Eine Niederlage als Benchmark
Der BVB scheidet aus der Champions League aus. Trotz der erneuten Niederlage gewinnen Mannschaft und Fans eine wichtige Erkenntnis: Die bedingungslose Symbiose aus beidem ist der Grund, warum man als Borusse stolz sein kann. Auf dem Weg zum Ziel und für die letzten zehn Spiele der Saison ist dies der alternativlose Weg.
Die berühmte nicht vorhandene Chance, die man trotzdem nutzen wollte. Ein erneutes Wunder wie gegen Malaga, beinahe gegen Real Madrid und ein früheres 3:0 gegen die Spurs von vor drei Jahren. An all diese Strohhalme klammerte sich das schwarzgelbe Umfeld vor dem eigentlich aussichtslosen Duell gegen die Londoner. Denn das Ding war ja schon durch, oder?
An diesem Abend hatte die Mannschaft aber offensichtlich endlich verstanden, was die Fans sehen und wieder bestaunen wollten. Was Matthias Sammer noch am vergangenen Freitag aus dem Glaskasten so vermisste, lieferte Borussia von der ersten Minute. Es spielte nur ein Team, mit der Süd im Rücken und zahlreichen kleinen, mittleren und riesigen Torchancen. Im Netz hinter Weltmeistertorwart Lloris landete keine einzige. Alternativlos und offensiv wie selten zuvor stellte Favre auf, der überfällige Bankplatz für Hakimi überraschte nicht. Guerreiro, Sancho, Götze, Reus und Alcacer gleichzeitig auf dem Rasen schon mehr. Vollgas. Bemerkenswert, wie deutlich sich dabei der Unterschied „Wir können nur gewinnen“ und „wir haben einiges zu verlieren“ auf dem Platz wiederspiegelte.
Immer und immer wieder hatte Hugo L. jedoch etwas gegen Vollgas einzuwenden, als wäre die Aussicht auf das allererste Erreichen des CL-Viertelfinals unter Magician Pochettino nicht genug. Zusätzliche Motivation: Das mögliche 100. Spiel ohne Gegentor für den Franzosen der Coys. Hugos Chancen diesen Meilenstein zu erreichen erhöhten sich mit dem Halbzeitpfiff, Dortmunds Wahrscheinlichkeit auf die nächste Runde in Europa sank deutlich. Wo war es, dieses Spielglück? Scheinbar aufgebraucht, als wäre dieser Behälter schon in der Hinrunde vollends ausgekratzt worden. Dazu passen die letzten Partien, die vier vergangenen miserablen Wochen und die sehr unterdurchschnittlichen Ergebnisse. Dazu passte auch der Spielverlauf an diesem vorerst letzten Abend auf europäischer Bühne. Der BVB war förmlich gezwungen, eine solche erste Halbzeit abzuliefern. Weil er musste. Und da er dies kann, tat er es auch. Nichts zu verlieren, alles zu gewinnen.
Gewonnen hatte man aber auch nach diesen erneuten 90 Minuten nicht, sogar erneut ohne eigenen Treffer verloren. Kane ist eben Kane, und Kane ist Weltklasse. Der WM-Torschützenkönig zog der ohnehin kleinen sportlichen Resthoffnung zwar endgültig den Stecker, besiegelte damit die sich fortsetzende sportliche Talfahrt und Ergebniskrise. Doch der Strahlkraft der wichtigsten Erkenntnis an diesem Abend konnte nichts und niemand die Energiezufuhr kappen. Denn nichts und niemand beweist solch ein feines Gespür für Situationen und richtige Reaktionen wie das Westfalenstadion. Immer und immer wieder. Sekundenschnell überwog der Stolz die Enttäuschung des Ausscheidens, im Bewusstsein ob der momentanen Verfassung und Gemütslage dieser Mannschaft.
Der Startschuss für den Rest der Saison fiel in Minute 47, und die an diesem Abend gelebte Symbiose aus Fans und Mannschaft ist die alternativlose Art und Weise, mit dem die letzten zehn Spiele in der Bundesliga angegangen werden müssen. So und nicht anders muss Borussia Dortmund präsentiert und vertreten werden. Auf und neben dem Platz. Immer und überall. Beide Seiten haben gezeigt was sie können – jetzt müssen alle bedingungslos liefern.
Stimmen zum Spiel
Michael Zorc:
"Der Applaus der Fans nach der Partie war eine Belohnung für das gesamte Champions-League-Jahr. Wir haben eine sehr gute Vorrunde gespielt. Ich habe in der ersten Halbzeit eine sehr gute Leistung von uns gesehen. Wir hatten viele Chancen, aber das Tor hat gefehlt, das die Initialzündung hätte geben können. Unsere Mannschaft hatte vier bis fünf hervorragende Torchancen, davon müssen wir natürlich eine oder zwei nutzen. Dann geht das Spiel auch anders aus. Mit dem 0:1 war der Stecker natürlich gezogen.“
Marco Reus:
"Es war alles möglich. Leider konnten wir aus unseren vielen Torchancen keinen Profit schlagen. Ein 1:0 hätte uns nochmal gepusht zusammen mit unseren Fans, die unglaublich waren. So etwas erlebt man nur hier. Wir spielen Fußball, um zu gewinnen. Von daher sind wir enttäuscht, dass wir es nicht geschafft haben. Wir hätten vor der Halbzeit ein Tor gebraucht, das haben wir nicht geschafft. Wir hatten unfassbar viele Torchancen, der Gästetorwart hat aber auch sehr gut gehalten. Auf der Leistung der ersten Halbzeit kann man aufbauen, das war stark nach dem Rückschlag gegen Augsburg. Nach dem Gegentor war das Spiel entschieden. Ich glaube, wir haben das Momentum aktuell nicht auf unserer Seite."
Mauricio Pochettino:
"Es war ein unglaublicher Aufwand. Ich möchte meinen Spielern gratulieren und gleichzeitig bin ich stolz auf die Fans und den Verein. Ich bin mehr als glücklich. Es ist einfach eine sehr besondere Saison bisher."