Endlich wieder BVB - das Ende einer Fernbeziehung
Wiedersehen nach zwei Jahren Fernbeziehung/Auslandsaufenthalt. Am Samstag ist das Westfalenstadion voll! Endlich wieder BOOORUSSIAAA!!!
Dank des Einblicks, den Nadja uns in ihre Gefühlswelt gegeben hat, musste ich feststellen, wie anders die gleiche Zeit für mich verlaufen ist: Das komplette Gegenteil.
Samstag ist es soweit!!! Morgens erst ein Massage-Termin und dann ist der Rest des Tages reserviert. *QUIETSCH* Für das gedankliche Bild: Stellt Euch mich vor wie Agnes, wenn sie ein flauschiges Einhorn sieht oder einen Minion, dem eine Banane angeboten wird: „BOOORUSSIAAA!“ Nichts als Bock und jetzt bereits total im Tunnel, im Vorbereitungswahn. Dank der Länderspielpause ist alles frisch gewaschen: Freie Auswahl der Fanartikel. Alle Glückpullis verfügbar, yeah!
Mist! Hätte ich noch einen Friseurtermin machen sollen? Wimpern färben wäre sinnvoll gewesen, Mascara wird vermutlich eh nicht halten…andererseits, wir kennen uns seit 30 Jahren in allen Lebenslagen. Was soll’s also?
Jup, das hat schon was von "Wiedersehen nach zwei Jahren Fernbeziehung/Auslandsaufenthalt". Das trifft es zu 90% - in all den Monaten habe ich alles getan, um die Zeit, die für diese Beziehung reserviert war, weiter dafür freizuhalten:
Anstatt ins Stadion ging es bei Geister-Heimspielen zu Fuß zum Teamhotel, um meine Mannschaft mit hochgerecktem Schal in kompletter Fan-Montur zu verabschieden. (Wir haben uns sogar gefreut als es geregnet hat…es war einfach toll, nach der Heimkehr mal wieder, nasse Fan-Klamotten in der Dusche aufhängen zu können.) Während der Spiele wurde Sport gemacht und Radio gehört. Ich war mir sicher, jede Alternative würde nicht auf Dauer gegen meine Borussia bestehen können. Schließlich war es ja auch etwas Mühe, die Menschen in meinem Leben daran zu gewöhnen, „am Spieltag kann ich nicht“. Das reiße ich doch nicht wegen eines blöden Virus mit dem Hintern wieder ein. Außerdem ist Borussia schon lange nicht mehr nur Männer-Profifußball, es gibt die Frauen im Fußball und im Handball, die U23, die Jugend. Und alle gehören dazu. Sobald es möglich war, habe ich mir den Wecker gestellt für die spärliche Ticketvergabe, anfangs noch versucht, die fehlenden Fans auf der Tribüne zu ersetzen und war tagelang heiser. Da wurde jedes ergatterte Ticket gefeiert.
Irgendwann wurde es immer aussichtsloser, Stimmung auf den Platz zu bringen und das Stadionerlebnis durchaus äußerst schmerzhaft, kein Vergleich mehr zu dem, was wir Jahrzehnte hatten. Selbst das (theoretisch normale) Heimspiel gegen Ajax Amsterdam war kaum, was es hätte sein können. Es gab nur eine einzige Begegnung, die dieses Feeling von "wie früher" hatte...den Empfang nach dem Derbysieg. Trotzdem ging es weiter ins Stadion: Eine sehr, sehr lange Silberhochzeit der Schwiegereltern - muss man halt durch, für die Beziehung. Auch das war irgendwie wichtig.
Mir wurde klar, dass ich es mir über die Jahre ein bisschen in dem Beziehungsstatus bequem gemacht, mich zu sicher gefühlt hatte. Erst als dann in meiner Welt plötzlich kein Stein mehr auf dem anderen war, wurde deutlich: Ich muss mehr tun, wenn ich meinen Fußball behalten und die Beziehung zum Besseren wenden möchte. Die Mitgliedschaft im Verein war nur der erste Schritt. Ich will und muss aktiver werden. Am Samstag bin ich also um 15:30 Uhr am Westpark/an der Möllerbrücke, obwohl ich tatsächlich eher der Typ bin, der schon vor der Pandemie ein, zwei Stunden vor Spielbeginn auf der Tribüne war. Aber Sichtbarkeit und Schulterschluss geht jetzt mal vor entspanntem Einlass.
Es wurde uns nämlich auch 24 Monate lang erzählt, wie sehr die Fans dem Sport gefehlt haben… Nun, wenn dem so ist, gilt es die Chance zu nutzen! (Zumal parallel von einem Ende von 50+1 gefaselt wird, mit absurdesten Argumenten, gell, Kalle?) Und niemand weiß, wie lange es dieses Mal „gut“ geht, bis die Bilder von vollen Tribünen im Fernsehen wieder zum Problem werden. Es ist ja leider nicht auszuschließen, dass diese Öffnung mit Eigenverantwortung krachend scheitern wird. Für mich zählt gerade mit diesem Unsicherheitsfaktor jede Minute.
Die Frage, ob der Funke wieder überspringt, stellt sich gar nicht: Ich bin längst angezündet.
Es geht also in zwei Tagen mit mehreren FFP2-Masken bestückt – ich kann nicht ausschließen, dass ich die eine oder andere in Tränen tränke – komplett in schwatzgelb, mit vielen Eukalyptus-Bonbons und voller Motivation ins Westfalenstadion.
Leise singt es in meinem Kopf: „Aber eins, aber eins, das bleibt besteh’n…“