Alles doof dank Corona
Geisterspiele? Spielverschiebungen? Absagen der kompletten Saison? Die COVID-19 Pandemie erschüttert den Spielbetrieb der Fußball Ligen. Auch in der Bundesliga wird heftig diskutiert. Für alles lässt sich ein Für und Wider finden. Fest steht: den Königsweg gibt es hierbei nicht.
Heute Abend wird Borussia in der Champions-League gegen Paris St. Germain spielen. Ein Hochglanzgegner in einem Hochglanzwettbewerb. Samstag dann das Kontrastprogramm mit dem Derby. Dreckig und schmutzig statt Hochglanz – das gilt ebenfalls sowohl für das Spiel als auch für den Gegner. Trotzdem werden beide Spiele etwas gemeinsam haben. Man wird hinter den Toren keine geschwenkten Fahnen sehen, keine Fans, die bei einem Tor an der Seitenlinie ausrasten und keine der üblichen Fangesänge hören. Stattdessen grauen Beton, leeren Sitzschalen und man wird jedes einzelne Wort hören, das auf dem Platz gesprochen wird. Geisterspiele.
Wir brauchen gar nicht darüber fabulieren, wie sinnvoll die getroffenen Maßnahmen sind. Es gibt Notfallpläne für Pandemien und die Entscheidungen der Gesundheitsministerien und –ämter sind bindend. In den nächsten Tagen werden die Maßnahmen landesweit verhängt und selbst der widerständige Präsident von Union Berlin wird zum Heimspiel gegen die Bayern sehr allein auf der Haupttribüne sitzen, davon kann man ausgehen. Wie lange diese Schutzmaßnahme aufrechterhalten wird, kann niemand seriös voraussagen, da aktuell die Einschätzung der Virologen ist, dass das Coronavirus nicht mit Einsetzen der wärmeren Jahreszeit den Rückzug antritt. Spätestens wenn auch Spieler, oder Mitglieder des Trainer- und Betreuerstabs betroffen sein sollten, wird sich die Situation für den Spielbetrieb noch einmal grundlegend ändern.
Aber wie verfährt man jetzt mit dieser Situation?
Vorab: In den letzten Tagen erreichten uns einige Anfragen bezüglich Petitionen gegen die Geisterspiele oder Aktionen am Stadion. Wir werden solche Aktionen weder unterstützen noch bewerben. Keiner bei schwatzgelb.de hat die Expertise, die derzeitigen Maßnahmen zu bewerten. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die verantwortlichen Fachleute leichtfertig die Absage empfehlen.
Für viele Fans nehmen Geisterspiele dem ganzen Profifußball den Reiz. Natürlich ist das Geschehen auf dem Rasen die Basis allen Fußballseins und diese Basis wird aufrechterhalten. Aber zur Faszination des Profifußballs gehört auch der Hintergrund, eben die Tribünen, die das Bild komplettieren. Fußball in leeren, kalten Betonschüsseln ist wie die Mona Lisa auf einer ansonsten weißen Leinwand, wie ein Konzert von Metallica ohne Schlagzeug und Gitarre, oder wie Bratwurst ohne Senf oder Ketchup. Alles halb, nicht vollständig. Nicht echt.
Also die Saison einfach hier und jetzt beenden? Mein Fanherz stimmt dem absolut zu. Es ist der 25. Spieltag, das Tabellenbild ist also ziemlich stimmig – und es erspart uns den Anblick von 9 weiteren Kicks bis zum Saisonende, die den Charme einer Tiefgarage aus den 70er Jahren versprühen. Der Kopf schüttelt sich aber leicht bei diesen Gedanken. Wie sportlich fair ist es wirklich, wenn Paderborn absteigen sollte, wo sie zwei Mal gegen die Bayern gekickt haben, während Fortuna Düsseldorf und Werder Bremen als Konkurrenten um den Relegationsplatz nur einmal gegen den Branchenprimus antreten mussten? Ganz zu schweigen davon, dass der Aufsteiger so auch noch ein Heimspiel gegen den direkten Gegner von der Weser verlieren würde? Und dann weiter: was ist mit den laufenden Verträgen mit Sponsoren und TV-Rechteinhaber? Wir reden hier über ein Viertel der Saison, für das die Vereine ihren Spielern aber die Gehälter weiter zahlen müssen. Massive Spielausfälle werden massive Einnahmenausfälle bedeuten und das dürfte einige Klubs in eine existenzbedrohende Lage versetzen. Natürlich kann man da auf die Solidarität der beiden Profiligen…. Hahahaha… ok, ich höre schon auf.
Dann vielleicht verschieben? Aber wohin? Niemand weiß, wann die Epidemie-Welle in Europa wieder so weit abebbt, dass flächendeckend wieder ein geregelter Spielbetrieb möglich ist. Ganz davon abgesehen, dass dafür auch die Kleinigkeit einer EM-Verschiebung gewuppt werden müsste. Und spätestens die UEFA ist unbeweglicher als eine Tonne Sand, wenn es um ihre Veranstaltungen und Einnahmen geht. Selbst wenn man die Spitze rund um Aleksander Ceferin dazu bringen könnte, blieben noch viele Unwägbarkeiten. Wie weit kann man den Ligabetrieb verlängern, damit er nicht mit den beginnenden Qualifikationsrunden für die Europapokalwettbewerbe kollidiert? Auch das sind für viele kleine Vereine dringend benötigte Einnahmen. Die großen Vereine benötigen ebenfalls Planungssicherheit für die neue Saison. Gerade Vereine, die aktuell zwischen Europa-League und Champions-League hin und her pendeln, benötigen so schnell wie möglich Gewissheit, weil das jeweils völlig unterschiedliche Möglichkeiten in der Personalplanung eröffnet. Und was ist überhaupt mit Spielern, deren Verträge am 30.06. enden, bzw. die schon zum 01.07. bei einem anderen Verein unterschrieben haben? Weitergesponnen könnte das im Extremfall heißen, dass ein Spieler im Juni noch für Mannschaft A und Anfang Juli für Mannschaft B gegen Mannschaft A spielt.
Am Ende bleiben nur ganz viele Fragezeichen und die Erkenntnis: alles doof dank Corona.