Wie mein Fanherz wiederbelebt wurde
Im Saisonendspurt hat der BVB die Emotionen erweckt und so blicken wir etwas wehmütig auf das letzte Bundesliga-Spiel.
Als Leipzigs Olmo vor gut einer Woche in der 71. Minute, nach bereits etlichen Herzaussetzern in den vorangegangenen Minuten, aus gut 20 Metern den Ball vorbei an Bürki in unser Tor versenkte, brach ich innerlich für einen kurzen Augenblick zusammen. Seit dem schmerzhaften Derby Remis im Jahr 2017 traue ich keiner Halbzeitführung mehr – egal wie überzeugend, egal wie deutlich, egal wie verdient sie sein mag. Irgendwo in meinem Hinterkopf ruft die mahnende Stimme immer und immer wieder „aber damals…“. Und weil wir nicht, wie in den letzten Finalspielen vor Ort, mit zittern durften und somit das Spielgeschehen wohl oder übel direkt verfolgen mussten, hielt ich es auf dem Sofa kaum mehr aus. Stattdessen schnappte ich mir meine Abiturklausuren und fing an zu korrigieren. Dass ich jeden Satz fünfmal lesen musste und am Ende nicht eine Seite korrigiert bekommen habe, verdeutlicht mein Dilemma: ich konnte das Spiel nicht mehr ertragen, aber es ignorieren ging noch weniger- ich wollte einfach nichts sehnlicher als diesen schwarz-gelben Haufen gewinnen und jubeln sehen. Und das war, paradoxerweise, ein unfassbar beruhigendes Gefühl.
Die letzten Wochen, die letzten Monate, die ganze Saison – sie war(en) schwer. Und trotz bescheidener Wochen zu Beginn der Saison, war Fußball doch die so ziemlich geringste Sorge, die wir hatten. Und hier begann mein Fanproblem. Ich stehe seit über 25 Jahren auf der Südtribüne. Fußball wurde von mir nur in Ausnahmefällen aufgrund von totalem Stress, undankbaren Anstoßzeiten, die die Rückfahrt in die Wahlheimat unmöglich machten, oder aus Krankheitsgründen im Fernsehen verfolgt und jedes Mal von einem Gefühl des Fremdseins begleitet. Das war einfach nicht meins, aber in Zeiten der Pandemie eben alles, was einem blieb. Und so entfremdete ich mich mehr und mehr von dem Sport, der meine Wochenenden seit Kindesbeinen an bestimmte. Fußball lief plötzlich nebenher und irritierenderweise war das okay. Und dann kam Sevilla. Nein, eigentlich kam Terzic, aber mit Terzic kam ein Gefühl zurück, was sich immer weiter in den Vordergrund drängte und beim Sevilla-Spiel explodierte: vielleicht rückte die Liebe zum Fußball und zum Ballspielverein zwischenzeitlich in den Hintergrund, aber sie war einfach nie wirklich weg. Sie musste nur – ganz pathetisch gesprochen- wieder neu entfacht werden.
Umso wehmütiger blicke ich dem kommenden und letzten Spiel dieser Bundesligasaison entgegen. Letzten Endes geht es um nichts mehr: wir haben die Championsleague-Quali gepackt und Leverkusen wird kommende Saison sicher in der Euro League spielen – Tabellarisch ist nicht mehr viel zu rütteln. Zugegeben, Schmadtkes arrogante Selbsteinschätzung bezüglich der Tabellenkonstellation am Ende der Saison würde den dritten Tabellenplatz natürlich noch einmal nachhaltig versüßen. Aber am Ende des Tages wäre dieses Spiel unter normalen Umständen ein prädestiniertes Spiel dafür, noch einmal mit den liebsten Leuten, ohne Druck und mit viel Gelassenheit, ein wenig Wehmut, aber auch viel guter Laune in der Roten Erde und auf der Süd zu verweilen, die Saison ausklingen zu lassen und die verdiente Leistung von noch verdienteren Spielern zu feiern. Und dann ist da noch dieser Trainer, der die Süd und das volle Westfalenstadion zwar in und auswendig kennt, aber nie in den Genuss gekommen ist, vor einer ausverkauften Süd zu stehen und sich von ihr für das Mentalitätsmonster, welches er in den letzten Monaten mit so viel Gelassenheit, positiver Ausstrahlung, Leidenschaft und Liebe zu seinem Job und dem Verein bekämpft hat, feiern zu lassen. All das soll diese Saison nicht sein. Und trotzdem gehe ich mehr als versöhnt aus dieser Saison. Aufgrund des Pokalsiegs – na klar – und auch, weil wir die Qualifikation für die Champions League erreicht haben. Aber allen voran, weil wir unfassbar geile Kicker in der Mannschaft haben, weil wir in den letzten Wochen tatsächlich eine Mannschaft auf dem Platz gesehen haben, die zudem verdiente Spieler würdig zelebriert, und nicht nur einen Haufen Individualisten darstellt, weil wir einen Trainer mit Herzblut haben, der uns einen Hauch 2011 zurückgebracht hat und weil ich nach dem gewonnen Finale endlich wieder Tränen in den Augen hatte. Ich freue mich auf die neue Saison Ballspielverein, was auch immer sie bringen mag!