
Nach der ersten Länderspielpause musste Borussia zum dritten Halt des vermeintlich leichten Auftaktprogramm nach Heidenheim. Natürlich ein Spiel der Kategorie „Pflichtsieg“, aber bereits der Auftritt am Hamburger Millerntor hat gezeigt, welche Tücken so ein Spiel haben kann. Schon eins vorweg: der Auftritt an der Ostalb geriet nicht einmal annähernd so spannend-überraschend wie das vorherige Auswärtsspiel.
Dies und Das
Neben bereits altbekannten Ausfällen in der Innenverteidigung fehlten nach einer Operation auch Julian Brandt und der neue Meister der Grätsche Arón Anselmino. Letzterer aufgrund von Fitnessproblemen, die auch bei seinem Mannschaftskameraden aus Zeiten beim Chelsea FC, Carney Chukwuemeka, noch dafür sorgen, dass er kein Kandidat für die Startelf ist. Bei allem Verständnis dafür, dass Wechselkandidaten aus der Loan Army dort keine besondere Priorität haben und wohl im Training eher stiefmütterlich behandelt werden, ist es schon ein wenig unverständlich, dass sich Profifußballer nicht selber in einen entsprechenden körperlichen Zustand versetzen können. Es gibt z.B. tausende absolute Amateursportler, die sich nach Feierabend auf ein Level trainieren, mit dem sie an Ultraläufen mit 100 km und mehr und ordentlich Höhenmetern teilnehmen können. Da sollte es für hauptberufliche Leistungssportler nicht komplett unmöglich sein, auch abseits des Vereinstrainingsplatzes an sich zu arbeiten. Natürlich ebenso nicht an Bord war Neuzugang Fábio Silva, der, was seine Krankengeschichte angeht, anscheinend ebenso vergesslich ist wie Max Kruse, wenn es um größere Geldbeträge geht.
Nun gehört die Auswärtsfahrt zum FC Heidenheim sicherlich nicht zu den absoluten Höhenpunkten der Vereinschronik und so klemmte sich vermutlich auch Papa Bellingham die weite Fahrt, weshalb man bei Borussia die Gunst und der Stunde nutzte und Sohnemann Jobe Bellingham zum Anpfiff gefahrlos auf die Bank setzen konnte. Seine Position im zentralen Mittelfeld übernahm Felix Nmecha. Da bekommt der Begriff Missionarsstellung eine völlig neue Dimension. Für den Angriff schickte Nico Kovac zu Beginn alles auf den Rasen, was der gerupfte Kader ebenso an Qualität hergibt. Neben Lebensversicherung Serhou Guirassy spielten Karim Adeyemi und Maxi Beier. Die letzten beiden Auftritte mit nur zwei Offensivspielern in der vorderen Reihe waren dem Trainer dann wohl doch zu zäh.
Zum Spiel

Bevor es auf den Platz geht, geht es natürlich noch um den Aufreger der Woche: das Auswärtstrikot. Ich mecker im Allgemeinen gerne und ausgiebig – aber offen gesagt sind die Zeiten, in denen die Farben und das Design eines Auswärtstrikots den heiligen Furor in mir geweckt haben, sind schon lange vorbei. Und da ich die Preisgestaltung bei den Trikots eh schon seit vielen Jahren für nur noch abartig und geradezu obszön finde und mir keine mehr kaufe, ist es mir vor allem eins: scheißegal.
Apropos „auf den Platz geht“, für Heidenheims Neuzugang Pacarade ging es bereits nach vier Minuten wieder runter. Wenn ein Spieler im Rasen hängen bleibt, sich das Knie verdreht und dann am Boden liegt, sich mit einer Hand das Knie hält, mit der anderen auf den Boden haut und sein Mund dabei deutlich sichtbar die Worte „Fuck“ und „so eine Scheiße“ formt, dann weiß man schon, dass der Spieler weiß, dass da richtig was kaputt gegangen ist. Gute Besserung und eine Diagnose, die nicht ganz so mies ist, wie man befürchten muss, an dieser Stelle.
Nach zweiundzwanzig Minuten war dann für den nächsten Heidenheimer Feierabend. Budu Zivzivadse (hihi) wollte Nmecha den Ball weggrätschen, traf ihn aber stattdessen mit offener Sohle seitlich am Wadenbein. Eine Szene, die derart eindeutig war, dass sie selbst Schiri Zwayers zweifelhafte Fähigkeiten nicht überstieg und konsequent mit der roten Karte bestraft wurde.
Unsere bis dahin dominante Borussia wurde nun noch spielbestimmender und kam nun statt zu Halbchancen zu richtigen Torgelegenheiten. Erst schickte Heidenheims Torhüter Ramaj einen freundlichen Gruß an die Kaderplaner, ihn im Falle eines zukünftigen Wechsels von Torhüter Kobelt nicht zu vergessen und lenkte einen Kopfball von Guirassy aus kurzer Distanz sehenswert über die Latte. In der 33. Minute war er aber vollständig machtlos, weil seine Innenverteidiger die Verkörperung der Nummer 9 nach einer Flanke von Ryerson am Fünfer komplett allein ließ und Guirassy mit einem Kopfball in die lange Ecke dem Keeper null Chance ließ.
Adeyemi zwischen Wahnsinn und Genie

Heidenheim beschränkte sich in dieser Phase eher darauf, eine zahlenmäßige Ausgeglichenheit wieder herzustellen und konzentrierte sich dabei auf Adeyemi, der in der 27. Minute die gelbe Karte bekam und im Anschluss in gewohnter Manier immer am Rande der zweiten Verwarnung wandelte. An guten Tagen kann Adeyemi echt ein geiler Kicker sein, an anderen hat man allerdings den Eindruck, dass die berühmten fünf Meter Feldweg den Vergleich beim Intelligenztest gar nicht so knapp für sich entscheiden könnten.
Aber noch während man darüber grübelte, für wen der Trainer ihn zur Pause runter nehmen würde, dann ein echter Geniestreich. Nach einem langen Ball ließ er seinen Gegenspieler an der Strafraumkante ins Leere laufen und stand dann komplett frei vor dem Heidenheimer Tor. Eine Situation, bei der jeder Offensivspieler normalerweise das Recht des „muss ein Stürmer selber machen“ in Anspruch nimmt und im Geiste schon die Torprämie auf seinem Konto verbucht. In diesem Fall spielte er aber ebenso schlau wie uneigennützig in die Mitte, wo Maxi Beier locker über die Linie zum 2:0 einschieben konnte.

Von Heidenheim blieb, neben den Ausfällen, eigentlich nur eine ziemlich coole Eckballvariante kurz vor Schluss im Kopf, die Bensebaini wegblocken konnte. Durfte man sich bei Borussia gerne mal ins Notizbuch schreiben, das selber zu versuchen.
Die zweite Halbzeit ist schnell erzählt. Heidenheim hatte noch eine Chance, die Kobel über die Latte lenkte, Borussia wechselte Campbell, Özcan, Bellingham, Chukwuemeka, sowie mit dem Schlusspfiff noch Mané ein, hatte ein paar gefährliche Abschlüsse und ansonsten den Kick komplett im Griff. Alle wichtigen Statistiken spiegelten in Zahlen das, was man auf dem Platz sah. Viel mehr Ballbesitz, viel mehr Torschüsse, viel mehr gespielte Pässe, eine viel höhere Passquote etc.
Sicherlich begünstigt durch die frühe Überzahl zeigte man ein „erwachsenes“ Spiel, bei dem man einerseits nie in Gefahr geriet, dass sich ein „zweites St. Pauli“ entwickelt und schaffte es gleichzeitig, sich vor dem Auswärtsspiel in Turin nicht gerade verausgaben zu müssen.
Kann man eigentlich nicht meckern.
Weitere Artikel
