Reaktion auf den 11Freunde-Text „Manchmal wär’ ich gerne Schalker“
Über Erwartungshaltungen und die Sehnsucht nach magischen Momenten im Westfalenstadion. Wie fühlt es sich an, Fan eines erfolgreichen Vereins zu sein? Kann man sich nach einem Sieg noch wie ein Verlierer fühlen?
Vor wenigen Tagen erschien auf der 11Freunde-Website ein Text von Redakteur und BVB-Fan Max Nölke mit dem Titel „Manchmal wär‘ ich gerne Schalker“. Auslöser dieses Textes war das letzte Derby. Den gewann die Borussia dank eines Treffers durch Youssouffa Moukoko zwar mit 1:0, Nölke fühlte sich nach Abpfiff aber dennoch wie der Verlierer, weil der Schalker Gästeanhang seine Elf auf dem Rasen trotz der verdienten, aber bitteren Derbyniederlage lautstark feierte. Er verspüre „Neid, um diese Bedingungslosigkeit, mit der die Schalker Anhänger ihrer Mannschaft zujubelten.“
Lassen wir mal das konkrete Beispiel der Blauen außen vor, kann ich die Sichtweise Nölkes natürlich nachvollziehen. In den letzten Jahren erwischte auch ich mich immer wieder in Gedanken, wie geil es jetzt sein müsse, Fan von diesem oder jenem Verein zu sein. Die Entwicklungen von Union Berlin oder dem SC Freiburg etwa, der Europa League-Sieg von Eintracht Frankfurt, oder selbst der Drittligaaufstieg von Rot-Weiss Essen nach 14 Jahren „Amateurfußball“; alles Geschichten, die sich einfach nur phänomenal angefühlt haben müssen oder bestimmt noch immer so anfühlen.
Im Westfalenstadion (oder im Gästeblock) dagegen gibt es diese magischen Momente quasi gar nicht mehr. Der BVB hat sich in der letzten Dekade zum zweitgrößten Fußballverein Deutschlands entwickelt. Jeden Sommer wird unfassbar viel Kohle für Nationalspieler und jene, die es werden wollen, ausgegeben. Dabei fließen Summen über den Verhandlungstisch, die für die Mehrheit der Bundesligaclubs außerhalb des Vorstellungsvermögens liegt. Mit diesen Spielern und diesen Summen ergeben sich nun mal andere Erwartungshaltungen.
Nölke möchte wieder ins Stadion gehen und „[n]icht immer den originellsten Fußball erwarten, sondern zur Mannschaft und dem ganzen Drumherum wieder einen realistischen Blickwinkel einnehmen.“ Dabei habe ich in keinster Weise das Gefühl, dass wir Fans unrealistische Vorstellungen haben. Es geht nicht um Tabellenplätze und Titel, dafür ist die Diskrepanz zum FC Bayern halt leider auf eine Saison betrachtet viel zu groß. Vielmehr geht es um Erwartungen an das Auftreten der Mannschaft. Von einem Team, das sich bei Anpfiff aus fünf deutschen (ich zähle Hummels mal hinzu) und je einem Schweizer, norwegischen, portugiesischen, englischen, türkischen und niederländischen Nationalspieler zusammensetzt, darf man mehr erwarten als diesen elendigen Auftritt gegen den FC Augsburg. Und wenn es sich bei Augsburg um eine Ausnahme gehandelt hätte, könnte man problemlos ein Auge zudrücken. Es ist aber eben leider die Regel.
Die Erwartungshaltung ist nun mal eine andere als bei den Schalkern (oder den Berlinern, den Freiburgern, den Frankfurtern oder den Essenern) und das auch völlig zurecht und verständlich. Den BVB-Fans vorzuwerfen, dass sie diese Bedingungslosigkeit wie der Schalker Anhang nicht mehr verspüren, halte ich auch in diesem Rahmen deshalb für komplett falsch. Wenn das Westfalenstadion bei einem Kick gegen einen dermaßen unattraktiven Gegner wie dem aus der Stadt der Puppenkiste ausverkauft ist, zeigt es im Gegenteil viel mehr, wie sehr eben noch hinter diesem Verein gestanden wird. Das Problem sind eher die Spieler auf dem Rasen, denen man ihrerseits die Bedingungslosigkeit für Schwarz-Gelb nicht abkauft. Stattdessen gewinnt man mehr und mehr das Gefühl, dass da 11-AGs fröhlich vor sich hin kicken und dass genau denen der Verein Borussia Dortmund praktisch scheißegal ist. Sie sehen ihn stattdessen nur als tollen Arbeitgeber in ihrer Vita, bei dem man entweder viel Kohle für wenig Leistung verdienen oder den man wunderbar als Sprungbrett zu den Citys, Liverpools und Reals dieser Welt betrachten kann.
Das Problem an Nölkes Text ist, dass er die Begriffe „Bedingungslosigkeit“ und „Emotion“ gleichstellt. Die Bedingungslosigkeit ist da, die Emotionen fehlen aber eben. Das ist natürlich auch der sportlichen Misere geschuldet, dass man eben zu zweit weg von den Bayern ist, als dass man sich wirklich Hoffnungen auf eine Meisterschaft machen kann und man bei 34 Spielen, von denen 28 bis 30 absolute Pflichtsiege darstellen, eigentlich nur jedes Jahr aufs Neueste enttäuscht werden kann. Weitaus mehr liegt es aber eben an der Leistung der Spieler bzw. der Mannschaft, die mit Ausnahme einzelner Wochen und Monaten fast durchweg seit der Saison 2016/2017 teils deutlich unter ihrem Potential performt. Und dann macht das alles eben nun mal weniger Spaß – und man verspürt manchmal Neid auf die Fans anderer Clubs. Nur nicht unbedingt auf die des FC Schalke.
Disclaimer: Credits an meinen guten Freund Nico, da dieser Text eigentlich nur eine Zusammenfassung unseres Gesprächs von Sonntagabend darstellt.