Alle Jahre wieder...
Zur Ausgangslage: Der Tabellenzweite empfing den nur 2 Punkte vor ihm liegenden Spitzenreiter. Seit Wochen ausverkauftes Haus beim Duell der besten Heimelf gegen die beste Auswärtsmannschaft und dem Aufeinandertreffen der stärksten Abwehr gegen den trefffreudigsten Sturm.
Unter den 22.500 Zuschauen (übrigens weniger als die Südtribüne Dauerkarten hat) auch etwa 3.000 Dortmunder, die mit Bahn oder Auto angereist waren. Diesen lag beim Einlass in die BayArena schon ein erstes "Leverkusen Helau!" auf den Lippen angesichts der "Verkleidung" der Leverkusener Ordnungskräfte. Das Lachen sollte ihnen jedoch angesichts diskriminierender Schikanen schnell vergehen. Schlimmer als an jedem Flughafen wurden die BVB-Fans am Eingang abgetastet. Ist man inzwischen als Auswärtsfan daran gewöhnt, Fahnen oder Doppelhalter nicht mit ins Stadion nehmen zu können, so musste nahezu jeder zweite BVB-Fan zudem seine Schuhe ausziehen, die auf ihren Inhalt überprüft wurden. Von Tabakbeuteln, Taschen etc. ganz zu schweigen. Um ihren Aufforderungen Nachdruck zu verleihen, tragen die Ordner in Leverkusen übrigens nicht die eher sportliche Kleidung wie in den meisten anderen Bundesligastadien auch, sondern dunkelgrüne Tarnanzüge, die auch vom BGS getragen werden. Gepaart mit dem klassischen Polizisten-Oberlippen-Bart und einem ungeheuer-wichtig ausschauenden Headset, wirkt diese Verkleidung wie eine Amtsanmaßung für jeden ordnungsliebenden Polizeibeamten. Dass die Fans von Roter Stern Belgrad im letzten Jahr an diesem Platz so ausrasten konnten (z.B. durch Würfe von bengalischen Feuer in die angrenzenden Fanblocks) erscheint zwar angesichts solcher Kontrollen, als nicht vorstellbar, bestätigt jedoch den Eindruck den man schnell von allzu scharfen Ordnungsdiensten haben kann: Brave Fans wie Kleinkriminelle behandeln und bei wirklichen Gewalttätern den Schwanz aus Angst einziehen. Es bleibt zu hoffen, dass so ein Vorgehen keine Signalwirkung hat.
Zum Spiel: Beim BVB fehlte Spielmacher Rosicky, bei Leverkusen Bernd Schneider. Beide wegen ihrer 5. gelben Karte. Desweiteren fielen auf Seite der Westfalen noch Jörg Heinrich wegen einer Oberschenkelverletzung aus dem Spiel gegen Lille sowie der kurzfristig grippeerkrankte Christian Wörns aus. Für ihn kam Oldie Jürgen Kohler in die Mannschaft. Erstmals auf der Bank sass übrigens auch Deutschlands grosse Hoffnung für die WM 2006, David Odonkor, 17 jähriger Jugendnationalspieler aus Dortmund.
Die ersten 30 Minuten gehörten ganz eindeutig dem BVB. Bei weitem mehr Spielanteile bei den schwatzgelben, die den Ball gut laufen liessen. Daraus resultieren auch der erste -leider irreguläre- Treffer der Partie. Ewerthon wird nach 9 Minuten schön am rechten Strafraumeck freigespielt und schiesst den Ball vorbei an Butt ins Tor. Der an diesem Abend schwache Schiri Dr. Fleischer erkennt jedoch auf passives Abseits von Amoroso. Klare Fehlentscheidung, da der Brasilianer weder ins Spiel eingriff noch Butt die Sicht verdeckte.
Der Rest der Borussenoffensive ist wenig zwingen. Bayer zwar in die eigene Hälfte gedrückt, aber wenig Torchancen. Ein Spitzenspiel von Taktik geprägt.
Die Leverkusener dagegen effektiver: Placente entwischt dem schwachen Evanilson und flankt in die Mitte zu Ballack. In Dortmunds Abwehr herrscht keine Zuordung und so kann der Neu-Münchner ungehindert Lehmann in der 32. verladen und zum 1:0 einnetzen. Fortan ein offener Schlagabtausch mit tollen Chancen für Bastürk (33.) und Ballack (35.), die jedoch in beiden Fällen von Lehmann überragend pariert werden. In der 40. Minute eine tolle Chance für Amoroso, doch Butt will seinem Gegenüber in nichts nachstehen und pariert mit dem Fuss, so dass beide Mannschaften mit dem 1:0 in die Pause gehen.
Innerhalb von acht Minuten nach Wiederanpfiff dann die Vorentscheidung: Eckball Zé Roberto und Ramelow köpft nahezu ungehindert zum 2:0 ein. Das bereits 22. Tor nach einer Standardsituation für Bayer Leverkusen. Unverständlich, dass die Borussen-Abwehr darauf nicht vorbereitet war. Dann der Knock-Out für den BVB: Schiedsrichter Fleischer mit einer erneuten Fehlentscheidung: Placente "stolpert" über Jan Kollers Beine, und der Mann in schwarz zeigt dem Tschechen die Ampelkarte (53.). Wenn überhaupt, wäre es dessen zweites Foul im ganzen Spiel gewesen. Eine Ermahnung hätte es auch getan. So bekam man doch den Eindruck, der Schiri wollte das wieder gut machen, was sein Kollege eine Woche zuvor gegen Leverkusen entschieden hatte, als der FC St. Pauli kurz vor Schluss dank eines umstrittenen Handelfmeters noch zum Ausgleich kam. BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum nach dem Spiel: "So langsam platzt mir wirklich der Kragen. Ich habe das Gefühl: Frechheit siegt. Man muss nur laut genug jammern."
Wie dem auch sei, das Spiel war mit dieser Szene gelaufen. Bayer diktierte ab jetzt eindeutig das Geschehen und degradierte den BVB zu Statisten. Ebenso einfallslos, wie die Leistung auf dem Platz auch der Support der BVB-Fans, die stimmungstechnisch ihre schlechteste Saisonleistung in einem Auswärtsspiel in diesem Jahr ablieferten.
Nach gut einer Stunde nahm Sammer dann erst Ricken, Ewerthon und dann Amoroso raus. Einzig sein Ungeschick ein Loch in die Luft zu treten und nicht das Wadenbein seines Gegenübers zu zertrümmern, bewahrte den Brasilianer vor einer roten Karte. Sammers Herausnahme war mehr als richtig. So kamen dann - noch Otto Addo und Billy Reina zu ihrem ersten Bundesligaeinsatz nach sieben- bzw. sechsmonatiger Verletzungspause - immerhin etwas gutes an diesem Abend.
Der Rest ist schnell erzählt: Neuville nutzt einen Stellungsfehler von Evanilson zum 3:0 (64.) und Shooting-Star Berbatov trifft freistehend zum 4:0 (75.). Einzig und allein Lehmann war es zu verdanken, dass die Niederlage nicht noch deutlicher ausfiel. Der BVB verliert drei Punkte und im direkten Torverhältnis sogar acht Treffer beim direkten Duell mit seinem schärfsten Widersacher und fällt auf Rang 2 zurück. Es bleibt dabei: Borussia Dortmund kann gegen die "Grossen" einfach keinen Match-Point verwandeln und so hat die Saison auch trotz seines bislang guten Verlaufs einen kleinen Beigeschmack. Vergessen wir jedoch auch nicht, dass mit Pauli und Gladbach jetzt zwei eher leichte Heimspiele kommen und der BVB bereits einmal 5:0 in Karlsruhe verlor und 4 Spieltage später noch Meister wurde. Nochmals Präsident
Dr. Gerd Niebaum dazu: "Man kann auch ohne die so genannten Big Pionts Meister werden. Die Ausgangsposition ist weiterhin gut. Und ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir das Zeug dazu haben, den Titel zu holen."
Die Daten zum Spiel:
Borussia: Lehmann (4) - Kohler (4), Metzelder (3), Reuter (4,5) - Dede (5), Kehl (3,5), Ricken (5) [53., Addo (4,5)], Evanilson (6) - Ewerthon (4) [75., Reina (-)], Koller (5), Amoroso (5) [62., Stevic (4)].
Leverkusen: Butt - Zivkovic, Lucio, Nowotny, Placente - Ramelow, Ballack, Bastürk [72. Vranjes], Zé Roberto - Neuville [80. Brdaric], Kirsten [52. Berbatov].
Tore: 1:0 Ballack (32.), 2:0 Ramelow (50.), 3:0 Neuville (64.), 4:0 Berbatov (74.)
Gelbe Karten: Bastürk, Nowotny (damit gesperrt im nächsten Spiel), Kirsten - Reuter, Lehmann.
Gelb-Rote Karte: Koller (53., wiederholtes Foulspiel)
Schiedsrichter: Dr. Helmut Fleischer aus Hallstadt (Bayern) - Note 6: Indiskutable Leistung eines Heimschiedsrichters. Ihn aber allein für die Niederlage verantwortlich zu machen, wäre zu billig.
Zuschauer: 22.500 (ausverkauft, wie schafft Ihr das nur immer???)