Ehrlich währt am längsten
Dritter gegen Vierter: Zum Spitzenspiel empfängt der BVB die Eintracht aus Frankfurt. Doch in mehrerlei Hinsicht ist das Spiel für mich gar nicht spitze. Los geht es bei der aktuellen Leistung: Auch wenn uns die Statistik hoffnungsfroh stimmen sollte (gegen keinen Klub siegte der BVB insgesamt (42-mal) und zuhause (31-mal) häufiger als gegen Eintracht), bin ich nach dem Euro League Spiel eher pessimistisch gestimmt. Schließlich kommt mit der SGE eine Mannschaft, die zur Zeit richtig gut drauf ist. Von den letzten vier Bundesligaspielen hat Frankfurt nur eins verloren. Und Trainer Niko Kovac gibt die dementsprechende Marschroute für sein Team raus: "Wir sind keine Mannschaft, die sich hinten reinstellt. Egal wo, wir greifen vorne an." Trotz allen Selbstbewusstseins: Natürlich schlüpft auch Kovac in die Rolle des Underdogs: "Dortmund muss in die Champions League, das ist das erklärte Ziel, und dementsprechend ist der Druck sehr viel größer als auf unserer Seite. Der BVB muss, wir können." Klingt für mich, wie der Wolf im Schafspelz. Wir tun gut daran, die Eintracht nicht zu unterschätzen und uns selbst am Riemen zu reißen. So eine Vorstellung wie gegen Salzburg möchte wohl niemand noch einmal erleben.
Weiter geht's mit dem Anpfiff: Sonntagabend, 18 Uhr. Ich finde diese Sonntagabendspiele fast genauso ätzend, wie die Montagsspiele. Ich glaube zwar nicht daran, dass der Sonntag allein dem lieben Gott gehört. Aber dem Fußballgott gehört er sicherlich auch nicht. Für mich bedeutet Fußball nämlich auch, nach dem Spiel noch Freunde und Bekannte zu treffen, bei einem Bierchen über das Spiel zu sprechen und alle Optionen zu haben, nach Hause zu fahren oder doch noch unter Leuten zu bleiben.
An einem Sonntag sehe ich für mich nach dem Spiel nur eine Option: nach Hause zu fahren. Mit den Gedanken bereits beim nächsten Arbeitstag, hält mich nach Abpfiff nichts mehr im oder am Stadion. Steht an einem Sonntag ein Auswärtsspiel an, überlege ich mit zwei Mal, ob ich hinfahre. Je nachdem, wo man zu Gast ist, geht dafür locker auch ein Urlaubstag drauf. Und der muss nun mal in den Kalender des Arbeitgebers passen und nicht in den von Borussia Dortmund. Außerdem habe ich das Gefühl, dass an einem Sonntag nicht die gleiche Stimmung aufkommt, wie an einem Samstag. Ich kann im Block noch so laut singen und anfeuern, so richtig packt mich das Fußballfieber nicht. Aber das packt mich sowieso schon lange nicht mehr. Aber dazu gleich mehr.
Wie ihr merkt, ich bin also nicht gerade „on fire“, wenn ich an das Spiel denke. Und noch weniger Lust auf Fußball verspüre ich, wenn ich an das nächste Heimspiel denke: Sonntag, 13.30 Uhr. Beste Sonntag-Mittagessen-Zeit. Kann man sich bei einem Abendspiel wenigstens noch den Reiz eines Flutlichtspiels einreden, fällt mir zu der 13.30-Anstoßzeit aber wirklich gar nichts Positives ein. Außer vielleicht, dass ich rechtzeitig zum „Tatort“ wieder zu Hause bin. Ja, dass mag traurig sein. Und glaubt mir, ich erschrecke selbst angesichts meiner Worte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal solche Gedanken hege. Es gab Zeiten, da hatte ich immer Bock auf Fußball und den BVB - egal, wann Anstoß war. Aber ich weiß, diese Lustlosigkeit liegt nicht allein an den immer abstruser werdenden Anstoßzeiten. Wahrscheinlich werden wir uns da zukünftig an noch viel schlimmere Dinge gewöhnen müssen.
Bei mir liegt die Lustlosigkeit auch daran, dass ich schon länger mit unserer Mannschaft fremdel. Ich habe schon in anderen Texten geschrieben, dass ich mich, frage, wo meine Leidenschaft, meine Emotionen geblieben sind. Schließlich ist das doch elementar für einen Fan. Und stets habe ich gehofft, dass diese Leidenschaft und diese Lust, die mich den großen und überwiegenden Teil meines BVB-Fan-Dasein begleitet und getrieben hat, irgendwann wiederkehrt. Was ist schließlich ein Fan ohne Emotionen? Ich bin natürlich Fan von Borussia Dortmund. Von dem Verein. Aber eben nicht so sehr von der Mannschaft, nicht von einzelnen Spielern.
Es gab Zeiten, da habe ich, wenn ich von der Mannschaft gesprochen habe, von „unseren Jungs“ geredet. Mein Herz hing an der Mannschaft, ich habe mich mit den Spielern gefreut, mit ihnen gelitten. Und ich hatte auch das Gefühl, dass es ihnen etwas bedeutet, für diesen Verein spielen zu dürfen. Dass wir Fans ihnen etwas bedeuten. Ich will keinem aktuellen Spieler Unrecht tun. Und für mich habe ich auch noch ein paar „gute“ Jungs ausgemacht. Aber spätestens Spieler wie Mkhitaryan, Dembele und Aubameyang haben mich vorsichtig werden lassen. Denn was haben wir von diesen Spielern gelernt? Dass Loyalität im Profifußball scheinbar nichts mehr zu suchen hat. Dass Sympathiebekundungen für Verein und Fans nichts als leere Worte sind. Dass es völlig ok ist, sich auf unrühmliche Weise aus dem Staub zu machen und das hinterher damit zu begründen, dass man eben ein „verrückter Junge“ ist. Haha.
Wer sagt mir, dass nicht irgendein aktueller Spieler demnächst auch auf Dembele oder Aubameyang macht? Versteht mich nicht falsch. Es geht mir nicht darum, dass sich ein Spieler ewig an den BVB binden muss. Wenn man für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommt, wird wohl jeder schwach. Es geht mir um die Art und Weise. Mein geliebter Ballspielverein wird von solchen Spielern wie ein Fußabtreter behandelt. Sie tun so, als wäre es eine Strafe für den BVB zu spielen. Auch wenn wir längst im modernen Fußball angekommen sind, schmerzt mich so etwas trotzdem. Denn ich bin nach wie vor davon überzeugt: Man kann stolz darauf sein, wenn man für einen traditionsreichen Verein wie unseren spielen darf. Der BVB hat eine beeindruckende Geschichte, niemand muss den Hungertod sterben und die Fans sind, glaube ich, auch ganz ok.
Wenn man einen Verein verlässt, kann man das mit Respekt tun. Denn die Kollegen und die Führung haben Respekt verdient. Und ja, auch wir Fans haben Respekt verdient. Denn wir Fans sind keine zahlenden Idioten, die man nach Lust und Laune verarschen kann. Wir merken durchaus, wenn Sympathiebekundungen ernst gemeint. Wir sind kein Instrument, um die Followerzahlen von @aubameyan97 auf Instagram und Co. in die Höhe zu treiben. Ich glaube, behaupten zu können, dass wir Fans viel verzeihen. So lange sich jemand für den Verein den Arsch aufreißt, drücken wir beide Augen zu. Und über den Einsatz für den BVB führt der Weg direkt in das Fan-Herz. Dafür muss man kein Weltklassespieler sein.
Aber eins ist mir wichtig, in richtig aller Fußballspieler, zu betonen: haltet uns Fans nicht für dumm. Glaubt nicht, dass wir Unehrlichkeit nicht von Ehrlichkeit unterscheiden können. Uns bedeutet dieser Verein, den ihr womöglich mit Füßen tretet, viel. Sehr viel. Wenn der BVB nur ein Verein von vielen ist, behauptet nichts anderes. Sprüche ala Mkhitaryan, dessen Traum es schon immer war für den BVB (natürlich auch für Manu und Arsenal) zu spielen, könnt ihr euch sonst wohin stecken. Falsche Liebe braucht niemand. Denn auch im Fußball gilt: ehrlich währt am längsten.
10.03.2018, Leonie