschwick oder gar dem SV Sodingen?

Der Film zeigt die enge Verbindung zwischen Pütt und Fußball. Eine Zeit in der das runde Leder die einzige Ablenkung vom harten Arbeitsalltag unter Tage war. Eine Zeit in der die Stars wie Willi "Ente" Lippens und der große Helmut Rahn in den selben Strassen wie der Fan gelebt haben und den gleichen Arbeitgeber hatten. Gerade die wirklich schönen Interviews mit alten Spielern und Fans die von Anfang an dabei waren, lassen einen heute schmunzeln und manchmal sogar wohlige Gänsehaut über den Rücken laufen. Beispielsweise sei hier ein Zitat von "Ente" Lippens erwähnt, das meine Ohren klingeln ließ: "Nie wäre ich damals nach Scha**e gewechselt. Niemals. Das ging ja gar nicht. Ich hätte es nie übers Herz gebracht den Essener Fans den Tomahawk in den Rücken zu stossen und nach Scha**e zu wechseln. Nein, das hätte ich nie getan." Gleichzeitig wird die Brücke zum Heute geschlagen. Interessanterweise schwenkt der Film dabei nicht auf Vertreter der heutigen Großmächte im Ruhrgebiet um, sondern verfolgt konsequent die Vereine, die eingangs erwähnt wurden. Dargestellt werden die positiv verrückten die aus Leidenschaft und teils aus Sentimentalität ihre Zeit für den Fußball opfern. Leute die Fußball leben und ihm ihr Leben verschrieben haben, auch wenn der Verein mittlerweile in den Niederungen der Bezirksklasse angekommen ist.

Ettlich bringt verschiedene Facetten in den gut 85 Minuten unter. Leicht wehmütig wird die Geschichte des Ruhrpottfußballs beschrieben zu einer Zeit, in der Fußball einfach Fußball war. Es wird die soziale Bedeutung des Fußballs für die Region verdeutlicht als der Fußball und Brieftauben oft das einzige war, was die Menschen neben ihrer Arbeit hatten. Nicht zuletzt ist der Film auch ein klein wenig Dankeschön an all die Leute, die auch heute diesen Mythos aufrechterhalten und einen wichtigen Beitrag zum Überleben leisten. Kameraführungsfetischisten werden mit diesem Film nicht ganz auf ihre Kosten kommen, aber darum geht es in diesem Film auch gar nicht. Kleinere stilistische Fehler sollten einfach übersehen werden, dann kann man eine liebevoll erstellte Dokumentation über unsere Wurzeln und unsere Geschichte als Fußballfans im Ruhrgebiet genießen. Der BVB kommt zwar nur am Rande vor, aber das sollte keinen Interessierten abschrecken. Der Film lohnt sich.

Im Westen ging die Sonne auf - Wolfgang Ettlich © 2003 Baukau Media

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