Manuel Akanji und der Mythos der Leistenverletzung
Aus Faserriss wurden Hüftprobleme. Warum Manuel Akanjis Verletzung so schwer zu diagnostizieren ist.
Es ist der 18.12.2018 in der Merkur Sportarena in Düsseldorf. Ein für den BVB in zweierlei Hinsicht denkwürdiger Tag. Zum einen gibt es gegen den Aufsteiger Fortuna Düsseldorf die erste Niederlage der Hinrunde. Auf der anderen Seite sorgt sich unser Trainer Lucien Favre um die Zukunft seiner Abwehr. Manuel Akanji, unser Abwehrchef wie es die Presse tituliert, wird in der Halbzeit mit Leistenbeschwerden ausgewechselt. Auch Diallo hat sich verletzt und hat wahrscheinlich eine Zerrung, bei Akanji wissen wir es noch nicht äußert der besorgte Trainer in der Pressekonferenz.
In der Presse beginnen die Spekulationen. Es tauchen die Begriffe Leistenzerrung, Faserriss und Adduktorenprobleme auf um nur einige Diagnosen zu nennen. Der BVB übt sich in Zurückhaltung. Man strebt weitere Untersuchungen bei Spezialisten in der Schweiz und in Deutschland an. Es kursieren Gerüchte von drohender Operation und monatelangem Ausfall. Während es immer noch keine konkrete Diagnose gibt bedeutet für Akanji die Verletzung, dass er nicht am Trainingslager vom 04.-12. Januar in Marbella teilnehmen kann. Beim BVB macht man sich anscheinend Gedanken über eine zusätzliche Verstärkung in der aktuellen Transferperiode.
Es ist immer das gleiche Szenario. Zieht sich ein Profifußballer eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes zu sind die Wege geplant. Es erfolgt eine zeitnahe Diagnosestellung, eine frühzeitige Entscheidung über eine notwendige Operation und schließlich die Durchführung dieser Operation beim Spezialisten in München oder in den USA. Man hat allerdings den Eindruck, dass das Heer der Spezialisten immer größer wird. Meines Erachtens hat dies auch mit der geänderten Weiterbildung der Fächer Unfallchirurgie und Orthopädie zu tun. Diese Veränderung hat dazu geführt, dass klassische sportmedizinische und sporttraumatologische Krankheitsbilder oft auf der Strecke bleiben. Und hier schließt sich der Kreis zum Mythos des Leistenschmerzes.
Wie ist es erklärbar, dass bei dem verletzten Spieler Akanji noch keine exakte Diagnose im Raum steht? Es ist schwierig in diesem Zusammenhang den Leistenschmerz einzuordnen. Gerade in der Akutphase ist eine Differentialdiagnose oft schwierig und nicht immer helfen diagnostische Maßnahmen wie MRT und CT. Es bedarf einer langjährigen klinischen Erfahrung um nach der Akutphase zwischen Adduktorenproblemen, weicher Leiste und sonstigen Muskelansatzreizungen zu unterscheiden um nur einige zu nennen. Und dabei lassen wir die eigentlichen Hüfterkrankungen außer Acht und auch die Tatsache, dass auch Kranheitsbilder der Lendenwirbeläule u.s.w. in die Leiste ausstrahlen können. Diagnosen wie Knochenhautreizung und Schambeinentzündung helfen hier nicht weiter, sind sie doch eher von sekundärem Charakter.
All diese Unsicherheiten führen zum Problem der Diagnosestellung und somit auch zum verzögerten Beginn der Rehabilitationsphase. Vielleicht wird so dem Laien verständlich, dass es hier zu oft monatelangen Ausfällen kommt, die nur schwer nachvollziehbar sind. Hinzu kommt der Druck und die Vorsicht bei allen Beteiligten. Hat man es doch mit millionenschweren Investitionsträgern zu tun deren Marktwert man nicht so gerne aufs Spiel setzt. So ergibt sich schon manchmal der Eindruck, dass sich heutzutage Krankheitsphasen verlängern und der Verlauf von Krankheitsbildern nicht immer verständlich ist.
Die Gesundheit des Spielers spielt letztendlich die entscheidende Rolle. Nur ein gesunder Spieler bringt seine optimale Leistung. Ziel nach einer Verletzung ist es dennoch zu einer schnellen Diagnosefindung zu kommen um Spekulationen jeglicher Art den Boden zu nehmen. Damit hilft man auch dem betroffenen Spieler und reduziert die Phase der Unsicherheit. Man kann frühzeitig den Weg zur konservativen bzw. operativen Therapie planen und die Art der medizinischen Rehabilitation planen. Ziel ist es somit dem Mythos Leistenschmerz ein frühzeitiges Ende zu setzen.
geschrieben von Kay