Eua Senf

Schlägt Tradition doch nicht jeden Trend?

23.05.2022, 19:35 Uhr von:  Gastautor
Mann im RB Bullenkostüm zeigt mit den Zeigefingern nach vorne

RaBa Leipzig gewinnt den DFB-Pokal und der Fußballstandort Deutschland trauert. Er trauert der Idee nach, die den leidenschaftlichen Widerstand gegen das Konstrukt aus Leipzig am Leben hielt: „Tradition schlägt jeden Trend“. Eine Einschätzung zu einem unwürdigem Sieger aus Leipzig und der Zukunft des Widerstands gegen fragwürdige Fußballprojekte.

Es ist der 13. Mai 2021 und ich sitze auf der Couch und fiebere dem Pokalfinale entgegen. Selten war ich so nervös vor einem Spiel. Der Grund war aber nicht das Finale an sich, sondern der Gegner und die potentielle Niederlage. „Bloß nicht verlieren und Leipzig den 1. Titel geben…“ schoß es mir vor Anpfiff durch den Kopf: „Das darf nicht passieren!“. Am Ende des Spiels war ich vor allem eins: erleichtert. Leipzig bleibt titelfrei und wir haben unseren Beitrag dazu geleistet: „Tradition schlägt jeden Trend!“.

Etwas mehr als ein Jahr später verfällt die deutsche Fußballszene in eine kollektive Schockstarre, denn das was nicht passieren sollte, nicht passieren durfte, ist passiert: Leipzig holt seinen ersten Titel der Unternehmensgeschichte im deutschen Profifußball. Aber nicht alle sind starr vor Schock: Die Fans im Olympiastadion, die Freiburg die Daumen gedrückt haben, feiern ihre Mannschaft wie einen Sieger. Wie hätte man es den Freiburgern gegönnt, und das nicht nur wegen des scheiß Gegners. Ein durch und durch sympathischer Verein mit der Möglichkeit auf einen großen Titel. Es hat nicht sein sollen.

Auf der anderen Seite Leipzig, die vor allem auf Social Media echt dick auftragen und so ziemlich alles an künstlichen Begeisterungsströmen verteilen was das Emoji-Set hergibt.

Kevin Kampl, der grinsend einen Energydrink in den DFB-Pokal gießt ist da auch nicht mehr als die Kirsche auf dem Haufen Scheiße, der da Samstag passiert ist

Der Sportjournalismus weiß hingegen nicht wohin mit sich und seiner Berichterstattung. Natürlich ist jedem und jeder Journalist*in klar, dass das kein Fußballmärchen ist, wie es seitens Leipzig immer wieder erzählt wird, aber man muss doch auch irgendwie neutral sein, oder? Und geht es hier nicht erst mal nur um den Fußball? Also gibt es zaghafte Glückwünsche diesem Abend und keine kritische Einordnung mehr.

Die Fußballgucker, die eh zu keinem Verein halten, hatten an diesem Abend sicher ihre Freude und sagen logischerweise am Ende „Endlich nicht mehr Bayern oder Dortmund, mal wer anderes“.

Denen kann man auch nicht mehr erklären, was problematisch ist an Leipzig. Die sagen halt „mehr Wettbewerb um jeden Preis“, auch wenn diese Art des Wettbewerbs das System von innen aushöhlt.

Ein „Verein“ mit 21 stimmberechtigten Mitgliedern, der 50+1 ausgespielt hat, um auf der großen Fußballbühne Energydrinks zu bewerben.

Der DFB behandelt Leipzig wie alle Anderen in der Liga und macht Business as usual. Da interessiert man sich aktuell sowieso eher für den Einsatz von Drohnen für Interviews auf dem Spielfeld und andere Spinnereien, statt sich ehrlich zu fragen, warum ihnen ihr „Premiumprodukt“ so langsam unterm Arsch wegbricht.

Am Ende haben Leipzig und DFB die Bilder bekommen, die sie wollten und verdienen. Irgendetwas zwischen Pokalsieg und Betriebsfeier. Es ist alles eine Farce.

Aber diese Bilder werden sich in das kollektive Fangedächtnis Deutschlands einbrennen. Hilflos schaute man auf Freiburg, die stolze Verliere sind und damit an diesem Abend nochmal einen Haufen Sympathiepunkte sammelten konnten, während dass Allerletzte der Liga „endlich“ seinen ersten Titel hat.

Aber mit Sympathiepunkten gewinnt man in Zukunft keine Titel und deswegen ist es jetzt an der Zeit den Protest gegen den DFB hochzufahren. Es braucht Reformen innerhalb der Bundesliga, die es unmöglich machen richtigen Vereinen geldschwangere Werbevereine vor die Nase zu setzen und zu sagen „konkurriert doch einfach mit denen“. In gleichem Atemzug muss die Geldverteilung der Bundesliga neu überdacht werden, um einen spannenden und fairen Wettbewerb zu genieren. Darum geht es doch am Ende, oder?

Also lasst diese Katastrophe den Beginn von etwas Neuem werden, damit es am Ende wirklich heißt „Tradition schlägt jeden Trend“!

Jannik

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