Stimmungsbericht

Austria Salzburg vs. Red Bull Salzburg Wer zuletzt lacht

12.10.2023, 19:13 Uhr von:  Michi
Feuerwerk und Pyrotechnik leuchten auf der Fantribüne
Ein Feuerwerk der Emotionen entfachten die Fans an diesem Abend nicht nur einmal

Vor knapp zwei Wochen durfte ich Teil des Derbys aller Derbys sein. Die Austria aus Salzburg spielte gegen ihren eigenen Totengräber Red Bull. Da ich immer wieder daran zurück denken muss, möchte ich meine Gedanken mit euch teilen.

Es ist jetzt knappe zwei Wochen her, das Aufeinandertreffen von David und Goliath im Salzburger ÖFB Cup. Und nicht erst seit dem 26.9. befand sich die Stadt im Herzen Österreichs im Ausnahmezustand.

Denn am Sonntag, den 30.07. geschah das Unglaubliche. Bei der Pokalauslosung des ÖFB-Cups wünschte sich der Fußballgott nichts anderes als dieses nie da gewesenes Aufeinandertreffen. Die Austria aus Salzburg gegen seinen eigenen Totengräber Red Bull Salzburg.

Doch von vorne: Im Jahre 2005 beraubte der Hersteller eines muhenden Brausesaftes die Austria ihrer … tja, ihres ganzen Vereins. Ihrer Werte, ihres Namens, ihrer Familie. Was zuerst aussah wie die Einflussnahme eines mächtigen Sponsors endete in Namensänderung, Farbänderung der Trikots, Entsorgung der zurecht kritischen Fanszene… ein Albtraum für jeden Fußballfan!

Nachdem die selbstverliebte Führungsetage ihnen spottend ans Herz legte, „doch ihren eigenen Verein zu gründen“, der sich nach 18 Jahren nun übrigens auf dem Weg in die 2. Liga befindet, trafen sie nun endlich aufeinander. David gegen Goliath. Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, Bullenschweine. Und die Austria? Die ist niemals allein! Die Vereine, die nicht vorab schon per Spruchband oder persönlich ihre Solidarität bekundeteten, ließen sich an einer Hand abzählen. Ob in Österreich, Deutschland, Europa - an diesem Dienstag waren wir alle weiß-violett!

Pyrotechnik und ein Spruchband mit der Aufschrift „die ganze Stadt erstrahlt in Violett“
„Die ganze Stadt erstrahlt in Violett“


Und so stimmten sich schon am Montagabend einige Hunderte beim Abschlusstraining auf DAS Spiel am darauffolgenden Tag ein. Glühend heiß war die Stimmung bei Spielern, Ultras, Freunden und allen, die RB alles Schlechte dieser Welt wünschten. So durfte auch ich dabei sein, um gemeinsam für diesen kleinen großen Verein alles rauszuhauen. Und ich war nicht allein, viele viele Autos von weit und fern reisten an, schon viele Stunden vor dem Spiel gab es kein Durchkommen mehr am Treffpunkt vor dem Stadion. Die Stimmung war aufgedreht, freudig erregt, in keinster Weise hasserfüllt.

Den Empfang der weiß-violetten Mannschaft hatte ich fast verpasst, wartete ich doch auf einen großen sperrigen Bus. Nein, wir feierten eine Autokolonne, zündeten Rauchtöpfe, Champions League Stimmung zwischen Bergen und Feldern. Überwältigt waren die Spieler schon jetzt, wie viele bekannte und auch unbekannte Gesichter heute Austrianer waren. Dass auch Dortmund mehr als präsent war, zeigte sich dann bei der Einfahrt des roten Viehtransporters, der mit einem lauten „Red Bull Hurensöhne“ empfangen wurde. Denn neben mir tuschelte man schnell „Na endlich mal kein BVB davor“.

Nachdem der Bus nach reichlich Verspätung endlich seinen Weg fand - offensichtlich ist das Stadion in der Nachbarstadt doch keine Dauerlösung, Herr Bürgermeister! - betrat ich dieses kleine, nette Stadion mit Bergpanorama. Ob die Austria hier eine Heimat finden würde, wo das jetzige Zuhause keine Option mehr sein kann, schon gar nicht, wenn ein Aufstieg in die 2. Liga im Raum steht? Vertreter der Stadt, geladen als VIP Gäste bekamen den Unmut über die aktuelle Situation jedenfalls schnell zu spüren.

Was dann folgte, bereitet mir bis heute Gänsehaut. Der Stadionsprecher präsentierte eine Rede wie sie perfekter nicht sein konnte. Er verwies auf einen „höchst potenten Zuchtbullen, der sehr schnell viele Vereine in allen möglichen Variationen zeugte“. Er belebte die Geschichte der Neugründung, die schlafende Politik bei der Suche nach einer neuen Heimat und endete mit den Worten „die Austria hat gelebt, die Austria lebt und die Austria wird euch alle überleben!“ Das Stadion bebte. Schnell wedelte ich mit der lilafarbenen Fahne von links nach rechts. Der Wind war es, der meine Augen befeuchtete. Ganz sicher.

Dass das Spiel fußballerisch kein Duell auf Augenhöhe war - wie auch, wenn die gegnerischen Spieler knapp 200 Millionen wert sind und die Austrianer unbezahlbar aber sehr sehr viel weniger „wert“ - war allen Anwesenden von Anfang an klar. Aber darum ging es an diesem besonderen Tag auch gar nicht. Und trotzdem kämpften sie, gegen die großen Namen und gegen ihren ehemaligen Totengräber. Und auch die aktive Fanszene entfachte im wahrsten Sinne des Wortes ein Feuerwerk der Gefühle, während mich als Unbeteiligte ein Doppelhalter im Gästeblock rasend machte. „SV Austria seit 1933“. In Rot. Ich werde verrückt vor so viel Verstrahltheit! Ich fokussierte mich wieder auf den eigenen Support. Das ganze Stadion stand ununterbrochen, Wechselgesänge schallten eindrucksvoll aus den Bergen zurück. Und noch nie habe ich eine Sitzplatztribüne gesehen, die so lautstark und ohne Punkt und Komma Vollgas gab. Italienisches Partyfeeling schienen die Gäste aus Barletta mitzubringen.

Was auf dem Rasen geschah, hätte ich in der Form allerdings nicht erwartet. Schon vor dem Spiel wünschte sich ein Jeder, dass es bloß nicht zweistellig werden sollte. Aber die Jungs hatten andere Pläne, gepusht wie noch nie liefen sie zu Höchstform auf. Red Bull schaffte es in Halbzeit eins natürlich schon, den Ball im Netz zu versenken, aber eben nur ein einziges Mal. Getragen von den Rängen ging es hochzufrieden in die Kabinen. Ununterbrochen - und auch noch lange über das Spielende hinaus - feierten Austrianer und Freunde ihre Mannschaft, ihren Verein. Dass das Ergebnis am Ende ausgerechnet mit 0:4 enden musste, erfreute die Schwarzgelbe Anhängerschaft dann weniger, spielte aber an diesem Fußballabend so gar keine Rolle.

„Die Bullen entscheiden Stadtderby klar für sich“ schrieben am nächsten Tag die Zeitungen. Denn sie hatten ja keine Ahnung. Dass es nicht nur ein Stadtderby war. Worum es eigentlich ging. Dass „klar entscheiden“ offenbar Definitionssache ist.

In Salzburg nur die Austria! Danke für diesen Abend!

Zum Schluss noch einmal ein großes Dankeschön für die Solidarität um Marcel am vergangen Spieltag, bei dem Infoflyer und Spendenboxen verteilt wurden. In den Farben getrennt, in der Sache vereint - für immer!

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