Eua Senf

Das Märchen von der Bratwurst und dem Goldkehlchen

28.12.2001, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Dies ist eine Geschichte aus einer vergangenen Zeit. In jener Zeit fanden viele Menschen große Freude daran, mit ihren Helden mitzufiebern, die in edlem Wettkampf versuchten, eine kleine Kugel aus Leder in einen "Tor" genannten Kasten einer gegnerischen Mannschaft zu plazieren. Es herrschte meist lebhaftes Treiben und es flossen oft Tränen der Freude und der Schmach - doch niemand, der einmal von diesem Spiel gefangen war, wollte jemals wieder davon lassen. Diese Geschichte handelt von dem schändlichen Versuch der Gesellen um Uli der Bratwurst, diesen Menschen die Freude an diesem Spiel zu nehmen.

Das Märchen von der Bratwurst und dem Goldkehlchen

Zu jener Zeit strahlte im tiefen Süden des Landes ein Turnierverein im vollen Glanze seiner Wettkampferfolge. Nach Gewinn von nationaler Meisterschaft und internationalen Regentenpokalen glaubte man, sich mit dem profanen Allerlei der nationalen Wettstreiter nicht mehr befassen zu müssen. Schließlich empfand man sich schon lange als das Maß aller Dinge. Da die Seele der südlichen Eingeborenen schon von Natur aus zwischen gesundem Selbstbewußtsein ("mia san mia") und von den anderen Völkern gefürchteter polternder Anmaßung schwankte ("Ober sticht Unter"), brauten sich düstere Wolken über den heimischen Turnierstätten zusammen. Gehütet wurde der südliche Wettkampfgral von drei ehemaligen wackeren Rittern: Maggi-Franze, Rummelfliege und Uli der Bratwurst.

Maggi-Franze gab den Hofnarren, dem man ob seiner großartigen früheren Turniererfolge auch noch die erbärmlichsten Torheiten als Worte der Offenbarung von den Lippen las (später wurde daraus das Märchen von des Kaiser´s neuen Kleidern, aber das ist eine andere Geschichte...). Seine von vielen Verblendeten als Charisma mißverstandene Mischung aus Selbstverliebtheit und Neigung zu vulgären Ausfällen (denen dereinst fast ein mutiger kleiner Reporter aus dem fernen Lande Mexiko zum Opfer gefallen war) in Verbindung mit seinen guten Beziehungen zu angesehenen und weniger angesehenen Kreisen des großen Landes sollte dem Verein zu etwas Weltläufigkeit verhelfen.

Rummelfliege war ein alter Kumpan der anderen beiden, was Grund genug war, ihn - nachdem ein tapferes Schneiderlein ihn mittels teurer Tücher zu äußerem Anschein von Vornehmheit verholfen hatte - zur Gewährleistung eines ordentlichen Gnadenbrotes in nicht weiter definierte Ämter einzubinden, in denen er keinen größeren Schaden anrichten konnte. Aufgetragen war ihm jedoch, öffentliche Äußerungen auf das Notwendigste zu beschränken. Unter anderem war er Maskottchen der ehrwürdigen Task-Runde, die sich der Rettung der nationalen Turnierkunst vor der absoluten Bedeutungslosigkeit verschrieben hatte.

Eigentlicher Führer der stolzen südlichen Turniergemeinschaft war jedoch ein Mann, den sie Uli die Bratwurst nannten und der ein wahrhaft stattliches Exemplar seines Stammes war. Die Herkunft seines Namens läßt sich heute nicht mehr vollends aufklären; er liegt vermutlich gleichermaßen in seinem ursprünglich erlernten Handwerk, seinem anmutigen Aussehen und seinem allseits gerühmten Charakter begründet.

Uli die Bratwurst hatte sich ganz der Aufgabe verschrieben, Ruhm, Macht und Gold der Südlichen immer weiter zu mehren und war dabei gewitzt und zu jeder arglistigen Tat bereit. Jedoch lag wie ein Schatten die Neigung zu selbstgerechter Eiferei über ihm, der sich aus dunklen Kindertagen zu nähren schien. Die Südlichen waren allesamt wackere Kämpfer ihrer Sache und wen sie nicht durch üble Intrigen zu Fall brachten (was unter anderem dem "verschnupften Däumling", einem ehemaligen Turnierleiter derer zu Legohausen widerfuhr), den gewannen sie durch freigiebigen Einsatz ihres Dukatenschatzes für sich.

Uli die Bratwurst war jedoch auch großmütig zu allen Gegnern - solange sie sich ihm widerstandslos ergeben hatten.

Deshalb unterhielt er auch fast freundschaftliche Bande zu dem zweiten von damals drei großen Turnierverbindungen des Landes: entsprechend dem herzlichen Charakter eines längst vergessenen Kinderspiels wurde diese Gemeinschaft "die zu Legohausen" genannt. Die Wackeren von Legohausen, angeführt von Calli dem Bulligen, Tante Kaethe und Tante Clementine, hatten gute Arbeit geleistet und wussten durch feine Turnierkunst zu gefallen. Leider gewann der Verein kaum einmal Pokale und schon gar nicht die Herzen der Menschen, was Uli die Bratwurst im fernen Süden gnädig stimmte. Auch, daß man notfalls im letzten Spiel bereit war, den Mannen aus dem Süden selbstverachtend den Sieg zu überlassen, sah er mit Wohlgefallen. Mit so großem Gefallen, daß man den Knappen, der diese bittere Bürde einmal ganz alleine auf sich genommen hatte, einige Zeit später mit vielen goldenen Talern belohnte - doch hier greifen wir der weiteren Geschichte voraus.

Alles wäre vollkomen gewesen in der Welt von Maggi-Franze, Rummelfliege und Uli der Bratwurst, wenn es nicht im tiefen Westen des großen Reiches einen Stamm gegeben hätte, der so arg eigensinnig war. Lag Uli die Bratwurst manchmal nachts voller Gram schweißgebadet in seinem Gemach und haderte, ob all die vielen Anhänger auch noch seinen Clan und insbesondere ihn selbst lieben würden, wenn man einmal nicht mehr von Turniersieg zu Turniersieg eilen würde (an der Treue der Anhängerschaft gab es nämlich begründete Zweifel und alle waren froh, daß sie bislang noch nie auf eine harte Probe gestellt worden war..), so stellte sich bei den Anhängern der "Schwatz-Gelben" (so wurden sie aufgrund der putzigen Farben ihrer Ritterrüstungen genannt) diese Frage nicht.
Sie schienen infiziert von einer gar unheilbaren Zuneigung zu ihren Mannen, die härteste Prüfungen bereits überstanden hatte. Doch damit nicht genug, brauten die Schwatz-Gelben auch noch einen besseren Gerstensaft und wollten partout nicht den Südlichen kampflos den ersten Platz im Lande überlassen.

Dies war ein stetes Ärgernis für Uli die Bratwurst, der sich zunächst in herablassender Duldung der Westler erging, die ihreseits von Michael dem Mönch, Niebi dem Advokaten sowie Mattes dem Feuerkopf angeführt wurden.

Eines Tages drohte der unerwartete sportliche Niedergang der Schwatz-Gelben; Selbstzufriedenheit der Ritter und mangelnde Weitsicht der Burgherren hatten die Mannen in der Westfalenburg an den Rande dieses Verhängnisses gebracht. Da brach Michael der Mönch nach dem sagenumworbenen Transbörsanien auf und kehrte mit einem Dukatenesel wieder nach Hause zurück. Dies mehrte Michaels Ruhm und half, das drohende Unheil von den Schwatz-Gelben abzuwenden. Hierüber waren die Südler um Uli die Bratwurst betrübt, hatte man doch gehofft, daß das Ärgernis der aufmüpfigen Schwatz-Gelben sich wie durch Gottes Fügung von alleine erledigen würde. So aber sah man sich gezwungen, einen Masterplan zu entwickeln. Wie konnte man einerseits endgültig die Herzen und Geldbeutel der Massen gewinnen und andererseits die schnöden Aufmüpfigen im Westen in ihre Schranken weisen?

Der Plan sah vor, daß der Verein der Südlichen das Mekka aller jungen wackeren Turnierkämpfer werden sollte, zumal in einigen Jahren ein großes interkontinentales Turnier im Lande stattfinden sollte, daß das Augenmerk auf die Landesvertretung der holden Kicker lenken würde. Schön wäre es, wenn das Große das Kleine und das Kleine das Große wäre: immer würde man den Südlichen zujubeln und deren Ruhm - ausgedrückt in verkauften Ritterrüstungen und Zuwendungen verschiedenster Handwerksbetriebe - würde sich mehren und mehren.

Die Aufgabe stellte sich eigentlich ganz einfach dar: denn so viele wackere Jünglinge gab es gar nicht im Lande (jedenfalls nicht solche, die von den Minnesängern gepriesen wurden) - eigentlich sogar nur drei: den schönen Balle, den flinken Bastl und das Goldkehlchen.

Uli die Bratwurst klatschte in die Hände und rief: alle drei auf einen Streich! Da man im Süden seine beschmutzten Ritterrüstungen einfach in dunkle Röhren fallen lassen konnte, aus denen sie wundersamerweise golden funkelnd wieder auftauchten und weil man dort auch ohne selbst allzu oft den Turnierplatz betreten zu müssen Meister aller Klassen werden konnte sowie darüber hinaus ein paar gute Rappen gezahlt bekam, schien die Aufgabe lösbar. Und wirklich: nach Darbringung stolzer Gaben wollten alle drei gepriesenen Jungritter dem Ruf nach Süden folgen.

Schon lange verfuhren die Südler nämlich in aller Heimlichkeit so, daß sie hoffnungsvollen Knappen (die Schwatz-Gelben mögen mir den garstigen Ausdruck verzeihen, aber so wurden die Streiter damals nunmal genannt), die man - vielleicht auch erst in ferner Zukunft - als Ritter unter Vertrag nehmen wollte, kostbares Geschmeide und exotische Früchte schenkten. Dies hatte neben dem Gefühl einer unausgesprochenen Leibeigenheit zur Folge, daß darob beschenkte Ritter, sollten sie wieder einmal auf dem Turnierplatz den Mannen des Südens entgegentreten müssen, beim Anblick der südlichen Turniermannschaft schwache Beine und schwindende Sinne empfanden. Diese unrühmliche Strategie der Südlichen wurde durch einen der wenigen unabhängigen Minnesänger dem Volke mitgeteilt, woraufhin er sich als Strafe von da an ausschließlich von südlichem Bier und Ulis Bratwürsten ernähren durfte - er soll sich dann aus tiefer Verzweiflung von den Turmzinnen gestürzt haben.

Dem Clan der Südlichen malte sich der geplante Triumph über die Schwatz-Gelben in den schönsten Farben an die Burgmauern: alle Menschen im Lande würden nun sehen, daß die stolzesten und hoffnungsvollsten Knappen nur nach Süden ziehen wollten, weil dort und nur dort die hohe Turnierkunst gepflegt wurde und die süssesten Früchte wuchsen! Welche Schmach wäre es für die Schwatz-Gelben: keiner der Jünglinge wollte nach Westen!

Doch mischten sich bittere Tropfen in den süßen Wein: Der flinke Bastl klagte trotz seiner blühenden Jugend über häufige Pein und Uli die Bratwurst sowie seine Mannen waren sich nicht wirklich sicher, ob all die vielen Golddukaten (und es waren derer viele) sich für ihn rentieren würden. Leider war auch der schöne Balle etwas unstet in seinen Turnierleistungen und fiel schon mal vom Pferd, was ihn als erhofften Nachfolger des alten Rabauken Effe (ein rauher Gesell, der zwar mitgeholfen hatte, den Ruhm der Südlichen zu mehren, jedoch durch allerlei Händelei und tumbe Sprüche aufgefallen war) als unsicheren Kantonisten erscheinen liess. Die auffälligste Tat des schönen Balle war bis dahin seine Mithilfe zum Titelgewinn der Südlichen - doch spielte er da noch in der Mannschaft der Legohausener!

Zum Glück gab es ja noch das Goldkehlchen, dem viele den strahlensten Weg der Drei voraussagten und der auch noch dadurch gefiel, daß man ihn für vergleichsweise wenige Dukaten in Lehen nehmen konnte.

Aber das Goldkehlchen wollte nicht so zwitschern, wie man es sich im Süden erwartet hatte. Ursprünglich hatte er dem Bratwurstclan seine große Freude über das ihm angetragene baldige Wirken im tiefen Süden versichert und vor lauter Schmeichelei ganz vergessen, den großen Sack mit Dukaten fallen zu lassen, den Bratwurst-Uli ihm vorab als Wahrheitsprobe in den Arm gedrückt hatte. Wie es schien, war Goldkehlchen dann jedoch aufgegangen, daß er zunächst nur als wohlfeiles Schmuckstück und ansonsten als billiger Ersatzritter für den Fall vorgesehen war, daß der schöne Balle oder der flinke Bastl nicht genügen würden. Auch langes Zureden durch den südlichen Turnierleiter, den "scharfen Ottmar" (der vor langer langer Zeit die Schwatz-Gelben zu Ruhm und Ehre und zu gleichberechtigtem Status den Südlichen gegenüber geführt hatte; dies hatte einen zornigen Bann durch die Südlichen zur Folge und fortan musste er in bitterer Fronarbeit Titel um Titel für den Clan um Uli die Bratwurst mehren, ohne daß er darob Freude oder Erlösung hätte empfinden dürfen, was man ihm alsbald ansah...), half nicht, bei Goldkehlchen diesen Argwohn zu zerstreuen.

Diese trübe Aussicht ließ sich auch durch noch so viele Golddukaten nicht ertragen und so wollte das Goldkehlchen dann doch lieber woanders singen. Uli die Bratwurst war erzürnt: wie konnte man ihm, dem Allmächtigen der nationalen Turnierkunst widersprechen? Wer war so anmaßend, all seinen Talenten zu widerstehen? Doch damit nicht genug: es waren ausgerechnet die Schwatz-Gelben, zu denen es das Goldkehlchen zog und das löste blinden Haß aus!

Alle Getreuen unter den Minnesängern (es waren fast alle im Lande), viele Dukaten und manche Winkeladvokaten wurden aufgeboten, um Goldkehlchen und die Schwatz-Gelben der öffentlichen Ächtung preis zu geben. Aber störrisch wie immer war den Schwatz-Gelben das Donnergrollen aus dem Süden einfach egal!

Und so kam es, wie es kommen musste.

Wie die Schwatz-Gelben zusammen mit dem Goldkehlchen im folgenden die Südlichen ordentlich ärgerten, Maggi-Franze die Suppe versalzt wurde und die Bratwurst von Uli platzte, erzähle ich euch aber ein anderes mal...

Geschrieben von Torwarttrainer

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