„Es fährt ein: der Fußballsonderzug nach München. Vorsicht bei der Einfahrt.“ Eine Fahrt nach München weckt schon lange keinen Optimismus mehr. Es riecht nach einem Torspektal, jetzt wo auch Kobel und Malen ausfallen. Und dennoch: Pack ma‘s!
„Hast du alles?“ Aufgedreht stopfe ich Schal und Getränke in den eh schon viel zu überfüllten Rucksack. Ohne eine Antwort abzuwarten, renne ich die Haustür hinaus. Stockfinster wäre übertrieben, aber viel mehr als nichts sehe ich nun wirklich nicht gerade. Das vertraute Aufleuchten meines Autos verrät mir netterweise, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Der überfüllte Rucksack plumpst auf den Rücksitz, ich nehme vor ihm Platz. Ich lasse die Fenster herunter, um die Nachbarschaft in aller Hergottsfrühe an meiner Stimmung teilhaben zu lassen. Sie werden mich lieben, - irgendwann - da bin ich mir sicher. Vielleicht nur nicht heute. Mit meiner freien Hand starte ich die entsprechende Playlist zur Einstimmung, die mich daran erinnert, nie im Leben zum FC Bayern München zu gehen.
„Koooommst duuu?“ Aber er hört mich nicht. Männer. Können sich am Wochenende nicht zwischen drei gelben und fünf schwarzen Shirts entscheiden, während sie unter der Woche rumlaufen wie der letzte Schlunz. Von mir aus kann er das auch heute tun, Hauptsache, wir kommen noch pünktlich an. Wie der letzte Schlunz sehen wir spätestens mit Ankunft sowieso alle aus. So what, Kerl. Gestern ist zudem glücklicherweise pünktlich das bestellte Kennzeichen angekommen, sodass mit BVB09 wohl alles über unsere Vorlieben und heutigen Ausflugsziele bekannt sein sollte.
Warum ich ausgerechnet bei diesem Spiel so euphorisch bin, kann ich gar nicht genau sagen. Wahrscheinlich ist es das drumherum. Das Leben ist endlich wieder ein Sambawagen, Schuhe kleben am Boden fest, Menschen laufen barfuß in falsche Abteile. Man lernt Leute kennen, die man schon bald immer wieder sieht. Man erfährt vom neuesten Beziehungs-Aus, hält kotzenden seit-kurzem-Freundinnen die Haare und hat ne Puffmutter, die Layla heißt. Der Schulausflug der 9a ist wirklich ein Scheißdreck dagegen und ich liebe liebe liebe es. München ist außerdem ne attraktive Stadt, die Schickeria auch ganz nett und das reicht auch schon als kleines Fünkchen zur großen Vorfreude.
Der sportliche Aspekt wird später sicherlich ein eher unwichtiger sein. Man will alles geben, gibt es dann doch nicht und nach fünf Gegentoren wechselt man sicherheitshalber defensiv ein. Dass der wichtigste Mann vor dem gegnerischen Tor - Malen - und der wichtigste Mann im Tor - Kobel - fehlen, lässt mich nicht unbedingt optimistischer an die Sache ran gehen. Aber ich will die, die motzen wenn ich was zu motzen habe, gar nicht füttern. Stattdessen möchte ich lieber die füttern, die motzen wenn ich nichts zu motzen habe. Die letzen Spiele waren gut; manchmal ansehnlich, oft genug aber auch nicht. Drei Punkte sind aber nun mal drei Punkte. Und von denen werden wir im Hinblick auf die nächsten Aufgaben wohl eher nicht so viele zu sehen bekommen. Das Ziel in dieser Saison sollte aber auch mittlerweile bei jedem angekommen sein: es ist nicht die Meisterschaft, die Vizemeisterschaft ist es auch nicht. In diesem Jahr schwingt niemand große Reden, sondern sieht endlich ein, dass der Verein eine Kernsanierung mehr als nötig hat. Das ist doch schon mal was. Und dass München vielleicht wirklich mal nicht Meister wird, gönne ich TT auch noch von ganzem Herzen.
Wie auch immer, es kommt, wie es kommen muss. Ich sehe die Weißwurstgesichter nach dem Spiel schon grinsend auf ihrem hohen Ross vorbei galoppieren, aber scheiß drauf - München ist nur einmal im Jahr!
