Vom Sündenbock zum Leistungsträger?
Vor etwas mehr als einem Jahr schrieb ich einen schwatzgelben Artikel zu unserem millionenschweren Neuzugang André Schürrle und einem ersten Zwischenfazit zur Winterpause. Damals hoffte ich darauf, dass uns der WM-Held in Zukunft mit der vollen Entfaltung seines Talents beglücken und zu einem festen Bestandteil des BVB avancieren würde. Bis dato war Schürrle ja eher durch häufige Wechsel in den Schlagzeilen…
Schon viel wurde über den 27-Jährigen geschimpft, doch wenn man sich die harten Fakten anguckt, konnte sich Schürrle noch gar nicht wirklich über einen längeren Zeitraum präsentieren. Eine Achillessehnenreizung und ein Muskelfaserriss warfen ihn in der entscheidenden Phase der letzten Saison und in der Hinrunde der aktuellen Spielzeit zurück. Nach seiner Rückkehr bekleckerte er sich sicherlich nicht mit Ruhm, extrem kritische Stimmen aus Richtung der Fans machten es ihm aber auch nicht wirklich einfach. Komplett bin ich ehrlich gesagt von seinem Können noch nicht überzeugt. Ich glaube aber, dass er gerade jetzt ein wichtiger Baustein im Team von Peter Stöger sein kann.
Auswärts in Köln unterstrich der Linksaußen, dass er gewillt ist, etwas an seiner bescheidenen Situation zu ändern. Watzke nahm ihn unlängst in die Pflicht („Er hat alle Möglichkeiten, er wird immer wieder die Chance bekommen, sich zu zeigen. Aber in letzter Konsequenz muss er das sportlich lösen") und mit seinem enorm wichtigen Treffer zum 3:2-Endstand machte er einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Endlich! Das kollektive Aufatmen der Fanszene war laut zu hören. Glücklich rannte er in die Kurve und ließ sich feiern.
Von einem Spieler mit der Erfahrung und dem Standing von André Schürrle erwarte ich, dass er Verantwortung übernimmt und in einer nach wie vor nicht gerade leichten Phase konstante Leistungen abliefert und kämpft. Und das kann er genau jetzt tun. Mit Sancho, Yarmolenko und Philipp sind drei wichtige Spieler auf den offensiven Außenbahnen verletzt. Reus kämpft sich wieder an die Mannschaft heran und Pulisic ist nicht in seiner besten Form. Neuzugang Sergio Gómez wird zudem wahrscheinlich noch nicht die erste Wahl sein. Im anstehenden Spiel gegen den HSV ist Schürrle daher gesetzt.
Viele Fans scheint es zu verwundern, dass wir in einer gefühlt unterdurchschnittlichen Saison noch so gut dastehen. Im Kampf um die Champions-League-Plätze sind wir aber mittendrin. Gegen Hamburg gilt es, Druck auf die Brausebullen und Pillendreher auszuüben und den Blauen, die in München ranmüssen, im Idealfall ein Stück zu enteilen. Zu oft haben wir gegen die Norddeutschen Punkte verschenkt, welche im Vorfeld schon fest eingeplant wurden. Neutrainer Hollerbach scheint etwas mehr Struktur in die Mannschaft gebracht zu haben, aber auch im Angesicht der Sperre von Papadopoulos ist der erste Heimsieg im neuen Jahr Pflicht.
Vielleicht ist es aktuell einfach mal wieder an der Tagesordnung, eine ausgelutschte Fußballerweisheit aus der Kiste zu kramen: Von Spiel zu Spiel denken. Die Causa Aubameyang liegt in der Vergangenheit, nötige Kaderumbrüche gezwungenermaßen in der Zukunft. Uns allen und der Mannschaft ist am meisten geholfen, wenn wir uns auf das kommende Match konzentrieren und alles dafür tun, die drei Punkte in Dortmund zu behalten. Pfeifen während des Spiels gehört sicher nicht dazu.
Etwas Gutes hat die Phase nach einer Krise definitiv: Man kann es wieder so richtig wertschätzen und genießen, mit einem Sieg den Heimweg anzutreten. Allein schon durch die Personalplanung wird das aber kein Zuckerschlecken. "Man muss sich an das anpassen, was man zur Verfügung hat", sagt Peter Stöger zu Recht. Neben Michy Batshuayi, der in Köln ein durchaus überzeugendes Debüt gegeben hat, wird André Schürrle in den Planungen des Österreichers sicherlich eine wichtige Rolle spielen. Und bestimmt hat niemand etwas dagegen, wenn wir die beiden wieder als Matchwinner feiern können.
Mögliche Aufstellung: Bürki – Toljan, Sokratis, Toprak, Piszczek – Weigl, Sahin – Pulisic, Kagawa, Schürrle – Batshuayi
Lionard, 09.02.2018