BVB holt drei wichtige Punkte bei Werder Bremen Das PURe Vergnügen
Im Norden nichts neues. Diskussionen um Playlists auf Hin- und Rückfahrt, eine katastrophale Einlasssituation, ein beschissener Gästeblock und ein nerviger Gastgeber. Unser Spielbericht zum Auswärtssieg in Bremen.
In Köln, meiner Wahlheimat, sagt man „Beim ersten Mal haben wir es
ausprobiert, beim zweiten Mal ist es schon Tradition.“ Und
Traditionen wahrt man im Fußball bekanntlich gerne. Aus diesem Grund
hat sich ein Teil unserer Redaktion überlegt, dass man nach 2020 und
corona- bzw. abstiegsbedingter Abstinenz der Bremer, mal wieder einen
Versuch wagen könnte, in einem kleinen Bulli den Weg nach Bremen
aufzunehmen und hoffentlich mit drei Punkten zurück nach Dortmund zu
kommen. So weit so gut der Plan. Aber eine Auswärtstour ins Stadion
nach Bremen ist nicht einfach so getan.
Vorher muss man diverse Widrigkeiten passieren oder überleben. Es kommt auf die Perspektive an. Denn bereits im Auto prallen zwei Welten aufeinander: da gibt es den einen, der nicht trinkt und dafür liebend gern das Auto sicher nach Bremen und zurück steuert, aber eben auch den anderen, der sehr gerne mal ein Bierchen vernichtet und aufopferungsvoll die Rolle des DJs übernimmt. Und genau dort liegt das Problem. Zumindest phasenweise überzeugt seine Playlist vor allem dadurch, dass sie die Pfade des guten Geschmacks bereits seit langer Zeit verlassen hat und nun ein donnerndes Bekenntnis des schlechten Musikgeschmacks darstellt. Zwar sitzen da nicht nur zwei Leute im Auto, sondern auch ein paar weitere, die sich der temporären Geschmacksverwirrung in Form des musikalischen Niveaulimbos gut und gerne anschließen, aber der Fahrer- der Fahrer kann das PURe Vergnügen einfach nicht teilen. Und der hat einen Lautstärkeregler am Lenkrad. Schwierig.
Wie durch ein Wunder erreichen wir dennoch alle gemeinsam unversehrt (Langzeitschäden sind nicht auszuschließen) den Osterdeich und damit auch die nächste Widrigkeit: den Gästeeingang des Weserstadions. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich bereits als Auswärtsfan nach Bremen gekommen bin, aber jedes, wirklich jedes gottverdammte Mal, ist die Einlasssituation am Gästeblock einfach nur restlos beschissen. Wer auch immer für das Konzept verantwortlich ist, kann eigentlich nur im Sinn haben, anderen Menschen gehörig auf den Senkel zu gehen, anders ist dieses misslungene Gebilde von Dreiecken, Hohlräumen und engen Durchgängen nicht zu erklären. Von Hinten drängen die Massen in alle Richtungen, die Absperrgitter lassen aber nur einen 50 cm breiten Durchgang offen, den man einzeln passieren kann, um dann wieder in einer Art Hohlraum zu landen, wo sich wieder alles sammelt. Selbstverständlich nur, um wieder durch den nächsten 50 cm breiten Schlauch gedrückt zu werden. Und warum zur Hölle wollen eure Sicherheitskräfte einen Blick in Portemonnaies werfen? Angst, dass dort extrem flache Bengalos geschmuggelt werden? Oder macht ihr eine statistische Erhebung, welche Gästefans die meiste Kohle mitbringen? Einfach super alles. Nicht. Hallo Werder Bremen, wann folgt mal eine Evaluierung dieses lausigen Konzepts? Im Block angekommen darf man sich dann damit auseinandersetzen, einen Platz zu finden, an dem einem nicht diagonal gezogene Balken genau vor der Nase hängen und die Sicht auf ein Viertel des Spielfeldes verdecken.
Rein ins Spiel
Nach der Blamage aus dem Hinspiel, das man nach einer 2:0 Führung in den letzten fünf Minuten noch in Form einer Niederlage aus der Hand gegeben hat, steht heute Wiedergutmachung auf dem Papier. Ohne den (dieses Mal gelb-)gesperrten Adeyemi, Özcan, Hummels, Haller, Wolf und Bynoe-Gittens, dafür aber mit Guerreiro, Schlotterbeck, Moukoko, Reus und Reyna beginnt Dortmund die ersten Minuten souverän und bestimmt das Spielgeschehen. Mehrere Angriffe in Form von Reus, Guerreiro und Ryerson werden jedoch abgewehrt bevor Bremen in der 18. Minute durch Füllkrug zu seiner ersten Chance und nur drei Minuten später zu einer Riesenchance in Form eines Beinahe-Eigentors von Ryerson kommt. Von da an wird unser Spiel fahriger und Bremen gewinnt mehr und mehr an Selbstvertrauen. Zu viel des Guten wird es, als Bittencourt Moukoko im Mittelfeld versucht vom Ball zu trennen, dabei mehr vom Spieler als vom Ball erwischt und in den Folgeminuten für den ersten Wechsel des Spiels sorgt. Für Moukoko geht es nicht weiter und Haller übernimmt. Der Rest der ersten Spielhälfte wird von Bemühungen auf beiden Seiten bestimmt, die aber letzten Endes zu unsauber oder lasch ausgespielt werden. Man verabschiedet sich mit einem torlosen Remis zur Halbzeit. Der Gästeblock ist lautestärkemäßig gut drauf, von der Ostkurve kommt, bis auf ein Wechselgesang in der Mitte der Halbzeit, wenig an.
Weiter geht’s
Die zweite Halbzeit beginnt genau so wie die Erste angefangen hat: Dortmund ist willig und steigt dynamisch ins Spielgeschehen ein. Reus taucht bereits nach wenigen Sekunden vor Pavlenka auf, schießt den Ball aber gegen den Torwart und nichts ins Netz. Da war mehr drin. Leider kann ich zu den nächsten Spielminuten nicht viel sagen, da ich eine Fahne im Weg hatte, die etwa dieselbe Quadratmeterzahl besitzt wie meine Wohnung in Köln. Scheinbar hat Pavlenka aber in der Zwischenzeit wieder einen Angriff unsererseits abgewehrt. Und auch wenn man das Spielgeschehen visuell nicht verfolgen konnte, so war es absolut nicht zu überhören: diese Unsitte den Namen des Torhüters während des aktiven Spielgeschehens dreimal auszurufen gehört auch einfach verboten. Aber auch auf dem Platz wird Bremen zunehmend nerviger. Nach einem Zuspiel von Schmidt kann Kobel den folgenden Ducksch-Schuss noch eben an den rechten Pfosten lenken, was den Gästeblock kurz zusammenzucken lässt. Aber: der Linienrichter lässt sich vom Gästeblock inspirieren und schwenkt seinerseits seine Fahne. Abseits. Die Stimmung im schwarzgelben Block plätschert unterdessen auch zum monotonen Dauersingsang dahin, während man auf grün-weißer Seite den alten Stadionnamen als unantastbar zelebriert. Naja.
Dortmund ist in diesen Minuten eindeutig zu passiv unterwegs, was wohl auch Terzic bemerkte, da er mit Bynoe-Gittens (für Reyna) und Özcan (für Reus) zwei frische Spieler auf den Platz schickt. Der Verantwortliche für die Auto-Playlist beweist bei der Einwechslung Bynoe-Gittens‘ übrigens, dass er für den Fußball mehr Gespür besitzt als für die musikalische Begleitung des Autofahrers und merkt an: „Der macht heute noch eins“. Und genau so kommt es: Nur eine Minute später flattert der Ball im Bremer Netz und nach recht starken Minuten der Bremer kommt die erlösende Führung der Schwarzgelben. Zum Tor selbst könnt ihr eine eurer ausgewählten Sportseiten im Internet aufrufen, ich hatte wieder eine Fahne im Blick und wurde durch eskalierenden Jubel auf das Tor aufmerksam gemacht. Egal. Hauptsache vorne. Und auch der Gästeblock ist wieder wach und bereit für den nächsten Dauergesang. Auf dem Platz wird Dortmund unterdessen wieder etwas mutiger, wenngleich Bremen sich nicht komplett in die eigene Hälfte zurückdrängen lässt. Die beste Gelegenheit für das 2:0 lässt Brandt liegen, als er Pavlenka umkurvt, den Ball jedoch nicht im Tor unterbringt, sondern Pieper zur Ecke retten lässt.
Aber auch Bremen zeigt, dass das Spiel hier noch nicht entschieden ist. Erneut hat Ducksch das Tor auf dem Fuß, doch sein strammer Schuss landet knapp über der Torlatte. Glück gehabt. Kurz vor Schluss zeigt Guerreiro dann nochmal, welches Talent (neben der lustlosen Traberei vergangener Spiele) eigentlich in ihm steckt, setzt sich noch in der eigenen Hälfte gegen Bremer durch, spielt den Ball wunderbar in Brandts Lauf, der jenen aus dem spitzen Winkel ins Tor bugsiert. 2:0 BVB. Der schwarzgelbe Block erlebt die PURe Freude und sagt schon einmal die Übernahme zweier Pokale (bzw. Schale) am Ende der Saison vorher. Das Skandieren von „Auswärtssieg“ ist angesichts des Hinspiels zwar recht mutig, soll aber dieses Mal nicht bestraft werden. Nach sechs Minuten Nachspielzeit hat auch Brych dann genug und beendet das Spiel.
Ausblick
Ein Besuch im Weserstadion bleibt aus den oben genannten Gründen irgendwie auch immer wieder ein nerviges Erlebnis, aber mit drei Punkten im Gepäck lässt es sich aushalten. Die generelle Stimmung im Gästeblock zeigt, dass es immer noch Spaß macht Borussia zu begleiten, der zunehmende Dauersingsang und wenig spielbezogene Support wirft bei mir jedoch immer wieder Fragen auf. Die Krönung erreicht das Ganze dann immer in dem Moment, in dem als „Feierlied“ „Wir lieben Borussia Dortmund“ angestimmt wird. Für mich der ultimative Schlafsong. Natürlich erwies auch der hauseigene DJ auf der Rückfahrt ein besonderes Gespür für den Moment und schickte uns mit „Wir sind Werder Bremen“ und „Abenteuerland“ über die A1 zurück in den Pott.
Anmerkungen eines Betroffenen
Komm mit ins Abenteuerland? Da bin ich doch schon längst. Und der Verstand ist eh schon weg. Oder warum tue ich mir diese Fahrten an, weiß ich doch schon im Vorhinein, wie es musikalisch ausgeht. Und so bleibt mir stets nur die Therapie am Tag darauf: 20 Stunden Hard Rock auf lautester Stufe. Und doch wache ich immer wieder nachts auf und frage mich, wo all die Indianer hin sind. Ich vermute einfach, dass sie Hartmut Englers kulturelle Aneignung nicht überlebt haben. Gegen jedes Stadionverbot, aber für DJ-Verbot für alle Leute, die Pur in der Playlist haben.
Spielstatistik
Schaut halt beim Kicker rein.