Einfach mal früh ins Bett gehen
Es zeichnet sich bereits seit einigen Jahren ab. Wenn der BVB in der CL auswärts antritt, kann jeder Fan sehr sinnvolle Dinge tun. Endlich mal den Keller entrümpeln. Die Steuererklärungen der letzten Jahre fertigmachen. Oder einfach mal früh ins Bett gehen. Was auf jeden Fall zu vermeiden ist: Den Fernseher anzumachen.
Ausgangslage
Seit 2003 ist der BVB in Italien ohne Sieg. Jan Koller traf damals zum 0:1-Auswärtssieg beim AC Mailand. Na gut, theoretisch gewann man auch noch 2008 bei Udinese Calcio, allerdings schied man dort aufgrund der Hinspielniederlage im Elfmeterschießen aus. Ansonsten gab es südlich der Alpen zuletzt wenig zu holen. Zusammen mit den größtenteils erschreckend schwachen CL-Auswärtsleistungen der vergangenen Jahre gab es wenige Gründe optimistisch in die Partie zu gehen.
Doch auch der Gegner ging nicht mit unbegrenztem Selbstvertrauen in die Partie. Nur 4 Punkte nach 4 Spielen und zuletzt ein 0:3 gegen Sampdoria Genua, Lazios Saisonstart ist mit durchwachsen noch optimistisch umschrieben. Auch der in Dortmund nicht ganz unbekannte Toptorjäger Ciro Immobile traf bislang nur einmal.
Die defensiven Personalien beim BVB waren im Vorfeld des Spiels ausführlich thematisiert worden. Durch den Ausfall von Zagadou, Akanji und Can bildeten Piszczek, Hummels und Delaney die Dreierkette vor Marwin Hitz. Roman Bürki nahm weiter auf der Bank Platz.
Erste Halbzeit
Der BVB zeigte sich von Beginn an in Geberlaune. Nach dem moralisch unfassbar peinlichen Sieg beim weltbesten Club aus dem Kraichgau (mehr dazu hier), wollte der BVB sein Karmakonto schnell wieder ins Positive bringen. Und so spielte Meunier einen katastrophalen Fehlpass vor dem eigenen Strafraum, Lazio schaltete schnell und Immobile brachte die Römer früh in Front (6. Minute). Man konnte das Selbstbewusstsein der Italiener quasi auf dem Platz wachsen sehen.
Der BVB hingegen folgte keiner klaren Linie. Mal wurde hochgepresst, auch durchaus mit Erfolg, dann stand man wieder so tief, dass die Gastgeber 25 m vor dem schwarzgelben Tor ohne Druck ihr Spiel aufziehen konnten.
Und auch wenn der BVB im Ballbesitz war, waren die Konter der Hausherren gefährlicher, als das was der BVB fabrizierte. Zu selten schaffte es der BVB mit schnellen Pässen die Abwehr der Römer in Verlegenheit zu bringen, so wie in der 21. Minute, als Guerreiro frei vor Strakosha auftauchte, diesen aber nicht überwinden konnte.
Doch quasi im Gegenzug baute Lazio die Führung aus. Zunächst parierte Hitz gegen Correa, der frei vor ihm auftauchte, die anschließende Ecke fand über Umwege den Weg ins Dortmunder Tor. Am ersten Pfosten verlängerte Ramos den Ball Richtung Hitz, der ihn, nach einem unnötigen Schritt aus dem Tor raus, aus kurzer Distanz ins eigene Tor lenkte.
2:0-Rückstand nach 23 Minuten und weiterhin kein Aufbäumen beim BVB. Erschreckend dabei ist, dass das Spiel nicht an den defensiven Umstellungen krankt, sondern an einfachen Dingen wie Einsatzwillen, Gedankenschnelligkeit und Konzentration.
Meunier und Guerreiro fielen vor allem durch Fehlpässe auf, Witsel, der häufig mit Guerreiro rotierte, sah defensiv zentral ein ums andere Mal schlecht aus und bei Bellingham merkte man, dass ihn die Aggressivität und Schnelligkeit der Römer gestern überforderte (was einem 17-Jährigen aber durchaus zugestanden werden darf).
Die Abwehr fiel gar nicht mal durch ihre Uneingespieltheit auf, sondern durch ihre Geschwindigkeitsdefizite. Jeder lange Ball der Römer wurde potenziell gefordert und eine Drei-Tore-Führung zur Pause lag im Bereich des Möglichen.
Zweite Halbzeit
Bemüht, aber wenig zielführend, kam der BVB aus der Pause. Rom verlegte sich aufs Kontern und stand ansonsten massiv in der eigenen Hälfte. Doch plötzlich keimte in der 71. Minute wieder schwarzgelbe Hoffnung auf. Der zur Pause für Bellingham eingewechselte Reyna legte für Haaland auf und dieser drosch den Ball mit einer Urwucht ins Netz, dass dieser ohne besagtes Netz vermutlich bis in den Tiber geflogen wäre. Nur noch 2:1, noch 20 Minuten Zeit, um das Spiel zu drehen und endlich einen Auswärtsdreier in der Champions League einzufahren. Aber nicht mit dem BVB. Nur 5 Minuten nach dem Tor reichte Lazio ein simpler Konter, um den alten Abstand wieder herzustellen. Immobile überlief Hummels und legte zurück auf Akpa-Akpro, der sich gegen zwei Verteidiger durchsetzte und aus kurzer Distanz vollstreckte.
Der Rest des Spiels ist keiner weiteren Erwähnung wert.
Fazit
Der BVB steht in der kommenden Woche gegen Zenit St. Petersburg, die im Auftaktspiel Brügge unterlagen, unter Druck. Ein Sieg ist Pflicht, soll das Minimalziel Achtelfinale nicht frühzeitig außer Sichtweite geraten. Der Vorteil des BVB: Es ist ein Heimspiel. Den Keller aufräumen oder früh ins Bett gehen, kann man dann wieder am 04.11. wenn es nach Brügge geht.
Am Wochenende steht in Dortmund das Derby an. Hoffnung hierfür macht der Gedanke, dass man kaum einen vernünftigen Spielzug der Römer gestern den Blauen in ihrer derzeitigen Verfassung zutrauen würde. Aber auch gegen die abgewrackte Truppe aus der Nachbarschaft wird es mit einer Einstellung wie gestern schwierig.