Willkommen in der Guantanamobay-Arena!
Um 14:15 Uhr ging es gestern für viele BVB-Fans vom Hauptbahnhof Dortmund los nach Legokusen, dem Kölner Autobahndreieck. Immer weniger wollen sich offensichtlich die Hektik des Sonderzuges antun, der erst um 16:30 Leverkusen-Mitte erreicht, dem Hauptbahnsteig der Chemiemetropole. So ist man also kaum vor 17:00/17:15 im Stadion. Denn vor das Vergnügen der "Arena" (scheußliche Namensgebung überall, es sind und bleiben Stadien, auch wenn Lev nicht so wirkt) hat der Sicherheitschef von Bayer erst einmal die chemische Grundreinigung am Eingang gesetzt.
Schildern wir dieses Verhalten mal an einem Beispiel. Man erreicht das Stadion und steht schon vor der ersten Kontrolle, hier wird sich "Karten-vorzeigend" durch ein großes, jedoch nur einen Spalt geöffnetes Tor geschlängelt, um dann den eigentlichen Eingang zu erreichen. Dort wird dann die Karte abgerissen und dann wird es interessant. Die Ordner sind zum Teil wie Polizisten gekleidet, erst hinten auf der Jacke steht das Wort "Ordner", manch einer hat sich schon hilfesuchend an diese Polizisten gewandt, um dann festzustellen, daß es sich um keinen handelt. Allerstrengste Durchsuchungen (an keinem Flughafen wird man so genau untersucht) hat der gemeine Fußballpöbel nun über sich ergehen zu lassen. Alles wird genau untersucht, die Taschen müssen geleert werden, genauso der Rucksack. In unserem Beispiel hat es der Delinquent (anderswo Fan genannt) gewagt, ein paar Plastikbändchen mitzubringen, um seine Zaunfahne aufhängen zu können. Doch diese werden sofort entsorgt, können diese gemeingefährlichen, jeweils 15cm langen Bändchen doch brennen! Mit purer Arroganz geht es dann weiter. Nun sind die Schuhe auszuziehen, auf dem kalten Betonboden darf nun herumgestanden werden. Die Schuhe darf man dann nach Aufforderung dem netten Menschen unter die Nase halten. Er selbst faßt sie nicht an. Dann gilt es noch den Schalknoten zu lösen und diesen komplett zu entfalten, man könnte ja sonstwas darin verstecken. Andere müssen bspw. ihr original verschweißtes Tabakpäckchen öffnen und den Ordner darin herumwühlen lassen. Begründung: "Man kann das ja nachträglich verschweißen!" Ein Fan trug mehrer Fahnen bei sich, keine Fahnenstange länger als 60cm. Auch diese wurden ihm abgenommen, Begründung: die Fahnenstangen, die aus Plastikrohren bestehen, könne man zusammenstecken und schon habe man eine 2m-Fahne.......wohlgemerkt, die Fahne selbst hat die Abmessungen 50x60cm. Auf die Anmerkung, daß man die ja auch draußen hätte verteilen können und dann einzeln gekommen wäre, sagte der Ordner: "Das ist ja dann was anderes!" Unglaublich, aber wahr. So sind am Ende nur wenige Fahnen im Block.
Vor dem Spiel ist die Stimmung im Dortmunder Block recht gut, ohne aber bombastisch zu sein. Die meisten der Dauersinger haben sich unter dem Dach versammelt. Vom Heimpublikum erwarteten wir eigentlich nichts, das ist bekanntermaßen schlecht.
Doch heute haben sie sich wohl einiges vorgenommen und so präsentieren sie zum einlaufen der Mannschaften ihre schon bekannte "Leverkusen"-Blockfahne, die BVB-Fans ziehen ein paar große Schwenkfahnen und Zaunfahnen über ihre Köpfe, um wenigstens etwas farbliches zu demonstrieren. Zu diesem Zeitpunkt baut sich der Ordnungsdienst schon bedrohlich vor unserem Block auf und versucht im "Böser-Blick-Wettbewerb" die bislang bravorösen Berliner aus der Hinrunde zu schlagen.
Das Spiel beginnt und Borussia ist die deutlich bessere Mannschaft, nach 9 Minuten fällt auch bereits das 0:1. Doch Herr Fleischers Assistent war wohl noch immer von den Schimpfkanonaden des dicken Callmunds beeindruckt und wollte kein Buh-Mann sein, also sah er den passiv im Abseits stehenden Amoroso als aktiv an und hob mit einiger Verzögerung und offenkundiger Unentschlossenheit seine Fahne. Fleischer versagte dem Tor die Anerkennung und Borussias Fans tobten. Aufgepeitscht durch die Verhältnisse am Eingang wurde die Stimmung im Gästeblock immer agressiver, da auch Herr Fleischer ein übriges tat, um das weiter zu steigern. Typisch für unsere Gastspiele beim Werksklub eben.
Bastürks Schwalbe gleich zu Beginn, genau vor dem Gästeblock, trug auch nicht gerade zur Beruhigung bei.
30 Minuten lang diktierte Borussia das Geschehen, dann fiel - für alle überraschend - das 1:0 durch den Sympathieträger Michael Ballack. Danach bekam man immer mehr den Eindruck, daß Borussia das Spiel verloren gab. Sei es die Resignation, daß man heute einen Heimschiedsrichter erwischt hatte oder auch einfach Panik, wieder ein Spitzenspiel zu verlieren. Danach erspielten sich die Werkskicker mehrere Chancen, Jens Lehmann war es zu verdanken, daß es nur 1:0 steht. Apropos Jens Lehmann: der legte sich wieder einmal mit dem gegnerischen Stürmer an. Nachdem ihn Kirsten hart anging, warf er diesem den Ball in den Rücken und die beiden führten ein nettes Gespräch. Folge: jeweils eine gelbe Karte. Und Kirsten wäre eben nicht Kirsten, wenn er in der Folge nicht auch noch um Gelb-rot betteln würde. So säbelt er in der 44. Minute mal nett dazwischen und Herr Fleischer tat natürlich nichts. Kirsten durfte weiter spielen und am Debakel mitarbeiten. Die zweite Halbzeit war dann einfach nur eine Frechheit der eigenen Mannschaft, so darf man nicht untergehen. Keine Zweikämpfe wurden mehr angenommen, kein Paß nach vorne gespielt, der auch ankam. Zu allem Überfluß gab es dann auch noch mit Evanilson einen Totalausfall. Warum Sammer da nicht reagierte und schon zur Halbzeit umstellte, wird sein Geheimnis bleiben. Das er aber Amoroso in der 58. Minute vom Platz nahm und durch Stevic ersetzte, war vollkommen in Ordnung. Amoroso stand nur noch Zentimeter von einer Roten Karte entfernt, nachdem er selbst gefoult wurde, Fleischer nicht pfiff und er übel nachtrat, den Leverkusener Spieler jedoch nicht erwischte, hier wäre Rot mehr als berechtigt gewesen. Amoroso schien seine Auswechslung nicht zu verstehen und diskutierte noch lange mit Sammer darüber.
Fleischer legte eine sehr unterschiedliche Bemessung an den Tag. Dortmunder Fouls wurden gleich zu Beginn geahndet, Leverkusener Spieler brauchten mehr Fouls, um an ihre gelben Karten zu gelangen. Erinnern wir uns an Kirstens Aktion aus Hälfte eins, jetzt kam Koller zu seinem berechtigten Platzverweis. Im Kampf um den Ball trat er Placente vor das Schienenbein und kassierte seine zweite gelbe Karte.
Kurz zuvor war bereits das 2:0 gefallen und die Partie im Grunde genommen entschieden. Jens Lehmann hatte einen Fehler gemacht und Ramelow stand ungedeckt und durfte auch treffen. Die weiteren Tore fielen dann wie im Training, Borussia war tot und Leverkusen zeigte Spielfreude. Überraschend war dabei sogar ein Teil des Leverkusener Publikums dabei und so war erstmals so etwas wie Stimmung in der Guantanamobay-Arena. Sonst ist das Leverkusener Publikum ja eher schlecht bis peinlich, aber gestern tat sich zumindest hinter dem Tor eine ganze Menge. Der Rest des Stadions ist aber schlimmer als in Dortmund, völlig emotionslos. Bei uns wird wenigstens gemeckert.......
Ein Teil der frustrierten Dortmunder stand nun unten im Block und hing rüttelnd am Zaun und sang nette Lieder über die Kinder eines Berufszweigs in Leverkusen. Die hochwichtigen Ordner marschierten vor dem Block auf und zwei von ihnen vergnügten sich mit einer Videokamera, mit der sie einzelne Fans filmten und sich offensichtlich über diese dann lustig machten. Auch das war vorbildlich deeskalierend, einfach super in Lev.
Fazit: die Niederlage geht absolut in Ordnung, weil Borussia nach dem 0:1 einfach auseinanderbrach. Aber trotzdem müssen wir uns fragen, was Herr Fleischer dort eigentlich pfiff und warum er so unterschiedliche Maßstäbe ansetzte. Genauso sollte sich der DFB fragen, wie es möglich ist, daß die Bayer-Oberen eine Woche lang unwidersprochen Stimmung gegen Schiedsrichter Janßen machen können. Irgendwie erinnerte das ganze an das Theater 1991/92, als Borussia als Tabellenführer nach Stuttgart mußte. Stuttgart hatte in der Woche zuvor in München eine Niederlage kassiert und Trainer Daum sich durch den Schiedsrichter betrogen gefühlt. Daraufhin klopfte er die ganze Woche auf den Busch und beschwerte sich über die seiner Meinung nach eigentümlichen Schiedsrichterentscheidungen. Borussia wird nun ein Tor aberkannt (das 1:2, angebliches Abseits, war definitiv kein Abseits) und der VfB Stuttgart darf bis zur 50. Minute das Tor berennen und das 2:1 erzielen, ehe der Schiedsrichter zur Pause pfiff. Das Spiel endete dann 4:2 für den VfB Stuttgart.
Grundsätzlich sollte unsere Mannschaft das Spiel schnellstmöglichst abhaken und nach vorne sehen. Die kommenden Aufgaben werden schwierig genug. Wichtig und schön für alle wäre gleich ein hoher Sieg gleich gegen St. Pauli, um endlich etwas für das Torverhältnis und für die Moral zu tun. 38 geschossene Tore sind einfach zu wenig für einen Klassesturm wie den unsrigen.
Die Daten zum Spiel:
Borussia: Lehmann (4) - Kohler (4), Metzelder (3), Reuter (4,5) - Dede (5), Kehl (3,5), Ricken (5) [53., Addo (4,5)], Evanilson (6) - Ewerthon (4) [75., Reina (-)], Koller (5), Amoroso (5) [62., Stevic (4)].
Leverkusen: Butt - Zivkovic, Lucio, Nowotny, Placente - Ramelow, Ballack, Bastürk [72. Vranjes], Zé Roberto - Neuville [80. Brdaric], Kirsten [52. Berbatov].
Tore: 1:0 Ballack (32.), 2:0 Ramelow (50.), 3:0 Neuville (64.), 4:0 Berbatov (74.)
Gelbe Karten: Bastürk, Nowotny (damit gesperrt im nächsten Spiel), Kirsten - Reuter, Lehmann.
Gelb-Rote Karte: Koller (53., wiederholtes Foulspiel)
Schiedsrichter: Dr. Helmut Fleischer aus Hallstadt (Bayern) - Note 6: Indiskutable Leistung eines Heimschiedsrichters. Ihn aber allein für die Niederlage verantwortlich zu machen, wäre zu billig.
Zuschauer: 22.500 (ausverkauft, wie schafft Ihr das nur immer???)