Ich freue mich auf den Stadionbesuch
Fußball? Das ist momentan verdammt weit weg. Kaum vorstellbar, dass vor drei Wochen noch Plakate gegen Dietmar Hopp und neue TV-Verträge die wichtigen Themen waren, die gesellschaftlich hohe Wellen schlugen. Das war, bevor Corona in Europa das Leben radikal umgewälzt hat. Seitdem dringt selbst der noch vor kurzem nicht für möglich gehaltene Überlebenskampf der Bundesliga als Ganzes nur dumpf und leise aus der Fußballblase in die Außenwelt. Die spärlichen Transfergerüchte interessieren gar niemanden mehr.
Mir geht es da ganz ähnlich – und trotzdem freue ich mich mittlerweile unfassbar auf den ersten Stadionbesuch. Das was „früher“ der Traum vom Karibikurlaub mit Palmen und kitschigen Sandstränden war, den ich irgendwann später unbedingt mal machen wollte, ist radikal auf die kurze Distanz von 5 km zwischen meiner Haustür und den weithin sichtbaren gelben Pylonen der Stadionecken zusammengeschrumpft. Nicht, weil ich zu dumm bin, die aktuelle Situation zu verstehen und nur Fußball im Kopf zu haben.
Für mich ist es in den letzten Tagen zum Inbegriff der Normalität geworden. Etwas, das es in der „guten alten Zeit“ gab, die einerseits oft gar nicht so gut war und andererseits erst wenige Wochen alt ist. An einem sonnigen Samstag Nachmittag zum Stadion zu laufen, unterwegs Meter für Meter mit der Masse schwatzgelber Trikots und Schals zu verschmelzen, mich an die Schlange vorm Stadiontor anzustellen und dann auf der Tribüne die ganzen vertrauten Gesichter, denen es hoffentlich weiterhin gut geht, zu treffen. Sie nicht als potentielle Gefahr zu verstehen, der man sich mindestens 1,5 Meter entfernt halten sollte, sondern mit denen man auf den Moment hin fiebert, in dem man gemeinsam das Tor feiert und sich abklatscht. Dabei ist mir absolut bewusst, dass der letzte Punkt vermutlich noch deutlich länger dauern wird als nur bis zur erneuten Öffnung der Stadiontore. Corona hat sich in kürzester Zeit tief ins kollektive Gedächtnis gebohrt und es wird viel länger dauern, bis es das Denken der Menschen nicht mehr beherrscht. Auch der Spieltag wird sich für die Zukunft verändern.
Der erste Stadionbesuch. Das ist für mich irgendwie gleichbedeutend mit dem Zeitpunkt, an dem es vorbei ist. Der Zeitpunkt, an dem man sich nicht mehr primär Sorgen um seine Lieben und sich selbst machen muss und an dem die konkrete Gefahr verschwunden und durch all die diffusen Ängsten ersetzt ist, die unser Unterbewusstsein spielend leicht verdrängen kann. Es heißt, dass wir es überstanden haben und es uns dabei gut geht. Eine Zeit, in der man Herz und Kopf wieder frei hat für die Dinge, die im Kern so herrlich belanglos sind. Zeit für Zerstreuung. Das Ende von sozialer Distanz auch zu Menschen, die eigentlich fester Teil des Lebens sind und die Zeit, wieder aufeinander zuzugehen.
An dem Tag, an dem es wieder ins Stadion geht, wird es völlig belanglos sein, wer der Gegner ist. Die Bedeutung hängt nicht davon ab, ob es gegen Bayern, oder gegen Augsburg geht. Auch die Startaufstellung und irgendwelche taktischen Formationen sind nebensächlich. Selbst das Resultat des Spiels wird am Ende keine Rolle spielen. Wichtig ist nur, dass es sein wird. Und das wird es.
Bis dahin: bleibt gesund und beschützt euch und die Menschen in Eurer Umgebung so gut es geht.