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Die schwarzgelbe Saison 2004/2005 Als der BVB pleite war und wir die Gelbe Wand wurden

25.10.2024, 08:29 Uhr von:  DocKay
NOT FOR SALE steht auf dem Banner vor der Südtribüne. Die Fans halten gelbe Bänder hoch mit den Aufschriften "Meier raus" und "Es reicht". Auch "Not for sale" und "Niebaum raus" kann man lesen.
© schwatzgelb.de

Jan Philipp „Pini“ Platenius ist seit 1991 Fan von Borussia Dortmund. In der Saison 2004/2005 war er im Vorstand der Ultragruppe Desperados und erlebte in turbulenten Zeiten den besonderen Derbysieg und den Molsiris-Montag.

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Als der BVB pleite war und wir die Gebe Wand wurden“ nimmt uns Pini mit auf eine Zeitreise, die mit der Europameisterschaft in Portugal begann und mit dem siebten Platz des BVB in der Abschlusstabelle mit 55 Punkten endete. Ihm war es wichtig, die Zeit, in der es ums Überleben ging, in Erinnerung zu rufen und vielen Borussen der 2000er Jahre ein kleines Denkmal zu setzen. Dabei hat er auf Hintergrundgespräche verzichtet und nur öffentlich zugängliche Quellen verwendet. Bei den wirtschaftlichen Themen, die untrennbar mit dem BVB in den 2000er Jahren verbunden sind, beschränkte er sich auf die Spitze des Eisbergs. Er verweist hier auf das Werk „Die Akte Schwarzgelb“ der Fligge-Brüder. Im Laufe seiner Recherchen tauchten jedoch immer mehr interessante Aspekte auf.

Das Bild zeigt das Cover des Buches mit Titel und einem Bild von der "Süd" , das die gelbschwarzen Doppelhalter zeigt
© Pini und Thomas Bielefeld

Es war eine verrückte Zeit mit noch verrückteren Fan-Geschichten. In Bye-Bye Europa erzählt Pini vom Auftritt des BVB beim KRC Genk im UI-Cup, damals noch abfällig „Döner-Cup“ genannt. Das erste Heimspiel der Saison 2004/2005 ging dann mit 1:2 gegen den VfL Wolfsburg verloren. Damals schrieb schwatzgelb.de in ihrem ersten Print-Fanzine:

Das neue System von Bert van Marwijk, ohne Abwehr zu spielen, wird dabei vor allem von Evanilson, Demel und Bergdolmo eindrucksvoll umgesetzt.


schwatzgelb.de

Zu diesem Zeitpunkt war auch die Phase der Standortsuche der Ultras noch nicht abgeschlossen. Vom Unterrang des Blocks 82 ging es dann um 2003 in den Oberrang des Blocks 13. Was aus der bekannten Continentale Blockfahne aus den 90er Jahren geworden ist und wie neben der kommerziellen Entwicklung des Fußballs auch die antikommerzielle Bewegung stark gewachsen ist, kann man in dem Buch sehr gut nachlesen. Was versteht man unter dem Begriff „Zocken“ und der Bezeichnung „Kinderrados“? Was verbirgt sich hinter der viel zitierten „Lampe des Lebens“? Die Antworten finden sich in den Ausführungen von Pini.

Auf dem Podium sitzen Pini, Jens, Florian und Dr. Lunow. Sarah Hartwich moderiert die Diskussion rund um das Buch.
Sarah Hartwich moderiert im Borussseum

Im Rahmen der Buchpräsentation im Borusseum spielte das Derby, je nach Quelle und Zählweise nach 12, 13, 14 nicht gewonnenen Begegnungen, auch in der Podiumsdiskussion eine entscheidende Rolle. Wie Pini es ausdrückte, hatten viele der damaligen Fans noch keinen Derbysieg erlebt. Das sollte sich am 12.05.2005 in Gelsenkirchen ändern. Da halfen auch keine Pappkameraden.

14 Schlachten ungeschlagen – die Feinde aus der Festung jagen


Gelsenkirchener Pappnasen

Nach dem 2:1 Sieg durch Tore von Kehl und Ricken war die Ekstase groß. Einige verließen das Stadion ohne Hosen und The Unity feierte eine legendäre Party in der U-Bahnstation Möllerbrücke. Der Fluch war besiegt. Kein Außenstehender konnte ahnen, dass am letzten Spieltag gegen Hansa Rostock im Westfalenstadion die Geburtsstunde der Gelben Wand schlagen würde. Pini zitiert hier einen Artikel von Daniel Lörcher und Tobias Hüsing aus dem TU-Fanzine Gelbsucht Nr. 8 vom August 2005. Mit viel Energie und Leidenschaft wollte man zeigen, dass die tristen Zeiten in Dortmund der Vergangenheit angehören.

Blick auf de Gelbe Wand mit 4000 Doppelhaltern. Unten das Banner "Am Ende der dunklen Gasse erstrahlt die Gelbe Wand".
Am 21.05.2005 war beim Spiel gegen Hansa Rostock die Geburt der gelben Wand
© schwatzgelb.de

In der Ultraszene entstand die Idee, die Südtribüne mit 4.000 Doppelhaltern und unzähligen Fahnen in eine atemberaubende „Gelbe Wand“ zu verwandeln. Fünf Kilometer Stoff, zwölf Kilometer Kabelrohr, mehrere hundert Liter Abtönfarbe und einige Kilometer Nähgarn wurden benötigt. Motive mussten entworfen und in Schablonen umgesetzt werden. Professionelle Sprühpistolen waren notwendig, um das Ziel zu erreichen. Allein die Materialkosten beliefen sich auf 8000 bis 9000 Euro. Beim Lesen des Berichts bekomme ich wie Pini eine Gänsehaut.
 

Fans protestieren vor dem Spiel gegen Bochum vor dem Ardey-Tunnel in Richtung Stadion. Vor dem Zug ein Banner mit der Aufschrift "NOT FOR SALE!"
Protestzug vor dem Spiel gegen den VfL Bochum am 12.02.2015
© schwatzgelb.de

In den 19 Kapiteln des Buches spielt natürlich auch der Molsiris-Montag eine Rolle. Niemand wusste so recht, was mit dem BVB passieren würde, wenn die Investoren des Stadionfonds Molsiris gegen das Sanierungskonzept des BVB stimmen würden. Details sind im Buch nachzulesen. Am Ende erhielt das Sanierungskonzept eine Zustimmung von 94,4%. Der BVB war gerettet. Im Borusseum erzählten Florian Kringe, Dr. Lunow, damals noch einfacher Fan, Jens Volke und Pini von ihrem Auf und Ab der Gefühle und wie sie die Tage davor und danach erlebten.

Die Zeit, die Pini in seinem Buch beschreibt, war eine besondere Zeit und deshalb ist auch sein Buch ein ganz besonderes Buch. Pini hat die Rettung des BVB und die Entstehung der Gelben Wand hautnah miterlebt. Als Teil der Ultraszene nahm er, wie viele seiner Mitstreiter, Einfluss auf die Vereinspolitik. Die Fanszene emanzipierte sich und in dieser Zeit entstanden Fanstrukturen, die bis heute Bestand haben. Ich kann nur jedem empfehlen, Pini auf dieser Zeitreise zu begleiten. Auch ich konnte beim Lesen in diese Reise eintauchen, da ich erst 2005 meine Heimat in Dortmund gefunden habe und das Glück hatte, direkt eine DK auf der Südtribüne zu ergattern. Ja, es waren andere Zeiten, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Manchmal liegen Erfolg und Misserfolg nah beieinander.

Pinis Blick in die Vereinshistorie kann bei Amazon* (gibt es dort als Kindle, gebundenes Buch und als Taschenbuch zu kaufen) bestellt werden. Als Taschenbuch kostet es 11,99 €. Ich bin sicher, dass ich die 195 Seiten nicht zum letzten Mal gelesen habe. Wie mir Pini mitteilte, wird sein Buch demnächst auch in den Restaurants „Mit Schmackes“ und in der “Westfalenschenke“ im Kreuzviertel erhältlich sein.

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