Barrierefreiheit Mitgliederversammlung beim BVB – keine Ruhmestat
Die barrierefreie Gestaltung aller Lebensbereiche ist die Voraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Doch wie erleben Menschen mit Sehbehinderung die Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund? Unser Autor, dessen Sehkraft in den letzten Jahren stark nachgelassen hat, teilt seine Erfahrungen.
Mitgliederversammlung bei Borussia. Nach den Corona-Jahren und weil man ja sonst nicht viel zu tun hat an einem Sonntag, war der vergangene eine gute Gelegenheit mal wieder seine Rechte wahrzunehmen und die Mitgliederversammlung zu besuchen.
Also den Bahnfahrplan gecheckt, den Mobi-Service der Bahn kontaktiert und die Barrieren einer Bahnfahrt so im Vorfeld aus dem Weg geräumt, dass am Sonntagmorgen um 06.00 Uhr (der Autor wohnt ein wenig außerhalb von Dortmund) der Langstock gepackt und sich auf den Weg gemacht werden kann. Um dann tatsächlich wie geplant pünktlichst an der Westfalenhalle 3 Nord einzutreffen. Schnell raus aus der Kälte, an der ersten Kontrolle vorbei, eingecheckt und dann dem Menschenstrom gefolgt hinein in die Halle. Aber wohin jetzt? Kein Ordner in der Nähe ... aber dafür ein nettes Mitglied, das mich fragt wo ich sitzen möchte und mich dorthin begleitet.
Kurz nach der Eröffnung dann die erste Pause – also für mich – für die anderen Mitglieder bestimmt sehr interessant. Es wird ein Video abgespielt, in dem die Namen der Menschen abgespielt werden, die im letzten Jahr verstorben sind. Und beim Punkt Ehrungen dann gleich noch eine Pause, wieder ein Video diesmal mit den Namen der Menschen, die in diesem Jahr 25 Jahre Mitgliedschaft vollendet haben. Das sagte zumindest meine gute Bekannte, die ich noch kurz sprechen konnte während der Versammlung.
Leider sollte sich herausstellen, dass es mit den zwei Videos nicht getan war. Immer und immer wieder wurden Berichte mit Videos garniert. Also immer und immer wieder Pausen in der Versammlung für den Autoren, in denen er erraten konnte was dort eventuell zu sehen ist oder einfach in die Luft gucken konnte. Gut, er hätte jedes Mal kontrollieren können, ob die Erbsensuppe schon fertig ist.
Was kommt nach den Berichten? Richtig: Abstimmungen. Und damit das nächste Problem. Drei gleich große Stimmkarten. Nicht zu unterscheiden, wenn man keine Farben sehen oder unterscheiden kann. Der Autor konnte dank der verbliebenden Sehkraft nach seinem eigenen Wunsch abstimmen, aber ohne diese wäre es unmöglich geworden. Und wie schon beim Betreten der Halle: vom BVB nix zu merken.
Dann zu guter Letzt die traditionellen Wortmeldungen. Drei Wortmeldungen, deren Stimme der Autor noch nie gehört hatte und die sich weder selber vorstellten noch von der Versammlungsleitung gebeten wurden, vor Beginn Ihres Vortrages kurz zu erklären wer sie denn sind. Wichtige Themen wurden in den Wortmeldungen angesprochen, aber wer da gesprochen hat ist dem Autor bis heute noch immer ein Rätsel.
Fazit: Menschen, die an der Versammlung teilgenommen haben, aber nur schlecht oder gar nicht sehen können, waren von einem zu großen Teil der Versammlung ausgeschlossen.
Wenn man jetzt noch überlegt, dass der BVB stolz darauf ist, eine Integrationssportabteilung zu haben, in der sehbehinderte und blinde Menschen Sport treiben (und die Sportler vermutlich auch auf der Versammlung waren) bleibt eigentlich nur ungläubig den Kopf zu schütteln angesichts der Tatsache, dass so etwas wie oben beschrieben auf der Mitgliederversammlung des Ballsportverein Borussia 09 e.V. im Jahre 2023 passieren kann.
Liebe Borussia: das geht viel, viel besser. Und Borussia verbindet doch noch Männer, Frauen, alle Nationen. Oder nicht?