Unsa Senf

Fußball-Trikots Heiligtum oder Cashcow?

22.07.2024, 09:30 Uhr von:  janniksch
Marco Reus im letzten Heimspiel der Saison 2023/24 im neuen Heimtrikot
Heim-Trikot des BVB für die Saison 2024/25

Das Trikot ist mit dem Fußball verbunden wie kein anderes Kleidungsstück. Bevor Kinder ihre ersten Fußballschuhe binden können, tragen sie das Trikot eines Fußballvereins. Kontrovers diskutieren Klein und vor allem Groß jährlich das neue Trikot (oder die neuen Trikots) ihres Vereins und auch als BVB-Fan musste man schon einige Täler rund um das Jersey durchstehen. Einige Gedanken zum Heiligtum.

Anlass für diesen Text ist tatsächlich nicht das neue, sagen wir umstrittene, Cup-Trikot des BVB, sondern vielmehr eine Doku des WDR über Fußball-Trikots, die ich vor kurzer Zeit gesehen habe. In der Dokumentation wurde gefragt, warum Fußball-Fans, u.a. auch BVB-Fans, so viel Geld (~80 bis 120€) für ein Trikot ihres Vereins ausgeben. Darüber hinaus werden Produktion, Qualität und Gewinner dieses Geschäfts hinterfragt. Auch wenn die Doku insgesamt in Ordnung war: ich hatte trotzdem das ein oder andere Problem mit diesem Bericht, aber dazu gleich mehr. Insgesamt hat mich die Doku aber schon etwas ins Grübeln gebracht, denn so eine richtig befriedigende Antwort auf die Frage "warum Trikot" lieferte die Doku für mich nicht.

Disclaimer: Dieser Text spiegelt stark die Sicht des Autors wider, soll niemandem ein vermeintlich richtiges Fan-sein vorschreiben und ist zum Mitdenken gedacht.

Nachdem das geklärt ist: rein ins Thema!

Was stört

Ich kaufe selten ein Fußball-Trikot und praktisch nie zum Neupreis. Dabei gehöre ich nach einer kleinen (selbstverständlich nicht repräsentativen) Umfrage auf Facebook und Instagram eher zur Ausnahme. Dort haben etwa 20% angegeben praktisch nie ein Trikot zu kaufen. 75% kaufen das BVB-Trikot, wenn es ihnen gefällt und etwa 5% kaufen tatsächlich jedes neues (Heim-)Trikot (insg. ca. 5.500 Stimmen - Danke an alle die mitgemacht haben). Das Ergebnis ist mit meinem anekdotischen Wissen regelmäßiger Stadion-Besuche in etwa deckungsgleich.

Jude Bellingham im Heimtrikot der Saison 2022/23
Heim-Trikot 2022/23

Warum kaufe ich denn nie ein Trikot - auch wenn es mir gefällt? Das habe ich mich nach dem Ansehen der Doku schon gefragt. Viele der dort befragten Fans verband mit dem Trikot Identifikation und Unterstützung ihres Herzensvereins. Ich denke bei den Trikots hingegen immer an schlechte Produktionsbedingungen, Designs, die mir nicht zusagen oder an extrem hohe Preise.

Die Produktionsbedingungen sind in der Bekleidungsindustrie halt einfach unterirdisch und auch wenn PUMA in der Doku alles tut, das zu relativieren, denke ich so etwas beim Kauf immer ein bisschen mit. Und trotzdem tue ich mit dem Verzicht eines Trikotkaufs keinem Menschen wirklich etwas Gutes; das darf man halt auch nicht denken.

Auch die Designs holen mich inzwischen immer seltener ab. Das Heimtrikot 2022/23 war zwar mal wieder ein Banger, aber davor war auch echt viel dabei, was nicht meinem Geschmack entspricht. Die Sondertrikots fand ich dagegen schon öfter gut, aber da bin ich dann auch irgendwie zu geizig mich für 120€ auf eine Warteliste von 3-5 Monaten setzen zu lassen.

Und da sind wir auch schon bei einem Reizthema: Der Preis. Die Trikotpreise sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich der Preis halt einfach teilweise verdoppelt. Laut der angesprochenen Doku, die sich auf "PR Marketing" bezieht, setzt sich ein Trikotpreis von 100€ wie folgt zusammen:

  • 2,90€: Marketing
  • 6,50€: Lizenz
  • 19,80€: Hersteller
  • 2,77€: Vertrieb
  • 11,30€: Herstellung & Transport
  • 15,96€: Umsatzsteuer
  • 40,77€: Einzelhandel

Kauft man das Trikot also direkt beim BVB, kassiert dieser die Lizenzgebühr von 6,50€ und den Einzelhandelsanteil von 40,77€. Gewiss ist das Brutto zu sehen, da der BVB ja auch die eigenen Shop-Strukturen (Mitarbeiter*innen, Miete, Nebenkosten) unterhalten muss. Ich denke jedoch, dass ein Reingewinn für den BVB pro Trikot mit Spielerflock (Preis 110,00€) mit 30-35€ realistisch ist. Nun ist der BVB ein Fußballverein, der inzwischen eine extrem breite Fanbasis hat. Reich, Mittelstand, Arm: alles dabei. Für meine Begriffe könnte man da schon nochmal ein paar Euros runtergehen, um mehr Fans den Zugang zum Trikot zu ermöglichen. In der Doku wurde bei der Preispolitik aber betont, dass man inzwischen so ziemlich am oberen Ende angekommen zu sein scheint. Also der Sweet-Spot zwischen Gewinn pro Trikot und den Verkaufszahlen. Es wird also nicht nochmal eine Erhöhung um 30, 40 oder gar 50% geben. Die Preiserhöhung wird sich wohl eher an der Inflation orientieren.

Warum Trikot

Nuri Sahin im Heimtrikot Saison 2010/11
Heimtrikot Saison 2010/11

Deutlich wurde in der Doku aber: Trikots sind emotional derart aufgeladen, dass ein nicht geringer Anteil von Fans für ein Trikot auch mehr bezahlen würden. Für Fans bedeutet ein Trikot Identifikation und Unterstützung. Das gilt insbesondere für Kinder, die oft natürlich das neue Trikot mit ihrem Lieblingsspieler haben wollen. Kindertrikots kosten beim BVB zwar weniger als das Shirt für Erwachsene, liegen preislich aber auch mal eben bei 90€ und bringt Eltern mit weniger Geld nochmal ganz anders in die Bredouille. Ich selber kann vielleicht darauf verzichten mir das neue Trikot zu kaufen, aber dem eigenen Kind so etwas vorenthalten zu müssen, ist sicher scheiße. Hat man zwei Kinder, die sich zu Weihnachten ein BVB-Trikot wünschen: 180€. Das tut sicher weh im Geldbeutel. Gerade bei den Kindertrikots kann man doch sicher mit dem Preis runter gehen, lieber BVB!

Egal ob man hinter einem Trikot eine finanzielle oder emotionale Unterstützung des Vereins sieht: man fühlt sich verbunden und vielleicht sogar etwas elitär, wenn man das neue Trikot schon zum Saisonbeginn überstreifen kann.

Manchmal gehen die Trikots auch erst mit einem gewissen Erfolg durch die Decke. Gewinnt der BVB in einem Trikot die Meisterschaft (siehe Foto oben links) ist es nochmal um ein vielfaches stärker emotional aufgeladen. Man trägt einen Teil dieser Geschichte, dieses Erfolgs am Körper.

Übrigens: Die Art und Weise, wie in der Reportage über Trikot-Fälschungen gesprochen wurde, war wirklich unerträglich. PUMA durfte unhinterfragt ihre Unternehmenspropaganda von wegen "organisierte Kriminalität" und "Verlusten im Milliarden-Bereich" verbreiten. Ich kaufe auch keine Fälschungen, aber ist mir auch ziemlich egal, wenn es jemand macht.

Alternativen

Was in der Doku immer wieder mitschwang war der Tenor: Trikots bedeuten Zugehörigkeit. Und das finde ich sehr eindimensional, denn wenn Fans eines geschafft haben, dann dem Stadion ihren eigenen Look zu verpassen. Ich persönlich finde es großartig, wenn ich BVB-Klamotten Marke "fan-made" sehe. Ob es nun der Fanklub ist, der seine eigenen Motive trägt oder die Shirts vom Bündnis Südtribüne. Das sieht nach richtig was aus und zeigt die Liebe die man zu einem Verein und den Strukturen außerhalb und drumherum hat. Ich plädiere hier: Macht mehr eigenen BVB-Kram! Seid kreativ und zeigt was ihr am Verein liebt. Das macht für mich zusammen mit den Trikots ein buntes Stadionbild aus.

Ich bin inzwischen dem Vintage-BVB-Kram verfallen. BVB-Trikots, Jacken usw. aus den 80er- und 90er-Jahren sind total mein Ding. Regelmäßig guck ich bei den gängigen Plattformen, was es grade so gibt. Leider bin ich extrem "late to the party", weil die Nachfrage auch in diesem Bereich inzwischen extrem groß ist und man die Sachen kaum unter 100€ kriegt. Und dann gibt es wieder "original Vintage" und nachgemachtes Vintage. Da muss es dann für mich tatsächlich der "originale" Vintage-Kram sein. Emotionen und so.

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