Sie sind, neben den Wahlen, das Herzstück einer jeden Mitgliederversammlung: Die Anträge. Doch häufig geht es um Satzungsänderungen, juristische Feinheiten und vereinsrechtliche Fragen. Themen, die den "normalen Fußballfan" eher selten beschäftigen und doch soll er auf der Mitgliederversammlung für oder gegen den jeweiligen Antrag abstimmen.
Um euch die Orientierung für die anstehende MV etwas zu vereinfachen, haben wir die Anträge etwas zusammengefasst und erklären, was hinter den einzelnen Anträgen steckt oder stecken könnte. Zudem geben wir unsere persönliche Einschätzung zu den einzelnen Anträgen ab.
WICHTIG: Wir geben hier explizit keine Wahlempfehlungen ab. Dieser Artikel dient dazu, euch den Einstieg in die Thematik zu erleichtern und unsere Sicht der Dinge darzulegen. Diese muss nicht zwangsläufig mit euren Ansichten übereinstimmen. Aus diesem Grund haben wir bewusst versucht, bei allen Anträgen Vorteile, aber auch Risiken aufzuzeigen.
Zudem kann es sein, dass in der laufenden MV noch Erklärungen oder Ergänzungen folgen, die einen Antrag plötzlich in einem neuen Licht erscheinen lassen. Deswegen hört bei der MV aufmerksam zu und bildet euch eine eigene Meinung zu den Anträgen.
Grundsätzliches
Der BVB ist zumindest in dieser Hinsicht (erstmals) erfreulich transparent unterwegs und stellt die Anträge in einem PDF-Dokument gesammelt und übersichtlich unter diesem Link zum Download bereit. Hier findet ihr auch, gerade bei den Satzungsänderungsanträgen, die alte und die beantragte neue Form der Satzung gegenübergestellt. Zudem gibt es zu jedem Antrag eine Begründung des Antragsstellers.
Sollte euch also noch etwas unklar sein, dann schaut gerne in das Dokument rein.
Satzungsänderungsanträge
Wie der Name es schon sagt, möchten die Antragssteller mit einem solchen Antrag die Satzung von Borussia Dortmund ändern. Da es sich bei der Satzung um ein hohes Gut handelt, ist bei Satzungsänderungsanträgen eine Mehrheit von 75% der Stimmen notwendig, damit der Antrag angenommen wird.
1.) Änderung der Satzung durch Neufassung des § 17 Absätze (1), (5) und (7) (weiteres ordentliches Vorstandsmitglied)
Antragssteller*innen: Vorstandsmitglieder Dr. Reinhold Lunow, Silke Seidel und Bernd Möllmann
Inhalt: Der Vorstand soll von bislang drei Personen (Präsident, Stellvertreter, Schatzmeister) auf vier Personen erweitert werden. Die vierte Person wird im Satzungsantrag als „weiteres ordentliches Vorstandsmitglied“ bezeichnet.
Begründung: Die Antragssteller*innen verweisen auf die stark gestiegene Mitgliederzahl von Borussia Dortmund, die einen Aufstockung des Vorstanden notwendig machen.
Einschätzung: Dieser Antrag ist bereits seit einiger Zeit bekannt. Sascha hat hierzu bereits einen ausführlichen Artikel verfasst. Auch die jetzt veröffentlichte Begründung bietet keine weitergehende Erklärung. Zuletzt wurde bekannt, dass der Wahlausschuss nicht - wie ursprünglich vermutet - Jakob Scholz, sondern Dr. Sabine Aldermann als potenzielle "Nutznießerin" eines vierten Vorstandsamts vorgeschlagen hat. Selbst die mitunter zu vernehmende Begründung, durch den Antrag solle ein "Fanvertreter" im Präsidium sitzen, ist somit nicht mehr gegeben. Aber selbst wenn dem so wäre: Die Satzung rein aufgrund personenbezogener Motive zu ändern, halten wir für einen gefährlichen und kritikwürdigen Vorgang.
2.) Änderung der Satzung durch Neufassung des § 19 Absatz (2) und Einfügen eines § 20 (neu) (Aufgaben des Wahlausschusses (Mehrfachvorschläge, Transparenz))
Antragssteller: Dirk Kießling
Inhalt: Es soll ein neuer § 20 in die Satzung eingefügt werden, in dem vor allem geregelt wird, dass der Wahlausschuss Mehrfachvorschlägen machen kann. Darüber hinaus soll mehr Transparenz in die Arbeit des Wahlausschusses gebracht werden. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Wahlausschuss mehrere Kandidaten für eine Wahl zulassen kann, sofern diese vorher bekanntgegebene Kriterien erfüllen. Werden Kandidaten nicht zugelassen, so muss der Wahlausschuss den Mitgliedern eine Mindestbegründung zur Nichtzulassung geben.
Begründung: Demokratie und Transparenz sollen gestärkt werden. Klare Definitionen und Kriterien sollen die Rechtssicherheit erhöhen.
Einschätzung: Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie notwendig eine Satzungsänderung in dieser Hinsicht ist. Die bisherige Satzung ist besonders im Bereich „Mehrfachvorschläge“ unzureichend. Auch die eingebrachte Transparenz ist im Hinblick auf das für die Mitglieder nicht nachvollziehbare Gebaren des Wahlausschusses in den vergangenen Wochen zu begrüßen. Insgesamt könnte der Antrag eine sinnvolle Ergänzung der Satzung darstellen, wenngleich der schiere Umfang des Vorschlags und die zahlreichen Verweise und Regelungsaufträge auch neue Unsicherheiten verursachen könnten.
3.) Änderung der Satzung Einfügung eines § 17 Absatz (6) (neu) und durch Einfügung eines § 20 Absatz (4) (neu) (Einführung einer Altersgrenze für Vereinsorgane)
Antragssteller: Dirk Kießling
Inhalt: Die Satzung soll dahingehend verändert werden, dass in den Vorstand und in den Wirtschaftsrat nur Kandidat*innen gewählt werden können, die am Tag der Wahl noch keine 75 Jahre alt sind. Sollten die Kandidat*innen während ihrer Wahlperiode 75 Jahre alt werden, beenden sie die Wahlperiode regulär, können jedoch nicht wiedergewählt werden.
Begründung: Der Antragssteller möchte mit der Altersgrenze erreichen, dass in den Vereinsorganen eine ausgewogene Altersstruktur herrscht und durch das automatische Ausscheiden älterer Mitglieder Platz für jüngere entsteht.
Einschätzung: Grundsätzlich ist eine Altersgrenze nicht verkehrt, um zu verhindern, dass Vereinsvertreter*innen auf ihren Posten „kleben“. Gleichzeitig ist nicht außer Acht zu lassen, dass insbesondere die Vorstandsposten einen so hohen Zeitaufwand bedürfen, dass dies für jüngere, berufstätige Menschen kaum zu schaffen ist. Somit besteht die Möglichkeit, sich mit dem Antrag noch weiter in der Auswahl geeigneter Personen einzuschränken. Wenngleich eine Verjüngung der Gremien sicherlich ein gutes Anliegen ist, könnte eine Amtszeitbegrenzung möglicherweise ein besseres Instrument darstellen als eine Altersbegrenzung.
4.) Änderung der Satzung durch Neufassung des § 16 Absatz (3), durch Neufassung des § 17 Absatz (5), durch Neufassung der Überschrift des § 19, Einfügung eines § 19 Absatz (6) (neu) und § 19 Absatz (7) (neu) und durch Neufassung des § 20 Absatz (2) (Antrag Demokratie stärken! Vorschlagsrecht der Mitgliedschaft)
Antragssteller: Timo Boehr und Christopher Giogios
Transparenzhinweis: Christopher Giogios ist Vorstands- und Redaktionsmitglied bei schwatzgelb.de
Inhalt: Durch die Satzungsänderung soll ein Vorschlagsrecht der Mitglieder für die Vorstands- und Wirtschaftsratswahl implementiert werden. Dabei müssen, um als Kandidat*in vorgeschlagen zu werden, für Vorstandsämter dem Wahlausschuss Unterschriften von 2% der Mitglieder (also momentan ca. 4.600) vorgelegt werden. Für den Vorschlag als Kandidat*in des Wirtschaftsrates müssen 1.500 Unterschriften von Mitgliedern vorgelegt werden.
Begründung: Der BVB hat mittlerweile 230.000 Mitglieder. Trotzdem haben diese Mitglieder keinerlei Mitspracherecht beim Wahlvorschlag des Wahlausschusses. Dies soll durch die Satzungsänderung behoben werden. Dabei behält der Wahlausschuss seine Funktion bei, in dem er weiterhin Wahlvorschläge machen kann.
Einschätzung: Der Antrag stärkt die Mitgliederrechte, da zukünftig auch Kandidat*innen aus den Reihen der Mitglieder vorgeschlagen werden können, wie es bei anderen Vereinen bereits möglich ist. Beispielhaft kann hier der 1. FC Köln genannt werden, bei dem zur letzten Vorstandswahl gleich drei verschiedene Teams antraten, von denen eins durch den Wahlausschuss und zwei durch die Unterschriften der Mitglieder vorgeschlagen wurden. Die Anzahl an notwendigen Unterschriften mag zunächst recht hoch erscheinen, doch damit sollen die möglichen Kandidat*innen gezwungen werden, inhaltlichen Wahlkampf zu betreiben, um die notwendigen Unterschriften zu sammeln. Wie dies in der praktischen Umsetzung gelingt, bliebe im Falle einer Annahme des Antrages abzuwarten.
5.) Änderung der Satzung durch Neufassung des § 11 Absatz (2), des § 19 Absatz (2) und des § 20 Absatz (1) (Zusammensetzung Wirtschaftsrat)
Antragssteller: Benedict Killing
Inhalt: Die Satzung soll in der Form geändert werden, dass zukünftig alle 8 Mitglieder des Wirtschaftsrates durch die Mitgliederversammlung gewählt werden.
Begründung: Bislang wurden vier Mitglieder des Wirtschaftsrates durch die Mitgliederversammlung und vier Mitglieder werden vom Vorstand berufen. Da der Wirtschaftsrat gemäß § 21 der Satzung die maßgebliche Kontrollfunktion des Vorstands ausübt, verletzt dieser Zirkelschluss die Grundsätze guter Vereinsführung.
Einschätzung: Der Zirkelschluss ist ohne Frage vorhanden. Ein vollständig von den Mitgliedern gewählter Wirtschaftsrat verringert gegenseitige Abhängigkeiten bezüglich Kontrollfunktion und Vorschlagsrecht für Kandidaten des Vorstandes (über den Wahlausschuss). Zudem könnte der Antrag dazu beitragen, dass sich ein Vorstand nicht über das Mitgliedervotum hinwegsetzt und Personen im Wirtschaftsrat installiert, die bei einer vorherigen Wahl kein Mehrheitsvotum erhalten haben. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der Wirtschaftsrat in seiner Funktion als Kontrollorgan nicht einer grundlegenderen Reform bedarf.
Weitere Anträge
Bei den weiteren Anträgen ist zur Annahme eine Mehrheit von 50% erforderlich.
1.) Antrag Erweiterung des Grundwertekodexes
Antragssteller*innen: Vorstandsmitglieder: Dr. Reinhold Lunow, Silke Seidel und Bernd Möllmann
Inhalt: Der Grundwertekodex soll um eine Rubrik zu Partnerschaften mit Geschäftspartnern erweitert werden.
Begründung: Im Anschluss an die Mitgliederversammlung 2024 wurde eine Kommission einberufen, die einen Vorschlag für die Position des Vereins zu Partnerschaften erarbeitet hat. Dieser Vorschlag soll nun in den Grundwertekodex aufgenommen werden.
Einschätzung: Grundsätzlich ist es kein schlechtes Ansinnen, Leitplanken für Partnerschaften zu definieren. Gleichzeitig ist diese neue Rubrik sicherlich eher eine "Feelgood"-Passage, da man sich im Kern nur verpflichtet, bestehende Gesetze und Vorgaben zu erfüllen. Daher ist es fraglich, ob der - bewusst simpel und verständlich gehaltene - Grundwertekodex in dieser Weise "aufgebläht" werden sollte.
2.) Antrag Transparenz über die Arbeitsweise der Vereinsorgane
Antragssteller: Wilfried Harthan
Inhalt: Der Vorstand, der Ältestenrat, der Wahlausschuss und der Wirtschaftsrat geben sich auf ihrer konstituierenden Sitzung eine Geschäftsordnung und wählen (mit Ausnahme des Vorstands) ihren Vorsitzenden und deren Stellvertreter*innen. Diese Beschlüsse sowie eventuelle Änderungen sollen zukünftig im Mitgliedermagazin veröffentlicht werden.
Begründung: Die interessierten Mitglieder erfahren so, wie sich die Organe zusammensetzen und nach welchen Geschäftsordnungen sie verfahren.
Einschätzung: Kurz und knapp: Dies ist sicherlich in jeglicher Hinsicht als sinnvoll zu bewerten.
3.) Antrag zur Einführung einer „Multi“-Mitgliedschaft
Antragssteller*innen: Anke Müller, Michael Müller, Diana Borchers und Daniel Borchers
Inhalt: Bislang muss man sich bei der Beantragung der Mitgliedschaft im e. V. für eine bestimmte Abteilung entscheiden. Zukünftig soll eine Mitgliedschaft in mehreren Abteilungen möglich sein.
Begründung: Damit soll Mitgliedern, die an mehreren Bereichen des BVB interessiert sind (bspw. Fan- und Förderabteilung sowie Handballabteilung) die Möglichkeit gegeben werden, an den jeweiligen Abteilungsversammlungen teilzunehmen.
Einschätzung: Es ist nachvollziehbar, dass interessierte Mitglieder an den jeweiligen Abteilungsversammlungen teilnehmen. Hier sorgt eine mögliche „Multi“-Mitgliedschaft für mehr Teilhabe der Mitglieder, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
4.) Antrag Änderung des Vereinswappens des Ballspielvereins Borussia 09. e.V. Dortmund zum Wappen von 1974
Antragssteller: Sam-Joel Reinken
Inhalt: Der BVB soll als offizielles Wappen eine modernisierte Form des von 1974-76 und 1978-83 genutzten Wappens verwenden.
Begründung: Das Wappen wird bereits auf Sondertrikots, dem aktuellen Cuptrikot und Merchandiseartikeln verwendet und erfreut sich großer Beliebtheit. Auch andere Vereine sind zu ihren traditionellen Wappen zurückgekehrt und konnten dadurch ihre Markenstärke steigern.
Einschätzung: Es ist zunächst einmal natürlich Geschmackssache, welches der Wappen einem persönlich besser gefällt. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie eine modernisierte Form genau aussehen soll und wer die Modernisierung vornimmt. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Geschmacksfragen Gegenstand eines Beschlusses der Mitgliederversammlung sein sollten.
5.) Antrag Berufung einer Satzungskommission
Antragssteller: Wilfried Harthan
Inhalt: Der Vorstand soll eine repräsentative Satzungskommission berufen. Diese hat die Aufgabe der MV 2027 einen Antrag auf Satzungsänderung mit Eckpunkten rund um das Wahlverfahren und den Wahlausschuss vorzulegen.
Begründung: Erfolgt durch den Antragssteller mündlich auf der MV.
Einschätzung: Die Eckpunkte überschneiden sich teilweise mit den Satzungsänderungsanträgen. Trotzdem hätte eine Satzungskommission die Möglichkeit, auch bei Annahme der anderen Anträge, die Satzung ggf. noch einmal besser auszuschärfen. Das "Konzept" Satzungskommission wäre sicherlich mit Blick auf Transparenz und Teilhabe eine grundsätzliche Diskussion wert, wie die mitgliederbasierte Kampagne "BVB2029" zeigt.
Weitere Artikel