Spielbericht Profis

BVB stürzt Heidenheim von der Tabellenspitze Wachablösung im Westfalenstadion

14.09.2024, 13:00 Uhr von:  Michael
Groß, Bensebaini und Baier applaudieren der Südtribüne, Anton umarmt Guirassy.

Der krasse Außenseiter stürzt den ungeschlagenen Spitzenreiter und grüßt für mindestens eine Nacht von oben.

Vorspiel

Die Favoritenrolle war klar verteilt vor dem Spiel, stellte sich doch der verlustpunkt- und gegentorfreie Spitzenreiter, gegen den der BVB zudem noch nie ein Bundesligaspiel gewinnen konnte, im Westfalenstadion vor. Da blieb dem neuformierten BVB nur die Außenseiterrolle. Zwar hatten auch die Westfalen noch kein Gegentor zu verzeichnen, aber zu sehr hakte es noch in den ersten Spielen, zu viel blieb gerade in der Offensive noch Stückwerk.

Der FC Heidenheim pflügte hingegen durch die Bundesliga. Beste Offensive, beste Defensive (zusammen mit dem BVB), die Giganten von der Ostalb waren vor dem Spieltag das Maß aller Dinge im deutschen Fußball.

Heidenheims Trainier Frank Schmidt zeigt in Richtung der Heidenheimer Fans.
Es grüßt der Tabellenführer.

Das war umso überraschender, als dass auch die Heidenheimer einen ordentlichen personellen Aderlass in der Sommerpause verkraften mussten. Jan-Niklas schlägt mittlerweile Beste Flanken bei Benfica, Tim versieht seinen Kleindienst bei Borussia Mönchengladbach und Eren…ach denkt euch doch selber dämliche Wortwitze aus. Die drei besten Spieler in der Sommerpause weg, hey Heidenheim, in Dortmund we call it „Umbruch“.

Aufstellung

Die Aufstellung „überraschend“ zu nennen, wäre ein ordentliches Understatement. Dass Schlotterbeck noch auf der Strafbank sitzen würde war klar, aber auch Can und Sabitzer fanden sich auf der Auswechselbank wieder. Bensebaini verteidigte auf links und im Mittelfeld fand sich Felix Nmecha in der Startelf wieder. Im Sturm durfte Serhou Guirassy sein Debüt im schwarzgelben Trikot feiern. Die Außenpositionen besetzten Malen und Adeyemi. Eine ungewohnt offensive Aufstellung für einen Außenseiter.

Nmecha schirmt den Ball in Brusthöhe vor einem Heidenheimer ab.
Überraschung in der Startelf: Felix Nmecha

Das Real Madrid Baden-Württembergs hatte trotz des Abgangs von Beste auch weiterhin schwarzgelbe Erfahrung zu bieten. Kapitän Mainka und Maloney liefen zusammen 116 Spiele für die Amas auf und dürften auch noch ein gepflegtes „Wir war‘n noch nie in Heidenheim“ im Ohr haben. (Vielen Dank für den Dauerohrwurm, Emily!!!)

Erste Halbzeit

Die 81.365 Zuschauer trauten ihren Augen nicht. Von Beginn spielte nur der Außenseiter. Die Schwarzgelben drückten den Spitzenreiter in die Defensive. Angriff um Angriff rollte in Richtung des Heidenheimer Tores und während die ersten Strafraumaktionen noch am letzten Pass scheiterten, belohnte sich der Underdog schon in der 12. Minute. Bensebaini fing einen Pass ab und schaltete den Turbo an, nach einigen Stationen landete der Ball bei Donny Malen, der trocken von der Sechzehnerkante versenkte.

Das erste Gegentor für die Unbezwingbaren, der perfekte Start für die Borussia. Aber jetzt würde die Bestie doch aufwachen und den aufmüpfigen Gegner in die Schranken weisen? Naja, sie kamen zumindest mal mit dem Ball in die Nähe des Dortmunder Strafraums. Dann war da allerdings Ryerson, schnappte sich den Ball, rannte los und legte Adeyemi via Malen und Brandt das 2:0 auf.

Adeyemi dreht nach seinem Treffer jubelnd ab, im Vordergrund hebt Anton die Arme.
Adeyemi zum Ersten.

„Unter 0:2 nehmen wir so ein Spiel gar nicht ernst.“ dachte sich wohl der Ligaprimus und investierte zunehmend mehr in das Spiel. Der BVB zog sich erstmal zurück und überließ den Heidenheimern den Ball, die leider zunehmend mehr damit anzufangen wussten und in der 39. auch den Schwarzgelben den ersten Bundesliga-Gegentreffer bescherten: Bensebaini ließ Traoré flanken, Pieringer stahl sich im Rücken von Anton davon und überwand Kobel. Begann nun das große Nervenflattern beim Herausforderer? Es schien so. Direkt nach Wiederanpfiff verlor Groß den Ball, doch Süle stoppte den Heidenheimer Überzahlangriff. Aber es gab einen, der keinen Bock auf Nervenspiel hatte: Ryerson. Nur zwei Minuten nach dem Gegentreffer ließ er Scienza auf der linken Seite stehen, gab den Ball in die Mitte, wo Guirassy clever durchließ und Adeyemi den Ball in der Mitte des Tores versenkte. Kevin Müller war netterweise kurz vorher zur Seite gesprungen.

Mit dem Zwei-Tore-Vorsprung ging es in die Pause, der erste Bundesliga-Sieg gegen den Angstgegner war im Bereich des Möglichen!

Zweite Halbzeit

Der BVB war weiterhin um Kontrolle bemüht und hielt den Favoriten vom eigenen Tor fern und versuchte Nadelstiche zu setzen, was auch gelang.

Ein weiterer blitzsauberer Konter hätte fast für die Vorentscheidung gesorgt. Brandt steckte durch, Guirassy ließ einmal mehr geschickt für Adeyemi durchließ, der dann zu uneigennützig ebenjenen wieder bedienen wollte, allereings brachte die Nummer 9 den Ball nicht mehr entscheidend aufs Tor.

Guirassy setzt vor einem Heidenheimer zum Sprint um den Ball an.
Stets aktiv, aber es gelang noch nicht alles: Guirassy

Auch in der Folge blieben die Dortmunder das bestimmende Team und hätten trotzdem, wie in der ersten Halbzeit, um ein Haar das Anschlusstor kassiert. Doch Scienza schaffte es, zweimal hintereinander den zwischenzeitlich eingewechselten Marcel Sabitzer abzuschießen.

Anschließend gab es wieder schwarzgelbe Chancen im Minutentakt, doch erst verpasste Guirassy artistisch sein Premierentor, dann pfiff Schiri Robert Schröder ein Sabitzer-Tor aufgrund eines eventuellen Groß-Handspiels im Vorfeld ab.

Süle setzt seinen Körper gegen einen Heidenheimer ein.
Traf nicht immer nur den Ball, manchmal auch den Gegner: Süle

Apropos Schröder: In der 73. Minute. zeigte dieser plötzlich auf den Punkt: Süle hatte irgendeinen Heidenheimer an der Strafraumkante am Fuß getroffen, eine Szene, wie sie in jedem Spiel unzählige Male vorkommt, für Schröder reichte es für einen Elfmeter. Ein typischer „Kontakt war da“-Elfmeter. Das muss halt dieser Spitzenreiter-Bonus sein.

Fairerweise muss gesagt werden, dass Robert „Ich pfeife einfach jeden Kontakt als Foul“ Schröder seine Linie auch in diesem Fall einfach konsequent fortsetzte. Beim Basketball wäre dieser Mann deutlich besser aufgehoben.

 

Auch wenn die Aktionen der Dortmunder nun doch deutlich nervöser wurden, große Chancen gab es für das Heidenheimer Starensemble nicht.

Can schiebt den Ball in die Mitte, der Torwart spring nach rechts. Im Hintergrund zeigt die Anzeigetafel, dass es gerade 3:2 für Dortmund steht,.
Ab durch die Mitte

Die hatte wiederum der BVB. Doch weder Baier noch Süle konnten den Ball im Tor unterbringen und so brauchten auch die Schwarzgelben die Hilfe vom Schiedsrichter, der wiederum die Hilfe vom VAR benötigte, um ein ziemlich absurdes Volleyball-Handspiel im Heidenheimer Strafraum zu ahnden. Emre Can trat an und schob den Ball in die Mitte. Kevin Müller, ihr ahnt es schon, war netterweise wieder zur Seite gesprungen.

Und so stürzen 16 tapfere schwarzgelbe Recken den schier übermächtigen Spitzenreiter aus dem Süden des Königreiches und setzen sich, zumindest für eine Nacht, selbst die Krone auf.

Stimmung

Ein Bild der Sütribüne.

Während sich das aktive Heidenheimer Möbchen erst kurz vor Anpfiff im Gästeblock einfand, war die Südtribüne von Beginn an auf Betriebstemperatur und auch große Teile des restlichen Stadions waren schnell on fire. Bis zum 2:0 war es eine rundum laute und gelungene Leistung. Was die Vorsänger dann dazu brachte, mit dem geleierten„Borussia BVB olé olé“ jeglichen Zug rauszunehmen, bleibt mir ein Rätsel. 

In der zweiten Halbzeit wurde es dann wieder besser, besonders „Schwarzgelb ist mein Verein“ ist mittlerweile so etabliert, dass es teilweise brachial laut rüberkommt.

Einzelkritik

Kobel sitzt am Boden, Pieringer holt den Ball aus dem Netz.
Machtlos und wenig gefordert

Kobel: Unangenehmes Spiel für einen Torwart. Bei den Gegentoren machtlos, sonst hauptsächlich im Spielaufbau gefordert. Das machte er sicher und sauber.

Anton: Verlor vor dem ersten Gegentor Pieringer aus den Augen, ansonsten weitestgehend ohne Probleme.

Süle: Bereinigte immer wieder gefährliche Heidenheimer Situationen schon im Ansatz, muss sich allerdings beim Elfmeter cleverer anstellen, vor allem bei einem dermaßen kleinlichen Schiedsrichter.

Bensebaini (bis 72.): Besonders im ersten Durchgang mit viel Dampf im Vorwärtsgang, leitet so auch das 1:0 ein. Vor dem ersten Gegentor hielt er zu viel Abstand zum Flankengeber. Sonst mit einer soliden Leistung.

Ryerson: Der heimliche Held des Spiels. Leitete 2:0 und 3:1 ein, rannte wie ein Wilder die Linie hoch und runter und warf sich in jeden Zweikampf.

Groß: Zeigte von Anfang an, dass er der Chef auf dem Platz ist. Dirigierte, teilte zu, forderte die Bälle. Leistete sich allerdings auch einige gefährliche Ballverluste.

Nmecha: Tauchte überraschend in der Startelf auf, machte seine Sache insgesamt sehr ordentlich. Im Aufbauspiel deutlich ballsicherer als Can, insbesondere, wenn Kobel unter Druck das defensive Mittelfeld anspielt und diese sofort zum Außenverteidiger weiterleiten. Allerdings in manchen Situationen auch weiter gedanklich zu behäbig, was bei aggressiveren Gegnern zu Problemen führen kann. 

Adeyemi im Kopfballduell mit einem Heidenheimer.
Stahl Ryerson die Show

Adeyemi (bis 79.): Der unheimliche Held des Spiels Zwei Tore, eine Vorlage, auch defensiv laufstark. Durfte sich zur „Belohnung“ nach dem Spiel den Fragen von Laura Wontorra stellen: „Hatten Sie nach dem ersten Tor das Gefühl, dass Sie noch eins machen?“ „Sind sie heute Morgen aufgewacht und hatten das Gefühl, dass es ein guter Tag wird?“ Umdribbelte auch diese Situation once more with feeling.

Brandt (bis 79.): Zeigte sich gegenüber den ersten beiden Spielen verbessert, war aber noch einige Fehlpässe von seiner Bestform entfernt.

Malen (bis 59.): Wühlte, ackerte und traf. 

Guirassy (bis 72.): Wer ihm etwas Böses will, schreibt, dass er in seinen besten Situationen den Ball nicht berührte und auf Adeyemi durchlaufen ließ. Da ich ihm aber nichts Böses will, ergänze ich, dass er weite Wege ging, sich immer wieder ins Spiel einbrachte und auch bei langen Pässen als „Wandspieler“ sich behauptete. Allerdings auch mit nicht wenigen Fehlpässen. Hoffen wir mal, dass es die fehlende Spielpraxis mit den Kollegen war.

Sabitzer (ab 59.): Auf Rechtsaußen in ungewohnter schwarzgelber Rolle. Hatte seine beste Situation am eigenen Fünfmeterraum, als er zweimal Scienzas Torabschluss blockte.

Beier (ab 72.): Litt darunter, dass durch den Anschlusstreffer kurz nach seiner Einwechslung der Spielaufbau insgesamt nervöser wurde und er kaum gezielt in freie Räume geschickt wurde, wo er seine Schnelligkeit ausspielen konnte.

Yan Couto (ab 72.): Wirkte sehr ungläubig über das, was Robert Schröder so abpfiff. 

Emre Can (ab 79.): Räumte erst hinten auf und entschied dann vorne das Spiel.

Gittens (ab 79.): War auch dabei, ohne noch weiter aufzufallen.

Weiter geht‘s am Mittwoch in Brügge. Wir sehen uns Dienstag beim Arzt!

BORUSSIA DORTMUND INTERNATIONAL!

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