
Spielbericht Borussia Dortmund gegen VfL Wolfsburg Alle spielen für uns. Sogar wir!

Durch Bayerns Unentschieden in Leipzig hatten wir die Chance, einen weiteren Platz zu klettern. Vorrausetzung ein Sieg zuhause gegen Wolfsburg. Eine Aufgabe, die die Mannschaft am Ende souverän gelöst hat.
Wer hätte das vor wenigen Wochen gedacht? Statt die Saison belanglos im Niemandsland der Tabelle austrudeln zu lassen, hat uns eine Serie von sechs Siegen und einem Unentschieden wieder ganz dicht an die Champions League Ränge gebracht. Das, was in den letzten Jahren so schnöde als Minimalziel betrachtet wurde, ist auf einmal etwas, für das man hart kämpft. Und es macht irre Spaß!
Vor der Saison hätte ich nicht gedacht, dass der Gedanke an den vierten Tabellenplatz ein Kribbeln auslöst. Die letzten Wochen haben dafür gesorgt, dass man sich wieder aufs Wochenende freut, die Nervosität am Spieltag steigt und man die Zwischenstände der Konkurrenten genau so intensiv checkt wie im Kampf um die Meisterschale. Plötzlich werden auch die Rituale wieder wichtig. Seit einiger Zeit nutze ich Borussia als Motivationshilfe beim Laufen. Am Wochenende ist immer ein längerer Run angesagt und die anvisierte Zielstrecke muss geschafft werden, damit Borussia gewinnt. Natürlich völlig banane und beides hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Aber trotzdem ist da die Stimme im Hinterkopf, die flüstert, dass man am Ende doch schuld daran wäre, wenn es mit dem Sieg nichts wird. Und da die Aufholjagd eine große Aufgabe ist, musste auch das Ritual angepasst werden. Vor jedem Spiel einen Kilometer oben drauf. Also beißen für die Champions-League.

So ging es heute dann mit etwas schweren Beinen zum Stadion. Beim Aufbruch etwas genervt, weil der erhoffte Erfolg der Bayern in Leipzig mit einem 0:2 zur Pause wohl eher nicht eintreffen würde. Da drückt man den Lederhosenhonks ein Mal die Daumen und dann sowas. Möge ihnen jemand ins Meisterschaftsweißbier pinkeln. Unterwegs an der Ampel nochmal kurz aufs Handy geschaut – 2:2. Sauber. Wenig später dann auch noch das 3:2. Herzlichen Glückwunsch zur verdienten Meisterschaft, ihr Bayern. Lasst Euch das Meisterschaftsweißbier schmecken. Zwar konnte Leipzig noch mit dem Schlusspfiff ausgleichen, aber das reichte, um uns Platz 5 auf dem Silbertablett zu servieren. Wohl auch ganz gut – man muss Hoeneß und Co. ja nicht unbedingt dankbarer sein als nötig.
Nicht viel los in Halbzeit 1

Warum ich das alles so erzählen kann? Weil ich Platz füllen muss. Den Platz, der im Text für die erste Halbzeit reserviert war. Die ist nämlich schnell erzählt. Dabei erst einmal ein kurzer Rückblick auf die Zeit vor dem Anstoß. Dort wurde der Gewinner des Mehmet Kubaşık Cup vor der Süd geehrt. Ein schöner und wichtiger Ansatz um das Gedenken an die Mordopfer des NSU aufrecht zu erhalten. Leider war die Resonanz der Tribüne darauf sehr überschaubar, was aber auch zum einen an der Klanganlage, die wie so oft eher einen Klangbrei serviert, gelegen haben könnte, zum anderen aber auch daran, dass viele das gar nicht mitbekommen haben, weil die Leute gerade erst ihre Plätze eingenommen und die gewohnten Nachbarn begrüßt haben.
Ansonsten war die Tribüne zu Beginn ziemlich lautstark da. Man spürte direkt, dass alle gewillt waren, ihren Teil dazu bei zu tragen, doch noch wieder in die Königsklasse einzuziehen. Und nach drei Minuten wurde es dann direkt noch einmal lauter. Süle tankte sich in gewohnt graziler Manier auf der rechten Seite und passte scharf Richtung Strafraumkante auf Julian Brandt. So scharfe, dass der Ball unter dessen Schuhsohle drunter her rutschte. Können wir Brandt trotzdem als Assist gutschreiben, weil die Aktion auch den Wolfsburger Abwehrspieler überraschte, der den Ball ebenfalls auf Guirassy durchließ. Was der Stürmer dann machte, hätte ich selbst nicht besser machen können. Und alle, die mich jemals haben spielen sehen, wissen ganz genau, dass ich es wirklich nicht besser machen könnte. Schuss angetäuscht, gewartet bis Keeper Grabara auf dem Weg in die lange Ecke war und dann cool ins freie Eck eingeschoben.
Das wars dann aber auch leider schon aus der ersten Halbzeit. Statt Sicherheit zu geben, schien die Mannschaft zum ersten Mal das Gefühl gehabt zu haben, etwas verlieren zu können und wusste nicht so recht damit umzugehen. Man verhielt sich seltsam passiv und fahrig und im Zweifel schob man den Ball wieder nach hinten, statt eine Offensivaktion zu starten. Zum Glück hatte man einen Gegner, der genau so agierte, wie es jeder anständige Arbeitnehmer an seiner Stelle auch getan hätte. Kurz vor dem Jahresurlaub gerade so beschäftigt wirken, dass es einerseits nicht in echte Arbeit ausartet, andererseits aber auch nicht unangenehm auffällt.
Ansonsten bleibt eigentlich nur eine Szene aus der ersten Halbzeit in Erinnerung. Waldemar Anton, der mittlerweile eine echte Säule in der Abwehr ist, saß auf dem Boden und musste behandelt werden. Kapitän Emre Can machte sich schon warm, Anton schleppte sich aber noch zur Halbzeitpause. Nur wenige Minuten nach Wiederanpfiff signalisierte er dann, dass er dann doch ausgewechselt werden wolle, biss aber auf die Szene. Bis zum Abpfiff. Da will einer.
Und dann Rambazamba in Halbzeit zwei

Grundsätzlich wirkte es aber so, als würde die zweite Halbzeit spielerisch ähnlich laufen wie die erste. Bis Brandt in der 59. Minute im Strafraum den Ball an Pascal Groß spielte. Der guckte seine drei Gegenspieler an und sagte ihnen: „Ich spiele jetzt einen Rückpass.“ Und während die drei Wolfsburger eifrig begannen, diesen Rückpass zu unterbinden, drehte Groß blitzschnell eine Pirouette, für die man ihm direkt die Goldmedaille im Eistanz verleihen sollte, in die Gegenrichtung und servierte für Guirassy, der zentral vor dem Tor schon schwerere Aufgaben zu erledigen hatte. Das 2:0 und so wichtig. Fast hätte Julian Brandt auch direkt das dritte Tor nachgelegt, leider schob er den Ball nicht nur am Torwart, sondern auch am Tor vorbei.
Das blieb dann Karim Adeyemi vorbehalten, der für Jamie Gittens ins Spiel kam und nach zwei Minuten ein kleines Tänzchen im gegnerischen Strafraum wagte und zum krönenden Abschluss die Murmel humorlos ins Netz setzte. Direkt danach eine ähnliche Szene nach einem Doppelpass mit Brandt, frei vorm Tor – zack und fertig.
Die Tribüne war jetzt endgültig in Partylaune und schmetterte all die Gesänge vom Europapokal, vom Abstiegskampf und Pokalen und sogar der BVB-Walzer war nach langer Zeit mal wieder zu hören. Alles in fetter Lautstärke und eine deutliche Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte analog zum Geschehen auf dem Rasen. Obwohl keine Tore mehr fielen, gab es doch einige äußerst bemerkenswerte Szenen. Das Spiel mit 4:0 gelaufen und der verdiente Feierabend dicht vor Augen – für die Spieler diesmal kein Zeichen, vorzeitig runter zu schalten. So kämpfte Niklas Süle zum Beispiel mit brachialer Wucht gegen zwei Gegner um den Ball und wetzte mit ihm nach vorne und so sprintete Svensson einem Ball hinterher, der eigentlich locker zum Abstoß für Wolfsburg über die Grundlinie getrudelt wäre. Alles Szenen ohne einen wirklichen spielerischen Mehrwert, aber der Ausdruck vollen Engagements bis zum absoluten Ende. Auch wenn das Spiel schon längst entschieden war. Das ist der Spirit, den die Mannschaft braucht, um noch zwei Siege einzufahren und der Spirit, für den sie es am Ende auch verdient hätte.
Und jetzt holen wir uns Freiburg.
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