Im Gespräch mit...

...Sebastian Kehl: Im Interview (Teil 2)

13.12.2003, 00:00 Uhr von:  Redaktion MiHi
...Sebastian Kehl: Im Interview (Teil 2)

Eine Plauderei mit Sebastian Kehl kann manchmal länger dauern. Das stellten Christine und Jens neulich fest, denn aus dem Interview im Rahmen des Fanradios Boah Ey entstand ein ziemlich langes Gespräch, das den Rahmen der Sendezeit locker sprengte. Teil 1 gab es bereits vor einiger Zeit bei uns zu lesen, hier folgt nun der zweite Part.

schwatzgelb.de: Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: Es sind ja zurzeit schon extrem viele Verletzte bei Borussia Dortmund. Bist Du mit der medizinischen Betreuung beim BVB zufrieden oder fehlt Dir da was?

Sebastian (lacht): Kritische Frage.

schwatzgelb.de: Es ist ja schon ein bisschen komisch. Bei einigen Spielern sehe ich ja sofort ein, dass die länger ausfallen, wie etwa bei Christoph Metzelder. Aber bei Amoroso oder Conceicao haben einige ja so ihre Schwierigkeiten. Gerade bei letzterm sind Fragen nach der medizinischen Abteilung ja schon angebracht, da er sich zweimal im Aufbautraining einen neuen Muskelfaserriss zugezogen hat. Irgendwann muss das doch ein Ende haben. Erzähl Du uns doch mal, wie Du das so siehst.

Sebastian: Ich glaube, dass wir alle nicht so erfreut darüber sind, dass wir so viele Verletzte haben. Bei dem einem oder anderen frage ich mich auch, wann der denn mal wieder kommen wird. Ich habe heute Morgen mal Dede gefragt, was es Neues von Amo oder Eva gibt, aber er weiß auch wenig darüber. Da sind sicher auch viele Dinge noch unklar, die man als Spieler jetzt so nicht mitbekommt. Viele Spieler sind ja momentan auch gar nicht mehr in Dortmund, sondern verweilen ja irgendwo im Ausland und lassen sich da behandeln. Ich bin mit der medizinischen Abteilung in Dortmund vollends zufrieden. Ich glaube, wir haben da sehr, sehr gute Physiotherapeuten und auch einen sehr guten Doc, der jetzt diese Saison meiner Meinung nach sehr gute Arbeit leistet, der unheimlich engagiert ist, der alles möglich macht und Tag und Nacht für uns da ist. Dahingehend haben wir schon einen Schritt nach vorne gemacht. Dass wir jetzt großes Verletzungspech haben, ist unbestritten. Dass der eine oder andere blöde Zufall dann noch hinzukam, wie bei Flavio, der noch nicht ganz fit war und deshalb einen Muskelfaserriss bekommen hat und während seiner Rehazeit noch zwei weitere Einrisse hatte an einer Stelle, die wirklich sehr komisch ist, ist natürlich sehr unglücklich. Wer oder was jetzt letztlich die Schuld hat, warum es jetzt gerade so viele sind – diese Frage wird man letztlich nie klären können. Jeder, auch die Physios und Ärzte, versuchen, dass die Spieler so schnell wie möglich wieder fit sind. Aus dem Grund denke ich, dass das eine Diskussion ist, die von vielen Leuten losgetreten wird. Viele Leute sprechen mich auch darauf an, aber ich persönlich kann nur sagen, dass ich hier zufrieden bin und dass ich vollstes Vertrauen in diese Abteilung habe.

schwatzgelb.de: Wir hoffen einfach auch, dass es Pech ist, denn dann muss es ja bald vorbei sein! Nichts desto trotz, könntest Du Dir vorstellen, dass die Häufung von Verletzungen auch an den neuen Schuhen liegen könnte? Dazu passt eine Meldung aus dem Internet, in der stand, dass die Mannschaften der National Football League, die ja zentral ausgerüstet werden, es abgelehnt haben, mit den neuen Schuhen zu spielen, da das Verletzungsrisiko zu hoch sei. Mit welchen Schuhen spielst Du denn? Mit klassischen oder mit den neueren Modellen? Der Hersteller sollte ja keine Rolle spielen, es machen ja alle.

Sebastian: Na ja, Nike hat schon ein leicht anderes Konzept als Adidas, wenn man sich die Sohlen einmal genauer anschaut. Nichts desto trotz, Thorsten und Eva haben mit Adidas-Schuhen gespielt und haben beide einen Kreuzbandriss. Man kann es also nicht aufs Fabrikat schieben. Ich trage auch Adidas-Schuhe der neueren Art, ich bin von diesen Schuhen und deren Konstruktion überzeugt. Die Diskussion gibt es zweifelsohne, ich habe im Kreise der Nationalmannschaft auch mit Dr. Müller-Wohlfahrt darüber gesprochen. Nun ist es ja so, dass Adidas seit langem Weltmarktführer im Bereich der Fußballschuhe ist. Die werden diesen Weg auch weiter verfolgen, da sie davon überzeugt sind, dass die Sohlenkonstruktion keinen Einfluss auf die Häufung der Knieverletzungen hat. Es sind diesbezüglich auch Untersuchungen und medizinische Tests vorgenommen worden, in denen kein Zusammenhang feststellbar war. Es liegt wohl eher an regenerativen Erscheinungen, an Ermüdung oder auch mangelnder Fitness bzw. fehlerhafter Koordination, dass solche Verletzungen auftreten. Ich glaube, dass es weniger ein Schuhproblem ist.

schwatzgelb.de: Okay, ein weiterer Themenwechsel: Was glaubst Du denn, was wir, die Dortmunder Fans, über Dich denken?

Sebastian: Oh, das ist aber schwierig. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht (leichte Sorgenfalten sind zu erkennen, Anm. d. Red). Ich habe manchmal so das Gefühl, dass ich nicht all zu sehr beliebt bin bei den Dortmunder Fans. Ich habe dieses Gefühl zumindest einmal gehabt, obgleich es mir von jener Seite auch widerlegt wurde. Man sagt sich dann auch, Du haust Dich hier voll rein, das wird auch anerkannt, wobei ich auch schon mal das Gefühl habe, dass es nicht immer der Fall ist. Ich wüsste auch nicht, warum es so sein sollte. Gut, ich habe jetzt zweimal Mist gebaut; dass die Leute deshalb sauer auf mich sind, kann ich voll verstehen. Dass man sagt, dass die Aktionen nicht akzeptabel waren, ist in Ordnung. Aber ansonsten glaube ich, dass ich eigentlich ein Typ bin, der hier ganz gut reinpasst, da ich von meiner Mentalität und von meiner Art und Weise, wie ich mich denn auch gebe, nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb, meines Erachtens nach einer bin, mit dem man immer gut zurecht kommt, der sich für den Verein opfert, der sich reinknallt und der auch öfters seine Knochen hinhält. Ich habe auch schon öfter Verletzungen riskiert, mit denen ich mir ja am meisten schade. Dass es nicht immer gut läuft und man auch mal ein paar schlechte Spiele dabei hat, ist glaube ich, auch normal. Das ich noch weiter an mir arbeiten muss und noch nicht auf dem Niveau spiele, auf dem ich eigentlich spielen kann, ist auch normal. Ich habe mir aber manchmal schon Gedanken gemacht, woran es liegen könnte, wenn Leute behupten, ich sei arrogant. Ob die Geschichte mit Bayern immer noch nicht aus den Köpfen draußen ist? Ich weiß es nicht. Ich versuche mich so natürlich zu geben, wie ich nun mal bin.

schwatzgelb.de: Wir können Deine Bedenken eigentlich nur widerlegen. Wir kennen kaum Leute, die so über Dich denken. Es gibt sicherlich einige, die sich über die Aktion in Bochum ärgern, aber andere wiederum sagen, dass ihnen ein Spieler lieber ist, der auch mal einen umhaut, da man bei so einem Spieler sieht, dass er zumindest versucht, alles zu geben.

Sebastian: Das ist wie überall im Leben, die einen sehen es so, die anderen so. Die einen wählen SPD, die anderen CDU. Bei dem einen wird die Aktion so gesehen, der andere sagt, dass sie dumm war. Ich versuche nur, dass die Leute, die ich kennenlerne, sehen, dass ich wirklich alles gebe für den Verein und dass ich ein ganz normaler und sympathischer Mensch bin, der keine Starallüren hat.

schwatzgelb.de: Du hast gerade etwas angeschnitten, was uns auch noch brennend interessieren würde. Wie siehst du denn deine sportliche Entwicklung? Du hast ein super ersts Halbjahr in Dortmund gehabt, warst da herausragend und hast dich in dieser Zeit auch fast schon zum Führungsspieler gemausert. Aber dann gab es aus unserer Sicht einen Knick. Klar, der war nach der Meisterschaft in der ganzen Mannschaft zu spüren. Wie siehst Du das selber? Bist Du eher stehen geblieben, oder siehst du schon, dass du dich weiterentwickelt hast?

Sebastian: Ich glaube schon, dass ich mich auf gewisse Art und Weise weiter entwickelt habe. Man muss natürlich schon sagen, dass es in den ersten drei Profijahren, jetzt nicht nur hier in Dortmund sondern gerade auch in Freiburg und Hannover (in der 2. Bundesliga) rasant mit mir nach oben ging. Nach dem ersten Jahr haben mir einige gesagt, dass es einen Knick geben wird, dass das zweite Jahr immer das schwierigste ist. Darauf habe ich noch ne Schippe drauf gelegt, dann haben die Leute gesagt, jetzt hast Du zwei Jahre richtig guten Fußball gespielt, jetzt wirst Du aber im dritten Jahr einbrechen. Dann ging es im dritten Jahr wieder nach oben, ich bin Deutscher Meister und Vize-Weltmeister geworden. Es ging eigentlich immer nur bergauf. Ich war eigentlich jedes Jahr davon überzeugt, dass auch mal ne schlechte Phase kommt, da man mit den Leistungen, die man erbracht hat, auch einfach hohe Erwartungen schürt und der Druck von außen natürlich auch nicht geringer wird. In Freiburg und auch am Anfang hier in Dortmund war der Druck sicherlich nicht so da, wie er sich bis heute entwickelt hat. Durch die ganzen Erfolge, die ich hatte, wird es mit Sicherheit auch nicht einfacher. Ich habe im letzten Jahr nicht mehr diesen Schritt nach vorne gemacht, wie die ersten drei Jahre. Es gab auch Zeiten, da stagnierte die Entwicklung. Da zweifelt man dann auch selber ein bisschen an sich. Ich kann euch aber auf jeden Fall versprechen, dass ich eher noch härter trainiere als ich es früher getan habe, dass ich mir heute noch mehr Gedanken mache als früher. Vielleicht ist gerade das manchmal das Problem. Man macht sich doch zu viele Gedanken, und deshalb spielt man nicht mehr so unbeschwert auf, wie man es früher vielleicht getan hat. Vielleicht wird deshalb die Leistung als nicht mehr so spektakulär angesehen, wie noch vor anderthalb Jahren. Es ist jedoch in meinen Augen auch sehr wichtig, dass man konstante Leistungen bringt, dass man konstant auf einem hohen Level spielt und nicht mal ein Top-Spiel und dann drei schlechte abliefert. Das ist das, woran ich arbeite: Dass man sagen kann, der Kehl ist einer, auf den kann man sich verlassen, der bringt immer seine Leistung, der haut sich immer rein für die Mannschaft. Ich werde hoffentlich des Öfteren jetzt auch wieder treffen. Ich war ja schon einige Male dicht davor. Ich bin auch davon überzeugt, dass es die nächsten Jahre auch wieder bergauf geht.

schwatzgelb.de: Frührer waren so Spieler wie du, die eher eine kämpferische Spielweise an den Tag gelegt haben, sehr beliebt. Man erinnere sich nur einmal an Susi Zorc. Die passten in das Image des Vereins. In den letzten Jahren hat sich das Bild leider ein wenig gewandelt. Da geht es mehr auf die technische Schiene und die Kunst am Ball. Es gibt aber eine Menge Leute, denen Spiele wie gegen Hamburg oder Sochaux lieber sind – wo gefightet wird bis zum Umfallen und daher denken wir, dass Du sicherlich beliebter bist als es manchmal den Eindruck macht.

Noch eine generelle Frage: Eine Hierarchie gibt es ja in jeder Mannschaft, bei den einen ist sie stärker ausgeprägt, bei anderen weniger. Legt Mathias Sammer Wert auf eine intakte Hierarchie?

Sebastian: Er hat schon Stützen in der Mannschaft, die von hinten nach vorne durchgehen, die er auch in jedem Spiel fordert, von denen er auch eine Menge erwartet. Welche Spieler das jetzt sind, werde ich nicht sagen. Es gibt also schon Spieler, die das Heft in die Hand nehmen sollen und die dann auch Verantwortung übernehmen sollen. Es ist auch wichtig, dass es solche Typen in jeder Mannschaft gibt.

schwatzgelb.de: Kommen wir zu einem weiteren heiklen Thema bei Borussia: Die Standardsituationen. Übt ihr eigentlich auch mal Ecken? (großes Gelächter)

Sebastian: Am Mittwoch habe ich gerade mit Uwe Neuhaus darüber gesprochen. Er hat gesagt: Du Sebastian, wir haben Phasen gehabt, da haben wir in der Woche fünfmal Standardsituationen geübt und haben immer noch kein Tor geschossen. Dann hatten wir auch mal Phase, wo wir die Standards ganz raus gelassen haben da hat es auch nicht geklappt. Ich glaube, wir rennen schon seit über einem Jahr einem Eckballtor hinterher. Das ist also mit Sicherheit ein Bereich, in dem wir uns steigern müssen, wo wir ne Menge dran gearbeitet haben, aber wie gesagt, leider ohne Erfolg. Irgendwann wird es aber wieder klappen.

schwatzgelb.de: Nicht zu vergessen der eine direkt verwandeltet Freistoß in Ge....

Sebastian: Ach, ja in Herne Ost.

schwatzgelb.de: GE liegt aber im WESTEN von Herne, also doch eher Herne West. Irgendwem ist das wohl mal vor längerem rausgerutscht, aber im Osten von Herne liegt nun mal Dortmund und nicht GE. Aber gut ist schon mal, dass Du nicht das hässliche Wort benutzt, welches mit „Sch“ anfängt und mit „alke“ aufhört. Ist euch das eigentlich als Spieler bewusst, was gerade uns Fans dieses Spiel bedeutet? Wir können ja schon nachvollziehen, dass es für einen Brasilianer schwerer ist, nachzuvollziehen, was es bedeutet, gegen Gelsenkirchen zu spielen...

Sebastian: Man versucht sich da schon rein zu versetzten. Als Deutscher lässt sich das bestimmt auch leichter nachvollziehen, als als Ausländer. Man kann nicht unbedingt diesen Enthusiasmus an den Tag legen. Ich versuche das schon, da ich weiß, was es für die Fans bedeutet. Wobei es schon ein geiles Gefühl ist, wenn Du im Bus auf dem Weg ins Stadion mit Bierbechern beworfen wirst. Das puscht Dich schon. Die ganze Woche vorher brodelt es, da ist ne Menge Feuer drin. Man merkt schon, dass es gerade für die Fans auch was ganz besonderes ist. Entsprechend versucht man sich dann auch zu verkaufen. Dass es für Lars Ricken als Ur-Dortmunder noch dreimal schlimmer ist, als für jeden anderen bei uns in der Mannschaft, ist ganz verständlich. Aber jeder Spieler weiß schon, dass das ein ganz besonderes Spiel ist.

schwatzgelb.de: Was bekommst du als Spieler eigentlich von der zunehmenden Kommerzialisierung im Sport mit? Bekommst Du mit, dass es Fans gibt, die das ganze sehr kritisch sehen, oder dass die Stimmung sich deshalb verändert hat, weil sich viele einfach nur noch als Kunde sehen? Wenn ich Kunde bin, beschwere ich mich ja auch über ein schlechtes Produkt, sprich: Ich pfeife, wenn es mal nicht so läuft. Früher war einfach die Identifizierung mit dem Verein noch größer, da gab es weniger Unmutsäußerungen. Hast Du Dir dazu schon mal Gedanken gemacht?

Sebastian: Ja natürlich macht man sich darüber so seine Gedanken. Unser Stadion wird ja auch immer größer und dass es nicht alles nur totale Borussen-Fans sind, die da sitzen, sondern auch viele Leute da sind, die sagen, dass sie viel Geld für ne Karte bezahlen, und dass sie deshalb auch etwas geboten bekommen wollen – damit habe ich mich natürlich auseinandergesetzt. Es ist natürlich heutzutage auch so, dass der Fußball in einer Situation steckt, in der das eine oder andere nur durch so etwas finanziert werden kann. Man sieht es ja an den neuen Stadien, was da alles läuft: Da gibt es Einkaufspassagen, da werden Konzerte veranstaltet, da werden alle möglichen Dinge auch verkauft... Man sieht einfach, dass es eine wichtige Einnahmequelle ist, dass es nicht mehr nur um den Fan geht, sondern darum, viel Geld in die Kasse zu bekommen, um damit auch die Spieler zu finanzieren und das ganze System am Laufen zu erhalten. Dass sich das ein wenig verändert hat und es für uns Spieler nicht nur positive Seiten hat, weil halt auch die Stimmung drunter leidet und ein bisschen die Mentalität verloren geht, ist so ein bisschen die Kehrseite. Nichts desto trotz: Die Leute bringen natürlich auch das Geld, und ich kann natürlich auch sagen, dass ich darüber nicht unglücklich bin und ich dementsprechend ganz gut verdiene. Wobei es für mich immer noch um den Fußball und nicht um das Geld geht.

schwatzgelb.de: Ist aber schon ein angenehmer Nebeneffekt, oder?

Sebastian: Ja klar, schon. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich mich gar nicht darüber freue, so gutes Geld zu verdienen, würde ich mich ja lächerlich machen. Ich nehme natürlich schon ganz gerne das Geld, das man bekommt, ist doch ganz klar. Man hat ja auch nur einen gewissen Zeitraum, in dem man mit dem Fußball Geld verdienen kann. Wie schnell das vorbei sein kann, wie viele arbeitslose Fußballer gerade zurzeit da sind, darf man auch nicht vergessen. Das ganze System ist, glaube ich, auch gerade am Scheideweg, wie es weiter gehen kann. Ich glaube, es wird sich ziemlich bald zeigen, ob die Gehälter weiter steigen oder sinken werden

schwatzgelb.de: Es ist ja auch so, dass gerade der Gehälter-Wahnsinn an einzelnen, wenigen Spielern festgemacht wird. Es gibt ja gerade in der Regionalliga oder in der zweiten Bundesliga sehr viele Clubs, die ihren Spielern nicht soviel bezahlen können, dass sie nach ihrer Karriere nicht mehr arbeiten brauchen.

Sebastian: Als ich in Freiburg gespielt habe, habe ich sicherlich im Gegensatz zu jedem anderen arbeitenden Menschen sehr gut verdient, aber wenn ich das auf zehn Jahre verdienen würde, dann wird es trotzdem später einmal eng. In solchen Vereinen wird mit Sicherheit nicht das Geld bezahlt, wovon die Leute immer glauben, dass es getan wird. Es wird immer von Millionen geredet, aber in vielen Vereinen, auch in der Bundesliga, wird nicht das Geld bezahlt, von dem viele Leute träumen.

schwatzgelb.de: Kommen wir zu einen wiederum ganz anderem Thema: Du wohnst ja jetzt in Dortmund, vermisst Du Deine Familie?

Sebastian: Ja, ich vermisse meine Familie schon oft, obgleich ich jetzt schon eine ganze Zeit weg von zu Hause bin. Ich bin ja eigentlich schon mit 16 Jahren weg von zu Hause gegangen. Damals war es eine ganz harte Zeit, gerade das erste halbe Jahr so alleine in Hannover. Mittlerweile habe ich mich aber damit ganz gut arrangiert. Ich bin jetzt, wie schon gesagt, seit über sechs Jahren weg von zu Hause, habe meinen eigenen Lebensrhythmus gefunden, habe auch ein Ziel vor Augen und komme mit der Situation ganz gut aus. Ich freue mich dann natürlich auf jeden freien Tag, an dem ich meine Eltern besuchen kann. Meine Oma lebt noch, so dass ich mich immer wohl fühle. Meine Brüder kommen mich auch immer mal hier besuchen, einer war gestern wieder mal im Stadion. Ich bin einfach froh, dass ich so eine gute Familie habe, die immer zu mir steht, gerade auch in schlechten Phasen.

schwatzgelb.de: Ist das für dich ne große Umstellung gewesen? Du hast ja gerade gesagt, dass Du mit 16 schon nach Hannover gegangen bist, aber Du kommst ja ursprünglich aus einem Dorf in der Nähe von Fulda...

Sebastian: Ja, ich bin damals mit 16½ aus Fulda weggegangen, habe da die Schule abgebrochen, um sie in Hannover wieder fortzusetzen. Ich habe dort mein Abitur fertig gemacht, habe eine Wohnung gehabt, die ich selber und mit der Hilfe meiner Eltern finanzieren musste. Ich habe halt nicht, wie es heute bei den großen Vereinen üblich ist, im Internat gelebt oder bin auf eine Schule gegangen, die mit dem Verein großartig kooperiert hat. Ich war an einer stinknormalen Schule, wo die Lehrer schon Verständnis aufbringen mussten. Der eine hat es halt getan, der andere leider nicht. Neben der Schule habe ich Fußball gespielt, habe schon bei den Profis mittrainiert, auch oft vormittags, was dann hieß, erst in die Schule, dann zum Training, dann wieder in die Schule, und nachmittags ging es dann wieder zum Training. Das war schon keine leichte Zeit, aber ich sage das den Jungs hier auch: Je schwerer die ersten Jahre sind, desto leichter hat man es später einmal. Man bekommt dort in den Jahren auch soviel mit, was Eigenständigkeit angeht, was das Verhalten neben dem Platz angeht, dass man auch auf dem Platz vieles davon umsetzten kann. Wenn man dann noch so einen harten Hund als Trainer hat, wie ich damals, der einen als Jungen Spieler so richtig hart rangenommen hat, der einen ab und zu auch zur Verzweifelung und zum Heulen gebracht hat, dann gibt einem das den letzten Schliff. Ich will diese Zeit auf keinen Fall missen, denn es war einen richtig gute und lehrreiche für mich. In der Zeit habe ich oft geschimpft und gedacht, ich schmeiße hin, aber heute, mit etwas Abstand muss ich öfters auch mal lachen. Es war doch ganz gut so, wie es mir so ergangen ist. Ich bin heute auch richtig stolz darauf, wie ich das so durchgezogen habe. Ich habe mein Abitur noch fertig gemacht, für das ich sogar eine Fußballweltmeisterschaft habe sausen lassen, aber ich bin froh, das so durchgezogen zu haben. Ohne die Unterstützung, jetzt kommen wir wieder darauf zurück, meiner Familie wäre das so nicht möglich gewesen. Es wurde mir nicht so einfach gemacht, wie es heute ist, aber ich bin auch nicht böse darüber.

schwatzgelb.de: Ja, das ist eigentlich ein ganz schönes Schlusswort. Wir bedanken uns bei dir, dass du dir die Zeit genommen hast.

Sebastian: Mir hat es auch eine Menge Spaß gemacht.

Teil 1 des Interviews

Das Interview führten Christine und unser Jens für das Fanradio, für die Drecksarbeit des Abtippens gebührt MiHi der Dank!

Ausgabe 3 von "Boah ey! - das Fanradio" mit Teilen des Interviews gibts hier:

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