Wir haben es nicht zu Ende gespielt
Die Gefühlswelt nach dem Bremenspiel zwischen „Es ist vorbei wenn's vorbei ist“ und „Wir haben es nicht zu Ende gespielt“
Ich war noch heiser beim Spaziergang durch den Westfalenpark am Tag danach. Ja, der Support von Block S109 hatte Spuren hinterlassen. Langsam wurden die Atemwege frei von dieser gelben Pyrotechnik zu Beginn des Spieles. Ich muss gestehen, ich hatte sie sogar etwas lieben gelernt und sie aktivierte in mir und meiner Umgebung einen gewissen Kampfmodus. Es galt zu kämpfen für die Meisterschaft und wir Fans mussten unseren Beitrag leisten, das schwarzgelbe Herz aktivieren. Der Schlüsselmoment war gekommen.
Wir schrien uns die Hälse wund, es schien zu wirken bis zur 75. Minute als die Schockstarre eintrat.
All dies ging mir beim morgendlichen Gang durch den wetterbedingt kaum frequentierten Park durch den Kopf. Irgendwie genoss ich diese Einsamkeit in der Großstadt als mich meine BVB App per Klingelzeichen auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Ich schaute auf das Display von meinem Handy und las den Satz: Wir haben es nicht zu Ende gespielt. In diesem Moment wusste ich noch nicht von wem dieser Satz stammte, aber eigentlich war es mir auch egal. Er war jedoch der Auslöser zu einem Gedankenspiel, das wenigstens der Frustbewältigung diente und den Rückweg prägte.
Wie so oft in dieser Saison konnte ich mir auf der Tribüne nicht sicher sein ob ein zwei zu null im Spiel reichen würde die 3 Punkte nach Hause zu fahren. Und dann immer wieder dieser Satz. Ich werde sie auch ignorieren diese Klugscheißer oder auch selbsternannten Analytiker, die versuchen werden meine Welt der wenigen Argumente zu zerstören. Aus diesem Grund werde ich keine Verantwortlichen nennen und keine Spieler an den Pranger stellen.
Schließlich werden wir alle in dieser Situation unser schwarzgelbes Herz behalten und es schlägt auch ohne Schrittmacher weiter.
Trotzdem gilt es einige Dinge kritisch zu beleuchten und zwar auf allen Ebenen. Ich kann einen weiteren Satz nicht mehr hören, der diese Saison geprägt hat: Wir müssen von Spiel zu Spiel denken! Es mag sicher eine TOP Saison sein. Aber irgendwann bei zwischenzeitlich 9 Punkten Vorsprung müssen wir auch den Arsch in der Hose haben zu sagen wir wollen Meister werden. Wenn dies die Führungsspitze nicht macht, wer soll es sonst machen. Nur so kann man dies der Mannschaft auch vermitteln. Und auch der Satz „Es ist vorbei wenn`s vorbei ist“ kann nicht nur von den Fans kommen. Er muss bei allen Spielern auf der Stirn zu lesen sein. Ein Michael Zorc, der im Sportstudio am gleichen Abend auf die Frage glauben Sie noch an die Meisterschaft antwortet „So lange dies noch rechnerisch möglich ist muss ich dies bejahen“ kommt mit diesem Statement viel zu spät.
Kommen wir zu den Spielern. Wir haben sicher eine Mannschaft die in dieser Saison Überragendes geleistet hat. Aber uns fehlen neben den filigranen Ballkünstlern gelegentlich die Kampfschweine, die bis zum Umfallen kämpfen. Da ist es mir auch scheißegal ob diese irgendwann einmal in einem Hotel in die Ecke pinkeln. Leader sind gefragt, die mit entsprechendem Vorbild vorangehen und zwar in allen Mannschaftsteilen. Ein Marco Reus allein kann dies nicht leisten. Leader innerhalb und außerhalb des Spielfeldes. Dabei möchte ich den Namen eines Außenverteidigers nicht nennen. Solche Spieler wachsen in bestimmten Situationen einmal über sich hinaus. Ich habe diese Spieler in den letzten 15 Minuten vermisst. In der ganzen Saison habe ich aber auch einen Abwehrchef vermisst wie wir ihn in den Meisterschaften der Vorjahre hatten.
Ganz zum Schluss drängt sich in mir eine weitere Frage auf wenn ich den Verlauf vieler Spiele in dieser Saison betrachte. Haben wir vielleicht auch ein Konditionsproblem ab einer bestimmten Minute 70 plus? Es fällt gerade in der Rückrunde immer mehr auf, dass verschiedene Spieler in der zweiten Halbzeit aus sonst unerklärlichen Gründen abtauchen. Hier sollte die Vorbereitungszeit auf die neue Saison sicher einen Schwerpunkt legen. Auch wenn es das Phrasenschwein bedient mit dem Satz ein Spiel dauert schließlich 90 Minuten.
Für die beiden letzten Spiele wünsche ich mir Kampf gepaart mit Emotionen. Keine Pressekonferenzen, die beliebig reproduzierbar sind. Der Satz „Wir haben es nicht zu Ende gespielt“ muss Vergangenheit sein. Es gilt mehr denn je „Es ist vorbei, wenn`s vorbei ist“. Ich werde bis zum Samstag meine Stimme schonen und in einer Woche wieder heiser sein, scheiß egal, ich glaube an die Meisterschaft und ich wünsche mir am 33. Spieltag gegen Düsseldorf im Stadion 81 365 Follower.