Kleine und große Wunder
Es war nur ein paar Tage nach der schrecklichen und schrecklich verdienten Niederlage in München, als im Fernseher Bilder auftauchten, die einem als BVB-Fan das Herz bluten lassen: Jürgen Klopp, Champions League, geiler Fußball, Emotionen pur, Unmögliches möglich gemacht. Alles wie damals. 2011, 2012, 2013 – so lange ist das noch gar nicht her. Und doch so weit weg. Es ist ganz normal, dass man in unserer jetzigen Situation nostalgisch wird beim Anblick dieser Bilder. Sehnsüchtig. Deprimiert.
Doch der Blick zurück ist nicht richtig. Er lässt uns in einer Vergangenheit schwelgen, die nicht nur eine Momentaufnahme war, sondern auch noch extrem selten. (Das einzige, was in Liverpool momentan gleich ist wie bei uns damals, ist die Personalie Klopp und ein historischer Championsleague Abend.) Was wir in der Saison 2010/2011 - und dann noch vielleicht 2 Jahre danach - erlebt haben, ist so einzigartig wie es wundervoll war. Es gibt nur wenige Geschichten, die damit vergleichbar sind (vielleicht der Meistertitel von Leceister 2016 in letzter Zeit) und wir dürfen nicht den Fehler machen zu glauben, dass alles wieder so werden wird, wie damals. Nicht nur der Fußball hat sich seither verändert. Der Verein ist anders, auch wir Fans sind anders.
Der Verein hat nicht mehr die gleiche finanzielle und sportliche Ausgangslage wie damals. Aber vor allem haben wir Fans nicht mehr die gleiche emotionale Ausgangslage wie 2010. Ein Grund, weshalb es damals so unglaublich schön war, ist dass wir nicht nur nicht damit gerechnet haben, es wäre uns nicht mal im Traum eingefallen daran zu glauben. Wir kamen aus einer Situation heraus, in der wir am Boden lagen (oder vielleicht sogar noch etwas tiefer). Nur ein paar Jahre davor hatten wir BVB-Fans bei Auswärtsfahrten gerne das Lied angestimmt: „2010, ihr werdet es schon sehn! Dann sind wir wieder schuldenfrei und wir werden Deutscher Meister!“ Das war nicht eine Zukunftsvision, sondern überschäumender an Sarkasmus grenzender Optimismus, um uns irgendwie über Wasser zu halten. Die Tatsache, dass genau das eingetreten ist (ok, zugegeben, ein Jahr verspätet), machte es erst zu diesem Wunder.
Dass dazu noch alles andere darum herum so toll gestimmt hat – vom emotionalen, sympathischen Trainer, über die Mannschaft mit „11 Freunden“ auf dem Platz bis hin zu einer Nähe zwischen Verein und Fans, die es seit dem Anfang der Fankultur eigentlich nicht mehr gegeben hat – machte es zu einem Märchen.
Dieses Märchen würde sich selbst mit dem gleichen Trainer und den gleichen Spielern nicht wiederholen lassen, daher müssen wir unseren Blick in die Zukunft richten und an einem neuen Wunder arbeiten. Anfangen könnten wir damit, unsere Erwartungshaltungen an die Realität anzupassen. Der FC Bayern ist Deutscher Meister (herzlichen Glückwunsch an der Stelle) und wir das wohl auch die nächsten paar Jahre bleiben (herzlichen Glückwunsch schon mal an der Stelle). Jede Saison aufs Neue zu erwarten (hoffen hingegen ist immer erlaubt), dass wir Meister werden, bringt uns weiter von dem Wunder weg, nachdem wir uns alle so sehnen. Stattdessen sollten wir damit anfangen, uns auf unsere Stärken zu besinnen, auf die Dinge, die uns damals vor allem auch neben dem Platz so stark gemacht haben: Zusammenhalt, Bescheidenheit, Leidenschaft.
Und wenn wir dann schon dabei sind, zurück zu schauen, dann vielleicht auf eines der wenigen Heimspiele, das in den oben genannten Saisons nicht gewonnen wurde: das Heimspiel gegen Stuttgart 2012. Fast auf den Tag genau vor 6 Jahren. Damals hat das Westfalenstadion zwei Tore erzielt. So klischeehaft das auch klingen mag, das hat niemals jemand in Frage gestellt, der das Spiel im Stadion erlebt hat. Wenn wir es schaffen, unsere Leidenschaft auf den Platz zu bringen, dann können wir auch in einzelnen Spielen kleine Wunderchen vollbringen, die irgendwann vielleicht wieder zu großen Wundern auswachsen können.
Es ist einfach, immer an der Mannschaft, dem Trainer, den falsch ausgegebenen Millionen und allen anderen Umständen rumzumeckern. Das ist ja alles soweit gar nicht falsch, es muss vieles verändert werden – im Verein und im Fußball. Aber wenn wir heute im Stadion stehen, dann sollten wir bei den kleinen Dingen anfangen, die wir selbst verändern können, jeder einzelne von uns: Bei der Unterstützung der Mannschaft. Zusammenhalt, Bescheidenheit, Leidenschaft. So wie damals.
Mögliche Aufstellungen
Borussia Dortmund: Bürki – Piszczek, Akanji, Toprak, Schmelzer – Weigl, Dahoud – Philipp, Reus, Schürrle – Batshuayi
VfB Stuttgart: Zieler – Beck, Pavard, Badstuber, Insua – Gentner, Ascacibar, Aogo, Thommy – Ginczek, Gomez
Schiedsrichter: Ittrich (Hamburg)
Nadja, 08.03+1.2018